Hamburg. Verdächtiges Pärchen wurde nach Schüssen auf Hells-Angels-Boss abgehört. Verteidiger wollten die Verwendung im Prozess verhindern.
Heimlich belauschte die Polizei Arasch R. und seine Freundin Lisa S. im Besucherraum der JVA Billwerder. Die Ermittler hatten zuvor den Tisch, an dem das Paar saß, mit Mikrofonen verwanzt. Was genau Arasch R. und Lisa S. an jenem 3. September 2018 besprachen, ist zwar noch nicht im Detail bekannt. Nach allem, was man weiß, soll das Abhörpotokoll die beiden Angeklagten im Prozess um den Mordversuch an Hells-Angels-Boss Dariusch F. schwer belasten. Es gilt als das zentrale Beweismittel in dem Verfahren.
Am Freitag hat das Gericht per Beschluss seine vorherige Anordnung bestätigt, wonach „das raumüberwachte Gespräch im Wege der Selbstlesung in die Hauptverhandlung einzuführen“ sei. Damit scheiterte der Versuch der Verteidigung, das Protokoll aus dem Prozess herauszuhalten.
Die Angeklagten seien getäuscht worden
Wenige Tage zuvor hatten sie energisch einer Verwertung der Abschrift widersprochen und ein Beweiserhebungs- und Verwertungsverbot beantragt. Zum einen handele es sich bei dem Besucherraum im Gefängnis um den „Wohnbereich“ des dort inhaftierten Angeklagten Arasch R., und dieser Bereich sei durch das Grundgesetz (Artikel 13) nun mal besonders geschützt, so die Anwälte.
Außerdem sei das damalige Vorgehen der Ermittlungsbehörden nicht mit den Grundsätzen eines rechtsstaatlich fairen Verfahrens zu vereinbaren. So seien die beiden jetzt Angeklagten regelrecht ausgetrickst und getäuscht worden, indem ihnen vorgespielt worden sei, sie würden wie üblich lediglich optisch durch Kameras, aber eben nicht akustisch überwacht. Sie hätten keine Chance gehabt, diese kriminalistische List zu durchschauen.
Richter widerspricht dem Vorwurf der Täuschung
Zu beiden Punkten nahm der Vorsitzende Richter Matthias Steinmann am Freitag Stellung. Weder entfalte der Besuchsraum einer Justizvollzugsanstalt die Privat- und Intimsphäre einer Wohnung. Dies sei seit Jahren gefestigte Auffassung in Rechtsprechung und Literatur. Noch sei am 3. September der Grundsatz eines fairen Verfahrens verletzt worden.
„In keiner Weise“ sei an jenem Tag manipulativ oder täuschend auf die beiden Angeklagten eingewirkt worden. Auch sei die „Heimlichkeit der Maßnahme“ nicht zu beanstanden. Es handele sich um keine Täuschung – die „Heimlichkeit“ liege nun einmal in der Natur einer verdeckten Ermittlungsmaßnahme.
Das letzte Wort ist in der Sache aber womöglich noch nicht gesprochen. Siegfried Schäfer, der Verteidiger von Lisa S., behielt sich eine „Gegenvorstellung“ gegen den Beschluss am kommenden Montag vor. Bis dahin erhalten die Schöffen das Abhörprotokoll nicht zur Durchsicht.
Hells-Angels-Boss sitzt seit Anschlag im Rollstuhl
Seit Ende Februar stehen Arasch R., einst Mitglied der Führungsebene der mit den Hells Angels verfeindeten Rockergang Mongols, und Lisa S. wegen des Mordversuchs an Dariusch F. – mutmaßlich ein Racheakt – vor dem Landgericht. Am 26. August 2018 hatte ein Schütze aus einem Mercedes Coupé am Millerntorplatz mindestens fünf Schüsse auf den in seinem Bentley sitzenden Hells Angel abgegeben.
Lisa S. soll von Arasch R. mit dem Anschlag beauftragt worden sein und den Wagen gefahren haben, so die Anklage. Von ihrem Komplizen fehlt bisher jede Spur. Der Rocker-Boss brach blutüberströmt am Steuer zusammen und ist seither an den Rollstuhl gefesselt.
Um ihren damals bereits in Billwerder inhaftierten Freund über den aktuellen Stand der Mordtat zu informieren, schickte Lisa S. verschlüsselte Handy-Kurznachrichten an eine öffentlich einsehbare RTL-Videotext-Seite, berichteten ermittelnde Beamte im Prozess. Die junge Frau war mit dem Mercedes kurz nach der Tat durch halb Deutschland geflüchtet, bevor sie Anfang September wieder nach Hamburg zurückkehrte. Über eine in dem Auto verbaute SIM-Karte gelang es den Ermittlern jedoch, ihren aktuellen Standort fortlaufend zu orten.
Ein Urteil in dem Prozess wird nicht vor dem 28. Mai erwartet.