Hamburg. Studierende, Wissenschaftler, Mitarbeiter und prominente Alumni feiern bei Festakt den 100. Geburtstag der Hamburger Universität.
Das wohl ungewöhnlichste Geschenk zum 100. Geburtstag machte ein ehemaliger Doktorand der Universität Hamburg. Es war eine rote Flagge der Hochschule mit einer besonderen Geschichte, die der Astronaut Alexander Gerst, Kommandant der internationalen Raumstation ISS, Universitätspräsident Dieter Lenzen bei der offiziellen Jubiläumsveranstaltung übergab. „Sie hat mit mir 3061-mal die Erde umkreist und ist 30 Millionen Kilometer weit geflogen“, sagte Gerst, der die Flagge aus Verbundenheit mit seiner alten Hochschule mit auf seine Mission ins All genommen hatte.
Die Universität Hamburg hat am Freitag das größte Fest ihrer Geschichte gefeiert: Rund 1400 Gäste erlebten im vollbesetzten Audimax am Mittag einen ausgesprochen kurzweiligen Festakt -- auf den Tag genau 100 Jahre, nachdem die Universität in der Laeiszhalle 1919 feierlich eröffnet wurde. Prominentester Gratulant war Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU), der in den frühen 1960er Jahren selbst zwei Semester Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Hamburg studiert hatte, allerdings bekannte: „So genau erinnere ich mich gar nicht daran.“
Sehr genau erinnerte sich dagegen Komiker Otto Waalkes. Er studierte ab 1970 Kunstpädagogik — „und so ganz bin ich immer noch nicht fertig“. Erstmals sei er mit seinem Bühnenprogramm 1972 im Audimax aufgetreten, „es war voll wie heute“. Zum 100. Jubiläum überreichte er Uni-Präsident Lenzen das Bild eines "Unifanten", eine eigens für das Fest abgewandelte Version seines bekannten Ottifanten. „Das ist der erste Ottofant mit Hochschulabschluss“, flachste Waalkes.
Tschentscher lobt Uni Hamburg zum Jubiläum
Daneben gab es nicht nur schwungvolle Musik von der Skyliber Jazz-Bigband der Universitätsmusik, sondern auch viele Glückwünsche (im Film eingespielt von zahlreichen Partneruniversitäten aus aller Welt) und jede Menge Lob: „Die Universität Hamburg ist mit 43.000 Studierenden und 12.800 Beschäftigten heute die größte Stätte der Forschung und Lehre im Norden", sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), der ebenfalls an der Einrichtung studiert hat. Sie sei das „Flaggschiff der Wissenschaftsmetropole Hamburg".
Er dankte Lenzen und anderen für ihren Beitrag zu ihrer exzellenten Entwicklung der Hochschule, die sich nicht nur über vier Exzellenz-Cluster freuen kann, sondern in ihrem Jubiläumsjahr auf den Titel als Exzellenz-Universität hofft.„Wissenschaft ist gut für Hamburg“, sagte Tschentscher. „Sie ist die entscheidende Dimension unserer zukünftigen Entwicklung.“
Bundestagspräsident Schäuble mahnte in seinem Festvortrag, gerade in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung hätten Universitäten heute „eine wichtige, aufklärende Funktion“. Vielen Menschen mache der wissenschaftliche und technologische Fortschritt Angst. Aus Verunsicherung wüchsen anti-aufklärerische Strömungen. „Wir erleben heute in der Gesellschaft Tendenzen, die Freiheit des Arguments einschränken zu wollen – eine moralisierende und rechthaberische Abkehr von Toleranz. Das macht auch vor Universitäten nicht Halt“, warnte Schäuble.
Lenzen: "Wir müssen die Freiheit verteidigen"
Es brauche deshalb eine klare Haltung — auch unter den Studierenden. „Sich nicht allein über die Peergroup, die in der Blase Likes anklickt, zu definieren, sondern sich eine eigene Meinungen zu bilden und für sie zu streiten, ohne dem Gegenüber das Recht auf eine andere Argumentation, auf Widerspruch abzusprechen – das ist unabdingbar in der freiheitlichen Gesellschaft wie in der Wissenschaft.“ Er wünsche der Universität Hamburg, dass Forscher und Lehrenden weiterhin nach Kräften dazu beitrügen, „die grundgesetzlich gesicherten Freiheiten aktiv mitzugestalten und die Freiheit des Geistes zu verteidigen“.
Universitätspräsident Dieter Lenzen berichtete, er sei bereits vor zehn Jahren zum 90-jährigen Bestehen der Uni eingeladen gewesen, die Festrede zu halten — damals war er noch Präsident der Freien Universität in Berlin. Er habe mit großer Neugier auf diese Universität geschaut und versprochen, zum 100. Geburtstag wieder zu kommen, wenn es der Universität gelinge trotz ihres fortgeschrittenen Alters sorgsam, nicht verschwenderisch, mit Zeit umzugehen, mit erfüllter Zeit“.
Das habe sie weiß Gott getan. „Schaut auf diese Universität“, rief er in Abwandlung des Worts von Ernst Reuters Wort über Berlin. "Schaut auf diese Universität, was ihre Bürgerinnen und Bürger alles geleistet haben. Dank ihnen hat sich diese Hochschule zu einer Stätte der kompromisslosen Aufklärung gewandelt. Darauf wird sie sich aber nicht ausruhen." Zu hoffen sei, dass eine grundlegende Revision der Universitätsarchitektur dem Ästhetischen wieder zu der Geltung verhelfen werde, die es beansprucht, wenn es um Bildung geht.
Lenzen: „In einem WiWi-Bunker ist Bildung ausgeschlossen.“ Er wünsche sich, dass „uns die Freiheit erhalten bleibt, die Freiheit der Lehre, der Forschung und der Bildung, die Freiheit, die wir benötigen, um die Freiheit zu verteidigen“.
Astronaut Alexander Gerst jetzt Ehrensenator
Zu Wort kamen bei dem Jubiläumsfest, das von der Journalistin und Alumna Julia Sen moderiert wurde, auch Mitarbeiter und Studenten, die sich einig waren in ihrem Appell an die Politik, der Universität mehr Geld zu geben. „Stellen Sie sicher, dass die Universität auskömmlich finanziert ist“, sagte Prof. Peter Burger, Vorsitzender des Personalrats des wissenschaftlichen Personals, an die Adresse von Tschentscher und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) gerichtet. „Aktuell ist sie es nicht.“
Es könne nicht sein, dass Wissenschaftler hauptsächlich in ihrer Freizeit forschen müssten. Burger: „Mit Moos wäre mehr los!“ Neben Leuchttürmen der Forschung sollten auch Leuchttürme der Lehre geschaffen werden. „Eine Bitte zum 100. Geburtstag: Schaffen Sie 100 neue Stellen — und zwar im wissenschaftlichen Mittelbau und bei den Professuren“, rief Burger.
Ursula Rust, Vorsitzende des Personalrats der technischen und Verwaltungsmitarbeiter, appellierte an das Uni-Präsidium, die Beschäftigten in den Entwicklungsprozess der Hochschule stärker einzubeziehen. Der AStA-Vorsitzende Karim Kuropka betonte die Freiheit der Bildung. „Der Wert von Bildung“, sagte er, „lässt sich nicht in Leistungspunkten abmessen.“
Astronaut Gerst erhielt im Rahmen der Feier seine Urkunde als neuer Ehrensenator. In einem unterhaltsam moderierten Geplänkel zwischen ihm und dem weiteren Ehrensenator Michael Otto bekannte Gerst, dass ihm das Mensaessen lieber sei als die Astronautenkost, während Unternehmer Otto die Otto-Kantine vorzieht. Gerst erzählte die Geschichte seines Löffels, der drei Wochen in der Schwerelosigkeit der ISS verloren war, bevor er wiedergefunden war. Otto versprach, das nächste Mal mit einer prompten Lieferung auszuhelfen.
Theater, Tanz und Slams beim Campusfest
Der Unternehmer betonte, wie wichtig Nachhaltigkeit an der Universität sei — ein Thema, das er selbst mit seiner Stiftung vorantreibe und bereits in den 1980er Jahre für sein Unternehmen entdeckt habe. Alexander Gerat appellierte, „dahin zu gehen, wo noch keine Spuren sind, und neue Wege des Denkens zu beschreiten. „Diese Möglichkeit habe ich bekommen — auch an der Universität — und das hat mich weitergeführt — bis ins All.“
Auch draußen vor der Tür des Audimax wurde gefeiert: Der Von-Melle-Park verwandelte sich in eine Festmeile für alle Universitätsmitglieder. Neben Theateraufführungen, Objekt Slams und Tanzaufführungen gab es beim Campusfest viele Mitmachaktionen. Die Deutsche Post betrieb nur an diesem Tag eine Campusfiliale, an dem sie den Sonderstempel „100 Jahre Universität Hamburg“ vergab. Auf der AStA-Bühne spielten ab 15 Uhr die norwegischen Punk-Pop-Band Sløtface, die Plattdütsch-Rapper „Blowm & Maddin un de Maudefaades“ und die Deutschpopband „Dain Fadinzt“.