Hamburg. Uni-Meteorologe Prof. Dr. Felix Ament spricht über Hitzesommer, trockene Böden, fehlende Eistage und Aufträge an alle Hamburger.

Der Sommer 2018? Ein Jahrhundertsommer. Was passiert, wenn der kommende genauso heiß und trocken wird? Merkt sich die Natur, was vergangenes Jahr los war? Im Gespräch: Prof. Dr. Felix Ament forscht am Meteorologischen Institut der Universität.

Hamburger Abendblatt: Der Sommer 2017 war kalt und verregnet, der Sommer 2018 ein sogenannter Jahrhundertsommer. Fängt eigentlich jeder Sommer wieder bei Null an? Oder können Sie mit dieser Frage wenig anfangen?

Felix Ament: Ich finde sie spannend, denn wenn ich sie verwissenschaftliche, lande ich im Kern bei der Frage: Wo haben wir im Wetter, wo haben wir im Klima Gedächtnis? Weiß das Wetter noch, wie der letzte Sommer war? Die Atmosphäre weiß es definitiv nicht, Luft erwärmt sich und kühlt schnell wieder ab. Im Ozean hingegen haben wir Gedächtnis. Die Meere sind träge. Die merken sich, ob ein Sommer heiß oder milde war, was allerdings auf unser Klima in Mitteleuropa wenig Einfluss hat. Als drittes haben wir den Boden. Der Boden hat auch ein Langzeitgedächtnis: Er ist in rund einem Meter Tiefe ein bis zwei Grad wärmer als 2018.

Warum kann man keinen Sommer vorher- sagen? Warum gilt das als unseriös?

Ament: Es gibt seriöse Kollegen, die Saisonvorhersagen machen, die es probieren. Aber es gibt im Grunde nur eine Region auf der Welt, für die das gut funktioniert: die Tropen. Bei uns gibt es einen ständigen Wechsel zwischen Hoch- und Tiefdruckgebieten. Aneinandergereiht ergeben sie eine Wellenlinie, eine Art Gürtel, der rund um den Globus wandert. Diese Wanderung bestimmt maßgeblich, ob wir schönes oder schlechtes Wetter haben. Manchmal bleibt dieses Karussell sogar im richtigen Moment stehen, das nennen wir dann blockierende Wetterlage. Über Ostern hatten wir es dieses Jahr. Und eben im vergangenen Sommer.

Der Sommer 2018 war dem Zufall zu verdanken?

Ament: Genau. So wie der Sommer 2017. Da ist das Karussell allerdings an der falschen Stelle stehen geblieben.

Stimmt es, dass durch den heißen Sommer 2018 der Grundwasserspiegel in Hamburg gesunken ist?

Ament: Ein einziger trockener Sommer reicht meines Wissens nicht aus, um den Spiegel ernstlich absinken zu lassen. Und ich glaube auch nicht, dass Hamburg eine Wassernot befürchten muss, weil wir jetzt den zweiten heißen Sommer in Folge haben. Das Wetter interessiert weniger das Grundwasser als die Bodenfeuchte weiter oben. Da sehen wir derzeit, dass der Boden an der Oberfläche eher trocken ist, was weniger am letzten Sommer liegt als am trockenen Winter. Wir hatten praktisch keinen Schnee – und kaum Niederschlag. Wenn der Boden trocken ist, gibt es kaum Verdunstung, der Boden erwärmt sich schneller, als wenn er feucht wäre. Ist er feucht, wird die Energie der Sonnenstrahlen in Verdunstung umgesetzt – nicht in Wärme. Die Trockenheit des Bodens wird also voraussichtlich dafür sorgen, dass es dieses Jahr ein bisschen schneller ein bisschen wärmer wird.

Angenommen, wir hätten zwei, drei sehr heiße Sommer hintereinander – würde das zu einer immer schnelleren Erwärmung im darauffolgenden Jahr führen?

Ament: Wenn unser Wetter nur bei uns lokal entstehen würde, ja. Aber unser Wetter wird überwiegend durch überregionale und globale Faktoren bestimmt, so dass die Erwärmung durch den Boden in unserer Region nur einen kleinen Einfluss hat. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass beispielsweise die Trockenheit im Frühjahr 2003 den darauffolgenden Hitzesommer begünstigt hat. Das sind einzelne Tendenzen, die aber nicht alleine erklären, worum einzelne Jahreszeiten vom Klimamittel abweichen.

Umweltministerin Schulze warnte Ende April vor dem nächsten Dürresommer und der Beschleunigung des Klimawandels …

Ament: Als Wissenschaftler ist das schwer zu verdauen. Da stecken nämlich zwei wichtige Wahrheiten drin, die aber falsch verknüpft werden. Die eine Wahrheit ist: Dürren sind nicht gut für uns. Die andere Wahrheit: Dass wir einen Klimawandel haben. Das wissen wir aber nicht daher, dass 2018 der Sommer so war wie er war und dass dieses Jahr Ostern sehr warm und trocken war. Das wissen wir aus langen, langen Messreihen, auf Grundlage von viel Physik und Naturgesetzen. Wir wissen, dass CO2 in der Atmosphäre zur Erwärmung führt. Und wir stellen fest, dass das CO2-Niveau in der Atmosphäre beständig steigt. Auch hier sprechen wir von einem Gedächtnis.

Prof. Felix Ament
vom Meteorologischen Institut
der Universität
Hamburg
Prof. Felix Ament vom Meteorologischen Institut der Universität Hamburg © UHH

Bewegt Sie das als Forscher?

Ament: Ich finde das erschreckend. Die Frage, ob es Klimawandel gibt und wie er grundsätzlich aussehen wird, das ist in weiten Teilen klar. Das haben wir untersucht, das wissen wir. Dass wir als Gesellschaft nicht darauf reagieren und sich unsere CO2-Emission nicht reduziert, finde ich persönlich unbegreiflich.

Was muss sich Ihrer Meinung nach tun?

Ament: Zwei Dinge. Zum einen fände ich wichtig, dass auch in Hamburg die Menschen anfangen, ihr tägliches Handeln zu hinterfragen: Muss das jetzt wirklich sein? Muss ich die Brötchen mit dem Auto holen? Muss es schon wieder Fleisch sein? Als Forscher würde ich mir wünschen, dass die Menschen verstehen, dass es einen längerfristigen Trend gibt. Die Temperaturen in Hamburg nehmen aufgrund der Klimaerwärmung pro zehn Jahre um etwa 0,2 Grad zu. Da zuckt natürlich jeder erst mal mit den Schultern, 0,2 Grad – was ist das schon? Übersetzt bedeutet das: Es wird wahrscheinlich in 20 Jahren nur noch halb so viele Frosttage wie zum Jahrtausendbeginn in Hamburg geben. Dafür werden wir regelmä­ßiger Tropennächte spüren. Noch weiter gedacht: Unsere Kinder werden in Hamburg am Ende des Jahrhunderts vielleicht gar keine Eistage mehr erleben. Einfach, weil das Klima sich ändert. Das sollte jedem in Hamburg klar sein.