Hamburg . Niederlage für Hamburger Bündnis. Gesetzentwurf verstößt gegen Koppelungsverbot und greift in Kompetenzen des Bundes ein.

Von einem „Schlag ins Gesicht der Bevölkerung und der Beschäftigten in den Krankenhäusern“ sprach Kirsten Rautenstrauch nach dem Urteil. Ihre Mitstreiterin Regina Jürgen sagte: „Die Kaltherzigkeit, die aus diesen Begründungen spricht, schockiert mich.“ Tief enttäuscht zeigten sich die beiden Pflegerinnen und Mit-Initiatorinnen des „Hamburger Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus“ nach der Entscheidung des Hamburgischen Verfassungsgerichts am Dienstag, das geforderte „Volksbegehren gegen den Pflegenotstand“ zu verbieten.

Die Initiatoren der Volksinitiative hatten erklärt, sie wollten das Hamburger Krankenhausgesetz ändern, um durch mehr Jobs die Pflege und Hygiene in Kliniken zu verbessern. Gerichtspräsident Friedrich-Joachim Mehmel betonte, es sei nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts, die „inhaltliche Berechtigung“ dieses Anliegens zu beurteilen, sondern es gehe um den rechtlichen Rahmen. Mit Blick darauf waren schon bei der mündlichen Verhandlung im April drei Knackpunkte deutlich geworden.

Volksbegehren "nicht mit höherrangigem Recht vereinbar"

Die Volksinitiative hatte im März 2018 die nötige Zahl an Unterstützern zusammenbekommen. Eine erste Vorlage wurde von der Bürgerschaft allerdings nicht als Gesetz verabschiedet. Deshalb beantragten die Initiatoren im Oktober 2018 die Durchführung des Volksbegehrens mit einem überarbeiteten Gesetzentwurf, den sie im Dezember nochmals änderten. Das Hamburgische Volksabstimmungsgesetz erlaube jedoch nur eine einmalige Überarbeitung, stellte das Verfassungsgericht nun fest. Das Volksbegehren könne allerdings auch mit dem im Oktober vorgelegten Entwurf nicht durchgeführt werden, da dieser nicht mit höherrangigem Recht vereinbar sei.

Reaktionen auf die Entscheidung des Hamburgischen Verfassungsgerichts

Die Regelungen, die der Bund zuletzt zur Bemessung des Pflegepersonals getroffen habe, seien „erschöpfend“, sagte Mehmel. „Die Länder sind nicht berechtigt, eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz dort in Anspruch zu nehmen, wo sie eine – abschließende – Bundesgesetzgebung für unzulänglich und deshalb reformbedürftig halten.“

Gesetzentwurf verstößt gegen Koppelungsverbot

Darüber hinaus verstoße der Gesetzentwurf gegen das sogenannte Koppelungsverbot, sagte Mehmel. Die beiden Hauptpunkte des Entwurfs – Pflegekräfte einerseits und Reinigung andererseits – wiesen „nicht den gebotenen sachlich-inhaltlichen Zusammenhang“ auf. Weder stehe und falle eine Regelung zu Untergrenzen beim Pflegepersonal mit flankierenden Regelungen über Hygienepersonal und -standards, noch seinen Vorgaben für das Hygienepersonal nur zusammen mit Regelungen zum Pflegepersonal sinnvoll möglich. Die Anwältin der Initiative, Adelheid Rupp, hatte dagegen argumentiert, die Situation beim Pflegepersonal hänge eng mit der Reinigung zusammen. Mangele es an Reinigungspersonal, müssten Pfleger einspringen und auch mal das Klo putzen.

Die Mitwirkung an einem Volksbegehren setze voraus, dass der Bürger bei Einzelakten „seinen Willen deutlich, unverkürzt und unverfälscht zum Ausdruck bringen“ könne, sagte Gerichtspräsident Mehmel. „Da das Volk auf die Abstimmung mit „Ja“ oder „Nein“ beschränkt ist, ist es geboten, sachlich und inhaltlich nicht unmittelbar zusammenhängende Materien getrennt zur Abstimmung zu stellen, um eine möglichst differenzierte Willensbildung zu ermöglichen.“ Im Übrigen solle das Kopplungsverbot verhindern, dass Vorlagen die nötige Mehrheit nur in Verbindung mit einem „zugkräftigen Einzelbegehren“ erreichen, sagte Mehmel. Er verwies darauf, dass im Titel der Volksinitiative ein „Pflegenotstand“ angesprochen werde, nicht aber ein „Hygienenotstand“.

Das Gericht hatte auf Antrag des Senats geprüft, ob das Volksbegehren durchzuführen ist. Staatsrat Jan Pörksen sagte nach dem Urteil, die Unterstützer einer Volksinitiative könnten sich künftig „darauf verlassen, dass die von Ihnen unterschriebene Volksinitiative nicht im Nachhinein mehrfach abgeändert wird“.

"Sofortprogramm Pflege" muss in Hamburg nun „zügig“ umgesetzt werden

Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) rief die Kliniken auf, „die neuen guten Finanzierungsmöglichkeiten zu nutzen und mehr Pflegepersonal auszubilden, einzustellen und wiederzugewinnen.“ Die Initiative zeige, „wie wichtig den Menschen in Hamburg das Thema Pflege im Krankenhaus“ sei, hieß es von der Grünen-Fraktion, die erklärte, sie werde „nicht nachlassen, für mehr und bessere Pflege am Krankenbett, aber auch für die dauerhaft Pflegebedürftigen zu streiten“.

CDU-Bürgerschaftsfraktionschef André Trepoll begrüßte die Entscheidung des Gerichts. „Denn durch dieses Grundsatzurteil wird die parlamentarische Demokratie gestärkt und der Volksgesetzgebung werden klare Grenzen aufgezeigt.“ Das ‚Sofortprogramm Pflege‘ von CDU-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn müsse in Hamburg nun „zügig“ umgesetzt werden.“ Jennyfer Dutschke von der FDP-Fraktion erklärte, der Richterspruch schaffe Rechtssicherheit und Klarheit. „Das Problem des Pflegenotstands lässt sich nicht einfach wegklagen“, sagte Deniz Celik von der Linksfraktion. Der Senat müsse mit „allen Hamburger Krankenhäusern eine bedarfsgerechte Personalausstattung auf vertraglicher Ebene“ anstreben. Kirsten Rautenstrauch von der Volksinitiative kündigte an: „Wir werden nicht aufgeben und den Senat weiter in die Verantwortung nehmen.“