Hamburg . 18-Jähriger wird verdächtigt, für die Terror-Miliz zu werben. Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, über soziale Medien Angst zu schüren.

In den sozialen Netzwerken zeigte sich Zineddin K. äußerst mitteilsam. Der 18-Jährige ließ kaum eine Chance ungenutzt, um auf Facebook oder Telegram für die Terror-Miliz Islamischer Staat (IS) zu werben und ihre Gräueltaten zu preisen. Obwohl er dort mehrmals Abu Bakr-Baghdadi, dem Anführer des IS, seine Treue geschworen hatte, steht der Hamburger algerischer Abstammung seit Dienstag nicht wegen Mitgliedschaft in der verbotenen terroristischen Vereinigung vor Gericht. Denn diesen Anklagepunkt hat der neue dritte Staatsschutzsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts nach vorläufiger rechtlicher Würdigung fallen lassen.

Verstörendes Bild gezeigt

Der junge Mann mit den langen Haaren und dem schmalen Oberlippenbart geriet vor allem deshalb in die Schlagzeilen, weil er ein verstörendes Bild auf seinem Telegram-Account veröffentlicht haben soll, das medial weite Kreise zog: Es zeigt mutmaßlich seine Hand, die das Foto eines IS-Banners mit dem (verbotenen) Prophetensiegel hochhält – und zwar mit der Elbphilharmonie im Hintergrund. Die Hamburger Generalstaatsanwaltschaft, die den Fall vom Generalbundesanwalt übernommen hat, wirft ihm vor, er habe so die „Angst der Bevölkerung vor dem IS schüren“ wollen.

Als IS-Anhänger posiert

Wenn es zutrifft, was die Anklage ihm zur Last legt, fungierte Zineddin K. als regelrechte Propaganda-Maschine für die Terror-Miliz – ohne überhaupt von ihr dazu angeleitet worden zu sein. Wer im Internet stöbert, findet noch immer Fotos des jungen Salafisten mit dem Kampfnamen Abu Jamal. Zineddin K. bevorzugte Motive, die ihn als grimmigen Gotteskrieger ausweisen sollten, ihn aber eher wie einen IS-Fanboy aussehen ließen: Tarnhose, darüber ein schwarzes Gewand, den Zeigefinger in typischer Islamisten-Manier gen Himmel gereckt.

Acht Straftaten vorgeworfen

Mutmaßlich strafbar sind allein seine Aktivitäten in den sozialen Medien. Acht Straftaten wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, darunter die öffentliche Aufforderung zur Begehung von Straftaten, Gewaltdarstellung und das Verbreiten von Kennzeichen verbotener Vereine. So soll er etwa versucht haben, eine Frau und einen Mann per Telegram für den IS anzuwerben. Sie mögen nach Syrien ausreisen, der Mann in „Sunna-Kleidung in Camouflage und mit Bart und ihr beide bewaffnet“, so Zineddin K. Im Januar 2018 soll er dazu aufgerufen haben, Polizisten zu töten; zwischen April und Juni 2018 soll er dann die Mitglieder seiner Telegram-Gruppe aufgefordert haben, gegen nicht-muslimische „Ungläubige“ zu kämpfen. Zu diesem Zweck habe er Dateien mit Anleitungen für Sprengstoffanschläge und Messerattacken verschickt, heißt es in der Anklage.

Von der Staatsgewalt ließ sich der junge Mann indes nicht abschrecken. So verfehlte ein von Beamten des Landeskriminalamtes moderiertes Präventionsgespräch offenbar seinen Zweck. Und nachdem die Polizei im vergangenen Herbst die elterliche Wohnung in Bramfeld durchsucht hatte, veröffentlichte er den richterlichen Beschluss auf seinem Facebook-Profil, dazu die spöttische Bemerkung, er fühle sich „amüsiert“.

Taten im Alter von 17 Jahren begangen

Angeklagt ist der 18-Jährige zudem wegen der Zurschaustellung menschenverachtender, grausamer Gewalt. So soll er am 10. und 16. Dezember 2018 zwei IS-Propagandavideos veröffentlicht haben. Darauf ist zu sehen, wie bewusstlose oder getötete IS-Gegner per Fußtritt von einem Dach gestoßen, wie Leichen verhöhnt und geschändet werden. Screenshots von Gefangenen in dem Video kommentierte er mit den Worten: Es handele sich um „ekelerregende Wesen ohne Wert“, um „Unmenschen“, die nicht einmal mit Tieren zu vergleichen wären. Kurz darauf reichte es den Behörden: Seit dem 21. Dezember 2018 sitzt Zineddin K. in Untersuchungshaft. Einen Großteil der ihm zur Last gelegten Taten beging der Angeklagte mit 17 Jahren. Auf Antrag seiner Verteidigerin hat der Staatsschutzsenat am Dienstag mit Rücksicht auf das junge Alter des Heranwachsenden die Öffentlichkeit für weite Teile des Verfahrens ausgeschlossen.

Wohl kein Mitglied des IS

Als Unterstützer oder gar Mitglied sieht das Gericht ihn nach vorläufiger Würdigung nicht, da er dem IS lediglich einseitig seine Treue versichert habe. Es gebe nicht genügend Anhaltspunkte dafür, dass er auf die Infrastruktur der Terror-Organisation zugreifen und umgekehrt der IS ihn in seinem Sinne steuern konnte. Die Staatsanwaltschaft hingegen beharrte am Dienstag auf ihrem Standpunkt: Die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft seien erfüllt. „Hinreichend verdächtig“ sei der Angeklagte mindestens der „versuchten Mitgliedschaft“. Ein Urteil wird nicht vor dem 26. Juli erwartet.