Hamburg. Deutschlands berühmtester Astronaut spricht im Abendblatt-Interview über seine Zeit als Doktorand an Alster und Elbe.

Alexander Gerst ist sicherlich der bekannteste Absolvent der Universität Hamburg aus der jüngeren Vergangenheit. Nachdem er hier als Geophysiker promoviert hatte, wurde er Astronaut. Im vergangenen Jahr war Gerst mehr als sechs Monate im All und übernahm für drei Monate als erster Deutscher das Kommando auf der Raumstation ISS. Sein wichtigstes Anliegen ist der Kampf gegen den Klimawandel.

Zum 100. Geburtstag der Universität war Gerst wieder in Hamburg und sprach im Interview über die Stadt, die Universität und Fridays for Future.

Hamburger Abendblatt: Herr Gerst, warum haben Sie sich damals für die Universität Hamburg entschieden? Die Universität hatte ja noch keinen so guten Ruf, wie es heute der Fall ist.

Alexander Gerst: Der Gesamtruf war mir überhaupt nicht wichtig. Außerdem hat die Uni bereits damals exzellente Arbeit geleistet. Ich finde, man sollte dorthin gehen, wo man das Gefühl hat, gut aufgehoben zu sein und das machen kann, was einem Spaß macht. Ich habe mich hier von Anfang an heimisch gefühlt. Als ich die Arbeitsgruppe in der Geophysik kennengelernt habe, wusste ich: Das ist mein Ort, hier will ich hin!

Was verbinden Sie heute mit der Uni Hamburg?

Gerst: In der Raumfahrt gibt es das berühmte Motto, dass wir Dinge nicht tun, weil sie leicht sind, sondern weil sie schwer sind. Jede gute Universität hat an sich das gleiche Motto. Denn sowohl in der Wissenschaft als auch der Raumfahrt überschreitet man jeden Tag Horizonte. Das ist genau der Punkt, für den ich der Universität dankbar bin. Dass sie mich nicht dahin geführt hat, wo mich der Weg hinführt, sondern dabei unterstützt, dorthin zu gehen, wo noch keine Wege sind. Nur so kann man neue Spuren hinterlassen. In meinem Fall war es die Antarktis. Aufgrund meiner Erfahrungen hier bin ich an den Punkt gelangt, dass ich mich erfolgreich bei der Esa (European Space Agency, Europäische Weltraumorganisation, d. Red.) bewerben konnte.

In welchem Kontakt stehen Sie heute mit Ihrem Doktorvater und den ehemaligen Kollegen?

Gerst: Wir pflegen einen sehr freundschaftlichen Kontakt und schicken uns auch regelmäßig Bilder. Ein paar der Geräte, die ich damals gebaut habe, werden im Labor immer noch genutzt. So etwas zu sehen, ist natürlich eine tolle Sache. Wissenschaftlich kann ich den Leuten jedoch nicht mehr auf Augenhöhe begegnen. Da bin ich weit hinten an. Das ist aber eine gute Sache und steht für den Fortschritt, der hier erreicht wird.

Der Vorwurf der Fake News, in Bezug auf den Klimawandel, wird auch der Wissenschaft gemacht. Wie gehen Sie damit um, und wie viel Geduld haben Sie noch mit solchen Menschen?

Gerst: Wir präsentieren Fakten! Es ist immer so, dass es Menschen gibt, die Fakten nicht sehen wollen. Wir als Esa versuchen, mit unseren Weltbeobachtungsaktivitäten aufzuzeichnen, was tatsächlich passiert und präsentieren die Sachlage. Wir zeigen mit unserer Arbeit den Menschen den Blick auf die Erde aus dem Weltraum. Und wir hoffen, mit diesem Perspektivwechsel bei den Menschen ein Verständnis für die Situation zu bewirken.

Nicht weit von hier gehen gerade wieder Schüler auf die Straße – Fridays for Future. Was möchten Sie den jungen Menschen mitgeben?

Gerst: Ich finde, dass es eine wirklich tolle Sache ist, wenn junge Menschen für etwas einstehen. Wenn sie sagen: Das ist uns wichtig, dafür stehen wir ein, dafür tun wir etwas!