Hamburg. Geteilte Meinungen zur Entscheidung des Bundesrats – das sagen ADFC, Hamburger Roller-Vermieter, Bahn und Politik.

Am heutigen Freitag hat sich der Bundesrat für die Zulassung von elektrisch angetriebenen Tretrollern im Straßenverkehr ausgesprochen. Die Bundesregierung muss dafür jedoch die Verordnung des Verkehrsministeriums ändern: Unter anderem sollen langsamere E-Tretroller nicht auf Gehwegen fahren dürfen, um Fußgänger nicht zu gefährden.

Der Bundesrat stimmte dafür, die Unterteilung in schnellere und langsamere Kategorien komplett aus den Regeln herauszunehmen. Sämtliche E-Roller sollen auf Radwegen fahren, wie es ursprünglich nur für schnellere Gefährte ab zwölf Kilometer pro Stunde vorgesehen war. Die Höchstgeschwindigkeit soll bei 20 Kilometer pro Stunde liegen. Eine Helmpflicht soll es nicht geben, auch einen Moped-Führerschein brauchen Fahrer nicht.

Anders als Fahrräder sollen die neuen E-Scooter außerdem versicherungspflichtig sein. Zum Nachweis wurde eigens eine aufklebbare Versicherungsplakette konzipiert. Weitere Vorgaben: Die Roller müssen bremsen können und eine Beleuchtungsanlage haben.

Altersfreigabe für elektrisch betriebene Roller

Ein weiterer Aspekt über den im Bundesrat abgestimmt wurde, war die Altersfreigabe: Die Nutzung soll ab 14 Jahren erlaubt sein. Die Empfehlung, die Gefährte erst ab 15 Jahren zu erlauben, fand in der Länderkammer keine Mehrheit.

Kritik an den neuen Regeln kam vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). „Die Scooter verschärfen die bekannten Platz- und Infrastrukturprobleme.“ Die Radwege reichten schon für den normalen Radverkehr nicht aus, so der ADFC-Sprecher. Außerdem sieht er im besonders tiefen Schwerpunkt der E-Scooter eine neue Unfallquelle.

Fahrräder und E-Scooter brauchen mehr Platz

Der ADFC fordert aus diesen Gründen doppelt so viel Platz für Zweiradmobilität. Nur so könne eine Entlastung vom Autoverkehrs durch Fahrräder und E-Roller erreicht werden. Das zeigte auch das Ergebnis des Abendblatt-Tests: Mehr Platz und weniger Autoverkehr scheinen das A und O, wenn es um das Sicherheitsgefühl und die unfallfreie Nutzung von E-Rollern geht.

Auf dem Gelände des Forschungszentrum Desy fahren die Mitarbeiter bereits seit vier Wochen mit E-Scootern. Das ist möglich, weil es sich um ein Privatgrundstück handelt. Für das 60 Hektar große Areal seien die elektrobetriebenen Tretroller eine umweltschonende Alternative, sagt Desy-Pressesprecher Thomas Zoufal. „Mit einem Elektro-Scooter zu fahren, macht Spaß und schützt das Klima“, findet auch Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) als sie das Desy zum Start der Testphase im April besuchte. Der Campus sei eine ideale Fläche zum Ausprobieren der Roller. „Von den Erfahrungen, die hier in Sachen Sicherheit und Fahrpraxis gemacht werden, können wir in Hamburg insgesamt profitieren und so einen wichtigen Beitrag zur Mobilitätswende leisten“, so Fegebank.

E-Scooter in Hamburg: So fährt es sich am Desy

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Redakteurin testet Elektro-Roller

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    E-Roller als Alternative zum Auto

    Der Umweltaspekt war auch für die Verwaltung des Desy entscheidend, sagt Desy-Pressesprecher Zoufal gegenüber dem Abendblatt. „Wir möchten langfristig relativ autofrei auf unserem Campus sein.“ Die E-Roller sieht er als Möglichkeit, Autos vor allem auf kürzeren Strecken zu ersetzen.

    „Hamburg ist eine Stadt, die sich durch moderne Mobilität auszeichnet. Deswegen glaube ich, dass sich E-Scooter hier durchsetzen werden“, sagt Dennis Heinert von hive. Das Unternehmen, ein Tochterunternehmen von BMW und Daimler zu dem auch Marken wie mytaxi und car2go gehören, stellt die E-Roller für die Desy-Mitarbeiter zur Verfügung. „E-Roller machen einen Teil des Mobilitätsmixes der Zukunft aus. Wichtig sind gute Regelungen, so dass für alle Verkehrsteilnehmer Platz ist", ist sich Heinert sicher.

    Laut ADFC vertragen sich die schnelleren E-Roller mit der Geschwindigkeit des Radverkehrs. Langsame Modelle sollten jedoch aus der Zulassung gestrichen werden, da sie den Radverkehr ausbremsen, sagt Dirk Lau. Erwachsene hätten an diesen Modellen sowieso kein Interesse und für Kinder bräuchte man keine Elektromobilität, so der Pressesprecher des Fahrrad-Clubs.

    FDP-Bürgerschaftsfraktion fordert vom Senat ein Konzept

    Die Entscheidung des Bundesrats trafen auch bei dem verkehrspolitischen Sprecher der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Ewald Aukes, auf Unverständnis: „Es wurden Regelungen verabschiedet, die sich als bürokratisch und unpraktikabel erweisen werden." Die Bundesregierung müsse nachbessern. "Zudem muss der rot-grüne Senat in Hamburg endlich ein Konzept erarbeiten, wie der Einsatz von Elektrokleinstfahrzeugen in unserer Stadt funktionieren kann", sagt Aukes. Die Sicherheit von E-Roller- und Radfahrern, die sich künftig die Radwege teilen werden, müsse dabei im Vordergrund stehen. Außerdem sollten laut Haukes notwendige Rahmenbedingungen für Sharing-Anbieter geschaffen werden.

    Einer dieser Sharing-Anbieter ist das Unternehmen hive, das sich auf den Deutschland-Start vorbereitet hat, aber am Donnerstag noch keine Details der Planung verraten wollte. Neben dem Daimler-Ableger will auch der skandinavische Anbieter VOI eine Flotte von E-Miet-Tretrollern in der Hansestadt auf die Straßen schicken. "Unser Ziel ist es, unseren Service zukünftig auch in Hamburg anbieten zu können", sagte Claus Unterkircher, General Manager für Deutschland, Österreich und die Schweiz, dem Abendblatt. "Aktuell führen wir zahlreiche Gespräche mit den zuständigen Stellen." Zur Größe der Flotte will sich Unterkircher noch nicht äußern.

    VOI Technology bezeichnet sich selbst als das "am schnellsten wachsende Unternehmen für "Micro Mobility" und ist derzeit in 18 Städten in neun europäischen Ländern aktiv. In den kommenden Jahren plant die Firma, in 150 Städten mit ihren E-Tretrollern und E-Bikes präsent zu sein. "Deutschland soll mit 30 Städten bis Ende Sommer 2019 der größte Markt für VOI werden", so Unterkircher.

    Vergünstigungen für Lübecker ÖPNV-Kunden

    In Lübeck hat das Unternehmen bereits eine Absichtserklärung mit der Stadt über den Aufbau eines E-Tretroller-Sharing-Services unterzeichnet. Dabei ist vorgesehen, dass ÖPNV-Kunden zu vergünstigten Konditionen die Roller mieten können. Das Konzept soll umgesetzt werden, sobald die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Tretroller geklärt sind.

    Auch die Deutsche Bahn unterstützt die Nutzung von E-Rollern. "Diese sollen ja auch dazu beitragen, dass unsere Fahrgäste leichter zum Bahnhof kommen", sagte Personenverkehrsvorstand Berthold Huber in einer schriftlichen Stellungnahme. Fahrgäste dürften diese ab sofort kostenlos in allen Fernverkehrszügen mitnehmen. Das teilte der Konzern am Freitag der Deutschen Presse-Agentur mit. Die Roller ließen sich zusammengeklappt problemlos unter oder über dem Sitz verstauen. Der Akku müsse fest in den E-Scooter eingebaut sein.

    Ab wann die E-Scooter tatsächlich fahren dürfen, müsse laut Bundesrat die Bundesregierung entscheiden. Sie muss die vom Bundesrat beschlossenen Änderungen umsetzen, dann könne sie die Verordnung umgehend im Bundesgesetzblatt verkünden.