Hamburg. Bald werden E-Scooter auch auf Straßen normal sein. In Bahrenfeld bereitet man sich seit Wochen darauf vor. Der Abendblatt-Test.

Während der Bundesrat am Freitag über die Zulassung von E-Rollern im Straßenverkehr diskutiert, ist die Benutzung der sogenannten „Elektrokleinstfahrzeuge“ in einem abgegrenzten Gebiet in Hamburg bereits seit einem Monat Alltag. Im Hamburger Forschungszentrum Desy in Bahrenfeld stehen den Mitarbeitern seit Mitte April 100 elektrobetriebene Tretroller für die umweltschonende Fortbewegung auf dem 60 Hektar großen Campus zur Verfügung.

„Die Hamburger Wirtschaftsförderungsgesellschaft ist auf uns zugekommen und hat vorgeschlagen, dass wir unser Gelände als Test für E-Scooter nutzen könnten“, sagt Thomas Zoufal, Sprecher des Desy. Die „Desyaner“ seien außerdem sehr technikaffin und offen für Neues, eigneten sich also perfekt für einen solchen Test.

Die E-Scooter stellt das Unternehmen hive zur Verfügung, ein Tochterunternehmen von BMW und Daimler, zu dem auch Marken wie mytaxi und car2go gehören. Da die E-Roller auf öffentlichen Straßen bisher noch nicht zugelassen sind, beschränkt sich die Kooperation zwischen hive und Desy auf ein klar definiertes Gebiet.

Test auf dem Desy-Gelände

Für den Abendblatt-Test haben wir die Elektroroller deshalb auf dem Desy-Gelände ausprobiert. Die Ausleihe funktioniert hier wie in Lissabon oder Paris, wo die Roller bereits eine Zulassung für den öffentlichen Straßenverkehr haben: Per App, die mit einer Kreditkarte verbunden ist. Der einzige Unterschied: Die Roller dürfen in Hamburg nur auf dem Desy-Gelände verwendet werden. Das Prozedere ist einfach: Der Roller ist mit einem QR-Code versehen, der mit der Handykamera über die App eingescannt wird. Anschließend löst sich eine Radsperre, Licht und Display leuchten auf und der Roller ist fahrbereit.

Auf dem Desy-Gelände fahren wenige Autos, die Straßen sind im Eingangsbereich sehr breit und gut ausgebaut, vereinzelt laufen Fußgängergruppen von Gebäude zu Gebäude. Perfekte Bedingungen, um sich das erste Mal auf einen E-Roller zu trauen.

Der Start gelingt intuitiv. Wer als Kind mal auf einem Roller gestanden hat, weiß wie das elektrische Gegenstück funktioniert – auch wenn das schon mehrere Jahrzehnte her sein sollte. Die Geschwindigkeit kann per Gaspedal und Bremse am Lenker beeinflusst werden. Die Desy-Roller sind auf 15 Kilometer pro Stunde gedrosselt, die man beim Fahren schnell erreicht. Sie könnten technisch sogar bis zu 30 Kilometer pro Stunde fahren. „Wir haben uns bewusst dagegen entschieden. E-Scooter sind für alle neu. Wir wollten die Sicherheit gewährleisten“, erklärt Zoufal.

Sicheres Fahrgefühl

Mit 15 Kilometern pro Stunde fühlt man sich auf einem Elektroroller sehr sicher. Auch wenn man ungeübt ist. Nach mehreren Runden auf dem Gelände macht es sogar Spaß, das Gaspedal durchzudrücken und konstant die Höchstgeschwindigkeit zu fahren. Sollte zu den vereinzelten Autos und Fußgängern auf dem Gelände des Forschungszentrums jedoch normaler Straßenverkehr mit Fahrradfahrern, Bussen, Ampeln, Kopfsteinpflaster oder spontan loslaufenden Kinder kommen, wäre es mit dem Sicherheitsgefühl auf einem E-Roller vielleicht schnell wieder vorbei.

Aller Voraussicht nach wird der Bundesrat einer Nutzung von Elektrorollern auf normalen Gehwegen nicht zustimmen. Ich halte das für eine gute Idee. Zwar kann man dank der eingebauten Hinterradbremse als Fahrer gut auf plötzliche Hindernisse oder Schlaglöcher reagieren. Bei schneller Fahrt sind die Räder des Elektrorollers allerdings zu klein, um ohne Zwischenfall darüber hinweg zu fahren. Mit etwas Übung könnte das möglicherweise gelingen.

Bald legal: So funktionieren die E-Scooter

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    „Mit einem Elektro-Scooter zu fahren, macht Spaß und schützt das Klima“, erkannte auch Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne), als sie Desy zum Start der Testphase im April besuchte. Der Campus sei eine ideale Fläche zum Ausprobieren der Roller. „Von den Erfahrungen, die hier in Sachen Sicherheit und Fahrpraxis gemacht werden, können wir in Hamburg insgesamt profitieren und so einen wichtigen Beitrag zur Mobilitätswende leisten.“

    Der Umweltaspekt war auch für Desy entscheidend, sagt Sprecher Zoufal gegenüber dem Abendblatt. „Wir möchten langfristig relativ autofrei auf unserem Campus sein.“ Die E-Roller sieht er als Möglichkeit, Autos vor allem auf kürzeren Strecken zu ersetzen.

    „Ich habe die Firma aus Spaß gegründet“

    Als der Hamburger Florian Walberg vor 16 Jahren anfing, in der HafenCity die ersten Elektro-Roller herzustellen, hielten ihn die meisten Menschen für einen Spinner. Und im Grunde hatten sie ja recht, räumte Walberg freimütig ein – schließlich war das Produkt, das er herstellte, im Grunde unverkäuflich: ein Fahrzeug für den Straßenverkehr, das für den Straßenverkehr allerdings keine Zulassung hatte. Wenn der Bundesrat am Freitag grünes Licht gibt für die Nutzung der kleinen Flitzer im öffentlichen Raum, dann ist das für Florian Walberg „ein Riesenmeilenstein“. Auf den er brutal stolz sei, fügt der 46-Jährige er hinzu, seit Jahren habe er dafür in Brüssel und Berlin gekämpft, in Arbeitsgruppen und Ministerien. Ende Juni werden voraussichtlich vier seiner selbstentwickelten E-Scooter die Zulassung für den Straßenverkehr.

    Auch Oliver Risse von e-Floater hat sich früh dem Thema Elektro-Mobilität gewidmet. In einem alten Schiffscontainer in der HafenCity begann er 2013, einen dreirädrigen Mikro-Scooter mit der dazugehörigen App zu entwickeln. Die Idee: Das glasfaserverstärkte Gestell des e-Floaters soll es dem Nutzer erlauben, durch entsprechende Verlagerungen des Körpergewichts zu ‚floaten‘ – indem der Roller in fließenden, wellenförmigen Linien durch die Straßen gleitet. Inzwischen hat die Firma Niederlassungen in Singapur, Wien, Berlin und Lissabon. Mitarbeit von myd