Hamburg. Streit in Bürgerschaft offenbart Uneinigkeit innerhalb von Parteien und Koalitionen. CDU für Hamburger Sonderlösung.
Die Errungenschaften der Vergangenheit und die Herausforderungen der Zukunft liegen in der Hamburgischen Bürgerschaft manchmal dicht beieinander – mitunter sogar so dicht, dass sie sich ins Gehege kommen. So wollte die SPD-Fraktion am Mittwoch unbedingt noch einmal in der Aktuellen Stunde über die Einführung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren diskutieren, was wegen der begrenzten Zeit aber der CDU-Anmeldung zuwiderlief, über die höchst aktuelle und brisante Reform der Grundsteuer zu sprechen.
Sie frage sich, ob der SPD wohl keine aktuelleren Themen eingefallen sind, über die man kurz vor den Bezirks- und Europawahlen im Mai hätte sprechen können, stichelte die CDU-Abgeordnete Franziska Rath – und erntete vehementen Widerspruch. „Wenn ich mir einige Ausführungen so anhöre, könnten wir in jeder Aktuellen Stunde über Gleichberechtigung sprechen“, sagte die für das Thema zuständige Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne).
Fronten verlaufen quer durch Parteien
Mehr als zehn weibliche SPD-Abgeordnete waren sogar in historischen Gewändern und mit Plakaten aus der Weimarer Republik vor dem Rathaus erschienen, um auf die Bedeutung des 1919 erlangten Frauenwahlrechts hinzuweisen. „Wir haben Grund zum Feiern – aber auch zum Heulen“, sagte Gabi Dobusch (SPD). Zwar sei schon viel erreicht worden, aber von der Berufswahl über Entlohnung und Vertretung in Führungspositionen bis zur Rente gebe es noch lange keine Gleichberechtigung. Besonders die Unterschiede bei der Bezahlung finde sie „skandalös“.
Nicht ganz so emotional, aber ebenfalls kontrovers ging es in der verbliebenen Zeit beim Thema Grundsteuer-Reform zu. Hier zeigte sich vor allem, dass auch nach dem am Dienstag vorgelegten Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) die inhaltlichen Fronten quer durch Parteien und Koalitionen verlaufen. So vertritt die Hamburger CDU zum Teil eine andere Meinung als andere Landesverbände, die Hamburger SPD hält nicht viel vom dem, was ihre Bundesjustizministerin und SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, fordert, und die Grünen in der Bürgerschaft haben punktuell andere Standpunkte als ihr Koalitionspartner SPD.
Appel von Dressel
Thilo Kleibauer (CDU) wies zunächst genüsslich darauf hin, dass Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) ja ursprünglich für ein einfaches und wertunabhängiges Flächenmodell geworben hätten, sich nun aber mit dem auch auf Bodenwerten und Miethöhen basierenden Scholz-Vorschlag arrangieren würden: „Da stellt sich schon die Frage, wem die Loyalität gehört: der Stadt oder dem früheren Bürgermeister?“, so Kleibauer.
Dressel räumte ein, dass Hamburg und Bayern sich mit dem Flächenmodell (für das auch die FDP wirbt) nicht durchsetzen konnten – was aber nicht zuletzt am Widerstand CDU-geführter Länder gelegen habe. Seine oberste Prämisse – die die Unterstützung aller Fraktionen fand – sei nach wie vor, das Wohnen in Hamburg nicht weiter zu verteuern. In dem Zusammenhang appellierte er an Kleibauer, „die Scheinheiligkeit beiseitezulassen“: Hamburg habe viele Vorschläge gemacht, wie die schlimmsten Auswirkungen der Grundsteuerreform auf Mieter und Wohnungseigentümer abgemildert werden könnten, so Dressel. „Und wer hat es verhindert? Die unionsgeführten Bundesländer.“
Öffnungsklausel als letzte Option
Eines davon war Schleswig-Holstein. Dessen Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) lehnt auch Sonderlösungen für einzelne Länder vehement ab, weil ein „buntes Durcheinander unterschiedlicher Grundsteuermodelle zu maximaler Bürokratie“ führe – während sein Hamburger Parteifreund Kleibauer genau diese „Öffnungsklausel“ fordert. Nur über den Grundsteuer-Hebesatz, den jetzt schon jede Kommune für sich festlegt, könnten die in Hamburg enorm gestiegenen Boden- und Immobilienpreise kaum kompensiert werden, sagte Kleibauer. Daher brauche es eine stärkere Eigenständigkeit der Länder: „So können unterschiedliche regionale Interessen berücksichtigt werden.“
Dressel plädierte hingegen für ein einheitliches Modell. Auch SPD-Haushaltsexperte Jan Quast bezeichnete die Öffnungsklausel nur als letzte Option. Er befürchtete einen Steuerwettbewerb unter den Ländern und Nachteile für Hamburg im Länderfinanzausgleich.
Umstrittene Forderung der Bundes-SPD
Umstritten ist auch die Forderung der Bundes-SPD um Justizministerin Barley, die Umlage der Grundsteuer auf die Mieten abzuschaffen. Während Norbert Hackbusch (Linke) das vehement unterstützte und auch Farid Müller (Grüne) Sympathie für diese Idee erkennen ließ, zeigten sich die Hamburger Genossen skeptisch.
So betonte Martina Koeppen (SPD), wie gut man in Hamburg mit der Wohnungswirtschaft im „Bündnis für das Wohnen“ zusammenarbeite. Würde man einer Genossenschaft, die jetzt schon 5000 günstige Wohnungen anbiete, die Umlage der Grundsteuer streichen, würde dieser eine Million Euro fehlen, die sie nicht mehr investieren könne. Und renditeorientierte Vermieter würden die Grundsteuer sicher „durch die Hintertür“ auf die Miete draufschlagen.
Die Reform der Grundsteuer wurde vom Bundesverfassungsgericht angeordnet und muss bis Ende 2019 beschlossen sein. Ein paar Gelegenheiten, das Thema in der Bürgerschaft zu diskutieren, bleiben also noch.