Hamburg. In dem Einkaufszentrum können Profis oder jedermann, jung oder alt, vom 11. bis 15. Juni eine 16 Meter hohe Wand emporsteigen.

Die Fahrstühle in der Europa Passage am Ballindamm brauchen vom Erdgeschoss bis in den dritten Stock rund elf Sekunden. In der Woche nach Pfingsten könnte dieser Weg auf die Restaurant-Ebene des Einkaufszen­trums nicht mehr der schnellste sein. „Klettern an der Alster“ heißt der Event, der vom 11. bis 15. Juni an einer 16 Meter hohen Wand alternative Aufstiegsmöglichkeiten bietet. Könner schaffen es in zehn Sekunden. Der Weltrekord für die olympische Distanz von 15 Metern liegt bei 5,48 Sekunden, gehalten vom Iraner Reza Alipourshenazandifar. 2020 in Tokiowird Klettern erstmals Teil der Sommerspiele.

Und jetzt sind Sie gefordert! Die Wand steht täglich von zehn bis 20 Uhr allen, die Mut und Lust haben, jung und alt, mit Handicap oder ohne, Schülern, Studenten oder Managern, zum Ausprobieren offen. Kletterschuhe können vor Ort ausgeliehen werden, alles ist kostenlos. Gefahr besteht grundsätzlich nicht, ausgebildete Trainer und Übungsleiter des Deutschen Alpenvereins (DAV) und der kommerziellen Nordwandhalle in Wilhelmsburg sichern neben einer mechanischen Automatik mit einem Seil den Aufstieg. Acht Routen stehen zur Verfügung, vier auf jeder Seite der Wand.

120.000 Euro kostet die Spezialanfertigung

Einkaufszentren müssen sich heute gegen den wachsenden Onlinehandel behaupten. Mit im Durchschnitt 55.000 Besuchern täglich ist die Europa Passage eine der größten Deutschlands. Zur Weihnachtszeit kommen bis zu 145.000 Menschen am Tag zum Shoppen an die Binnenalster. „Dennoch sind wir ständig in der Pflicht, immer wieder neue attraktive Anreize zu schaffen, um die Leute zu uns zu holen. Es muss Spaß machen und interessant sein, sich bei uns aufzuhalten“, sagt Center-Manager Jörg Harengerd. Klettern ist für ihn dabei das ideale Angebot. In Shopping-Centern sei schon viel Sport betrieben worden, Weitsprung oder Golf etwa, „wir nutzen jetzt die Höhe unseres Gebäudes voll aus“, sagt Harengerd, der selbst die Wand erklimmen will. Den halb so hohen Prototypen, der zu Demonstrationszwecken am Montagmittag aufgebaut war, bestieg er bereits.

Es ist dann auch nicht irgendeine Kletterwand, die nächste Woche ruft. Es ist die größte mobile der Welt, 16 Meter hoch, neun Meter breit. Eine Spezialfirma aus Innsbruck karrt sie Ende dieser Woche in drei Lastwagen an, baut sie über Pfingsten in zweieinhalb Tagen im mittleren Eingangsbereich der Europa Passage auf. Rund 120.000 Euro kostet die Spezialanfertigung, die danach auch an anderen Standorten genutzt werden soll – und in den nächsten Jahren wieder in Hamburg. Die Stadt gibt im Rahmen des Senatsprogramm „Active City“ 20.000 Euro zum Etat dazu.

2020 erstmals olympische Disziplin

  • Klettern wird bei den Sommerspielen im August 2020 in Tokio erstmals olympisch. Je 20 Frauen und Männer können sich weltweit für die Wettbewerbe qualifizieren.
  • Die olympische Kombination (Com­bined) setzt sich aus den drei Einzeldisziplinen Speed (Geschwindigkeit), Bouldern (ohne Absicherung bis auf 4,5 Meter Höhe) und Lead (feste Route bis zu 20 Meter Höhe) zusammen.
  • Bei den Olympischen Jugendspielen 2018 in Buenos Aires bestand Klettern seine internationale Bewährungsprobe.
  • Der Deutsche Alpenverein hat zwei Frauen und vier Männer in seinen aktuellen Olympiakader aufgenommen.

Deutsche Alpenverein ist viertgrößter Sportclub in Hamburg

„Die Hamburger für Sport zu mobilisieren, ihnen zu zeigen, was dieser bewirken kann, ist uns ein großes Anliegen und lässt sich mit ,Klettern an der Alster‘ perfekt realisieren. Beim Klettern geht es darum, die persönliche Komfortzone zu verlassen, sich etwas zuzutrauen“, sagt Sportstaatsrat Christoph Holstein (SPD). Auch er, der begeisterte Kitesurfer, wird mitmachen.

„Klettern an der Alster“ bleibt keine einmalige Veranstaltung, sie ist für die nächsten vier Jahre in der Passage gebucht. Das aus gutem Grund. Der Deutsche Alpenverein Sektion Hamburg und Niederelbe wird in der jüngsten Statistik des Hamburger Sportbundes (HSB) mit 13.211 Mitgliedern als viertgrößter Club der Stadt hinter dem HSV (86.084 Mitglieder), dem FC St. Pauli (28.256) und dem Eimsbütteler TV (15.145) geführt.

Engagierten sich früher vor allem Umweltschützer und Wanderer im heute 150 Jahre alten Alpenverein, gewinnt die sportliche Abteilung immer stärkeren Zulauf. Die Aufnahme ins olympische Programm beschleunigt diese Entwicklung. Wird der Event nächste Woche ein Erfolg, will sich Hamburg 2020 um die deutschen Meisterschaften, gleichzeitig Olympia-Qualifikation für Tokio, bewerben. Entsprechende Vorgespräche mit dem nationalen Dachverband in München fanden schon statt.

Meisterschaften im Speedklettern am 15. Juni

Als Testlauf werden am Sonnabend, 15. Juni, die norddeutschen Meisterschaften im Speedklettern veranstaltet. Dabei geht es in affenartiger Geschwindigkeit im Zweikampf 15 Meter in die Höhe. Die Europa Passage scheint dafür ein idealer Veranstaltungsort. Der Wettbewerb kann von den Zuschauern über drei Etagen aus nächster Nähe verfolgt werden. „Unsere imposante Architektur bietet den perfekten Rahmen für diese Meisterschaft“, wirbt Center-Manager Harengerd für den Besuch der Titelkämpfe.

Zwei Tage zuvor gehen Prominente wie die ehemalige Box-Weltmeisterin Regina Halmich und Fitness-Influencer Hagen Richter an die Steilwand. Moderator Lou Richter (58) führt durch das Show-Programm.