Hamburg. Vertreter der Ahmadiyya-Gemeinde wollen mit Passanten über ihren Glauben sprechen und Vorurteile abbauen.
Ob Tierschutzorganisation, Rettet den Regenwald oder Arbeiter-Samariter-Bund – bei miesem Wetter hätte es wohl jeder schwer, Passanten für sein Thema zu gewinnen. Das muss auch Iftikar Malik feststellen, der sich an diesem Nachmittag bei Nieselregen vor dem Hamburger Hauptbahnhof in Stellung gebracht hat, um mit Passanten über ein Thema zu sprechen, bei dem es aus seiner Sicht noch jede Menge Klärungsbedarf gibt: den Islam. Um die Passanten zum Stehenbleiben zu bringen, tragen sie heute ein Schild, auf dem steht: „Ich bin ein Muslim. Haben Sie etwas auf dem Herzen?“
Seit einem Jahr etwa gibt es diese Aktion der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft, die im Selbstverständnis liberal, tolerant und weltoffen ist. Die Stadt Hamburg hat der Ahmadiyya Muslim Jamaat - so der vollständige Name der Gemeinschaft – den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts verliehen.
Dass tolerant und weltoffen wohl oft nicht die ersten Adjektive sind, die den Menschen zum Islam einfallen, weiß auch der 28-Jährige Iftikar Malik. „Uns ist klar, dass es viele Vorurteile gegenüber dem Islam gibt“, sagt er. „Deswegen haben wir überlegt, wie wir niedrigschwellig mit den Menschen ins Gespräch kommen können“, so Malik.
Gutes Feedback
In Hamburg habe man dabei in der Regel gutes Feedback bekommen. „Viele Menschen bleiben stehen und sagen, dass sie die Aktion gut finden“, meint er. Anfeindungen, wie es sie bei vergleichbaren Aktionen in ostdeutschen Städten gegeben habe, seien in Hamburg noch nicht vorgekommen. Wohl aber kontroverse Diskussionen.
Auch bei der Dialogaktion vor dem Hamburger Hauptbahnhof. Eine Passantin etwa fragte Malik danach, wie es sein könne, dass Muslime hier die Vorzüge der freien Religionsausübung nutzten, während es diese in einigen muslimischen Staaten, etwa Saudi-Arabien, gar nicht gebe. Ein anderer fragt, wie man die Scharia mit dem Grundgesetz vereinbaren wolle. Malik, selbst Jurist, mag solche Fragen offensichtlich. Er betont, wie sehr er vom Deutschen Grundgesetz überzeugt sei, dass er einen unterdrückenden und gewaltverherrlichenden Islam ablehne und dass er generell für eine rigorose Trennung von Kirche und Staat sei. Ob diese Antworten repräsentativ seien? „Auf jeden Fall repräsentativ für die Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaf“, so Malik weiter.
Gleichstellung von Frau und Mann
Auch die Gleichstellung von Frau und Mann sei immer wieder ein Thema, auf das er angesprochen wird. Malik antwortet dann, dass es nach seinem Verständnis keinen Zwang geben darf, weder den Zwang, ein Kopftuch zu tragen, noch den Zwang, es nicht zu tragen. Dass er mit seinen Antworten nicht alle zufriedenstellen kann, sei ihm klar.
Und darum gehe es auch bei der Aktion nicht. „Es geht darum, in Zeiten von zunehmenden Ressentiments mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Und selbst, wenn es dann Kontroversen gibt, ist das besser, als nicht zu sprechen.“ Das sehen auch die vielen Passanten so. Eine meint sogar: „Im Grunde müssten hier auch die Vertreter aller anderen Religionen stehen.“