Hamburg. Der Verleger und Abendblatt-Leser Stefan Kruecken schreibt im Abendblatt über seine absurden Erfahrungen mit dem US-Konzern.

Das soziale Netzwerk war für mich nicht immer asozial. Ich mochte Facebook sogar mal richtig gerne. Ich traf alte Freunde wieder, von denen ich lange nichts gehört hatte, und die weit entfernt wohnen. Ich hatte das Gefühl, an ihrem Leben in Chicago oder auf Island zumindest ein wenig teilhaben zu können. Von anderen Bekannten bekam ich neben dem Mittagsgericht Tipps für einen Kinofilm oder das neue Album einer Band, die ich noch nie gehört hatte.

Auch für unseren kleinen Verlag macht Facebook Sinn. Wir erhalten direkte Rückmeldungen von Lesern: Wie gefällt das Buch, kommt das Cover gut an, was sagen Sie zum Design des neuen Pullovers? Facebook wurde für uns ein wichtiger Kommunikationsweg. Mehr als 320.000 „Freunde“ folgen uns auf den Kanälen, und wir erreichen Woche für Woche mehr als eine Million Menschen. Dass nicht nur freundliche Feingeister darunter sind, war klar, und dass der Ton in den sozialen Netzwerken immer rauer wird, ist auch nichts Neues. Was aber geschah, als das Buch unseres Autoren Kapitän Schwandt ein großer Erfolg wurde, überraschte in seiner Härte dann doch.

Alleine gelassen vom sozialen Netzwerk

Der alte Seemann und wir positionierten uns klar gegen Rechtsex­treme. Es gab Menschen, die mir per Facebook den Tod wünschen. Die Freude artikulierten, falls meine Frau die Erfahrungen einer Silvester-Nacht in Köln machen dürfte. Einer fand sogar, dass meine Kinder durch ihren Vater einen „Gen-Fehler“ hätten, den man nicht aus ihnen herausprügeln könnte. Mancher schrieb aber mit seinem echten Namen. In manchen Fällen machte ich mir einen Spaß daraus, die Person anzurufen und mich zu erkundigen, wie genau das denn gemeint war mit der Prügeldrohung. Ein Autohändler aus dem Saarland kam ziemlich ins Stottern. Es brachte mir nichts, doch ein wenig Genugtuung, die Anonymität aus der Angelegenheit gelöscht zu haben.

Was macht Facebook mit uns? Der Drang, Dinge schnell hinzuschreiben und dem anderen das eigene Befinden und die eigene Wut und den Hass vor die Füße zu spucken, den gab es so noch nicht. Was mich immer mehr ärgerte, war das Gefühl, von diesem „sozialen Netzwerk“ alleine gelassen zu werden. Wir achten auf unseren Seiten auf Umgangsformen. Pöbler werden gelöscht, wer andere beleidigt, segelt ohne Vorwarnung raus. Manche bezeichnen unsere Seiten als „Oasen“ bei Facebook. Doch das Netzwerk half uns nie, selbst im Falle der übelsten Beleidigungen und Beschimpfungen nicht.

Es hagelte Beschimpfungen

Wir meldeten Trolle wieder und wieder, doch immer nur folgte der lapidare Hinweis, der gemeldete Beitrag „verstoße nicht gegen Gemeinschaftsstandards“. Facebook sperrte den Hass nicht aus. Den schlimmsten „Shitstorm“, wie das heißt, gab es während der G-20-Ausschreitungen in Hamburg, diesmal von Linksex­tremen. Ich erinnerte in einem Kommentar daran, dass in den Uniformen der Polizisten Väter, Mütter und vor allem Menschen steckten und fragte mich, was bitte der angezündete Twingo der Kindergärtnerin mit den Ungerechtigkeiten der Welt zu tun habe?

Es hagelte Beschimpfungen – sogar Boykott-Aufrufe linker Buchhandlungen gegen Ankerherz, eine Ver.di-Pressesprecherin wurde ausfällig und ich stand nun im Verdacht, ein neoliberales Arschloch zu sein. Wer bedroht und belästigt wird, den lässt nicht nur Facebook alleine. Weil es eine Gesetzeslücke gibt, fühlt sich auch der Rechtsstaat nicht zuständig. Ich ärgerte mich, als ich las, dass Facebook in Europa 4,6 Milliarden Euro umsetzte, wovon ein beträchtlicher Teil auf Deutschland fällt, doch hierzulande nur 450.000 Euro Steuern zahlte. Ich fluchte, wenn von Wahlmanipulationen die Rede war, von Putins Trollen und den Bots der AfD. Ich fragte mich, warum ich nicht von Facebook loskam, das so wenig von jenen Gemeinschaftsstandards hält, die wichtig sind für das Funktionieren einer Gesellschaft.

Wir machten einfach weiter

Wir blieben also und machten einfach weiter. Und nun gibt es eine Pointe: Ich habe mir so oft gewünscht, dass Facebook die Hasser sperrt. Und nun bin ich von Facebook gesperrt worden. Grund war ein Aprilscherz. Unser Webradiosender Radio Ankerherz streamt von Helgoland. Wir verbreiteten also, dass vor der Insel bei Arbeiten in einem Windpark ein riesiges Ölfeld gefunden worden sei. Dass mit vielen Milliarden Euro zu rechnen sei, weshalb man schon daran arbeite, das Weltnaturerbe zu verlassen und die Windmühlen abzureißen. Ein paar Leute haben wir veräppelt, viele haben mit uns gelacht – und einige regten sich, wie immer, furchtbar auf. Einer fluchte sinngemäß über den „bösen Kapitalismus“ oder einen ähnlichen Quark, ich weiß es nicht genau, denn ich kann nicht mehr nachsehen.

Ich erwiderte ironisch: Genau, diese „Schweine“. Das reichte für eine Sperre. Als versifften Gutmenschen, Zecke, reaktionären Bastard, konservatives Aloch (und an dieser Stelle benutzen Sie einfach ihre Fantasie) durfte ich mich monatelang beleidigen lassen, ohne dass etwas geschah. Ein Aprilscherz und drei Worte, an niemanden adressiert, reichten dann aber aus. Nun könnte man anmerken, dass sich immerhin etwas bei Facebook bewegt. Doch es gab nicht mal die Gelegenheit, Einspruch zu erheben.

Eine Telefonnummer gibt es auch nicht, Facebook hat keine Telefonnummer. Wer Milliarden Euro umsetzt, braucht natürlich keinen lästigen Kundenservice. Ich schrieb eine Mail an die Pressestelle. Tage später kam eine Antwort. Man habe den Vorgang geprüft. Die Sperre sei „versehentlich“ erfolgt und aufgehoben. Das Wort „bedauern“, oder die Vokabel „Entschuldigung“ findet man nicht in dieser Mail, dafür aber einen Hinweis, der mir bekannt vorkommt: die Gemeinschaftsstandards, wie immer.