Hamburg. Angebliche Zeitungsverkäufer bedrängen Fahrgäste im Hauptbahnhof massiv. Auch in der City haben die Probleme zugenommen.

Morgens auf dem Weg zur Arbeit: Noch schnell einen Kaffee und ein Brötchen kaufen, bevor es losgeht. Die Schlange beim Bäcker am Südsteg ist lang. Dann drängt sich ein in Lumpen gekleideter Mann zwischen die Menschen. Immer wieder fragt er nach Geld und kommt den Kunden in der Schlange dabei sehr nahe. Sie sind irritiert. Eine Frau in der Schlange greift in ihr Portemonnaie und gibt ihm ein paar Münzen. Der Mann aber bleibt. Die Bitte von den Verkäuferinnen, zu gehen, wird ignoriert.

Dann ertönt eine Lautsprecherdurchsage: „Bitte beachten Sie! Im Bahnhof sind zurzeit aggressive, organisierte Bettelgruppen als Zeitungsverkäufer unterwegs. Wir empfehlen Ihnen, besonders aufmerksam zu sein.“ Diese Mitteilung ist seit einigen Tagen im Hamburger Hauptbahnhof zu hören. Laut Deutscher Bahn (DB) eine Reaktion darauf, dass sich zunehmend Kunden über aggressiv auftretende Bettler beschwerten.

Kundenhinweise der Deutschen Bahn per Lautsprecher

„Aus diesem Grund haben wir zurzeit verstärkt Kundenhinweise per Lautsprecher“, sagt eine Sprecherin. Auch mit zivilen Streifen der DB Sicherheit werde gegen die Bettler vorgegangen. In vielen Fällen würden angebliche „Hinz & Kunzt“-Verkäufer die Reisenden belästigen. „Wir bedauern, dass hier offensichtlich Missbrauch mit einer Obdachlosenzeitung getrieben wird“ sagt die Bahn-Sprecherin. Dafür habe man kein Verständnis.

Auch bei dem Straßenmagazin ist das Problem bekannt. „Wir bekommen täglich Beschwerden von Menschen, die Geld für eine Ausgabe gezahlt haben, diese dann aber nicht erhalten“, sagt Sprecher Stephan Karrenbauer. Am Hauptbahnhof gebe es eine Gruppe von Menschen, die sich eine Ausgabe besorgen und dann das positive Image des Straßenmagazins ausnutzten, um zu betteln. „Bahn, Polizei und wir bekommen das Problem nicht in den Griff“, sagt Karrenbauer. Sozialarbeiter von „Hinz & Kunzt“ hätten bereits mehrfach versucht, zu der Gruppe Kontakt aufzunehmen, und deutlich gemacht, dass so ein Verhalten nicht in Ordnung sei. Das sei aber sehr schwierig, auch weil die Personen kaum Deutsch sprechen würden.

Immer mehr Osteuropäer unter den Bettlern

Seit 2014 die Grenzen zu Rumänien und Bulgarien geöffnet wurden, kämen immer mehr Osteuropäer auf der Suche nach Arbeit nach Hamburg. „Oft landen diese Menschen dann auf der Straße, weil sie keine Wohnung oder Arbeit bekommen“, sagt Karrenbauer. Aufgrund der großen Nachfrage habe „Hinz & Kunzt“ die Berechtigungen, Magazine zu verkaufen, für Osteuropäer auf 150 begrenzt. In Hamburg und der Umgebung dürfen insgesamt 500 Obdachlose das Straßenmagazin verkaufen.

Das sei in Bahnhöfen, an Haltestellen und in Zügen vom Unternehmen allerdings ausdrücklich verboten. „Die Menschen haben dort keine Möglichkeit, auszuweichen“, sagt Karrenbauer. Auch die Hausordnung der DB verbietet Betteln in Bahnhöfen. Das wird aber offensichtlich ignoriert. „Sie sind lästig und lassen nicht ab“, so die Betreiberin des Bäckers Yorma’s im Hauptbahnhof. Bettler, die bei den Kunden penetrant nach Geld fragen und auch bei der Aufforderung, zu gehen, nicht ablassen, seien keine Seltenheit. Auch seien einige schon handgreiflich geworden. So soll Anja G. an der Schulter gepackt worden sein, als sie die Zeitschrift ablehnte.

Im Frühling beginnt die Hochsaison der Bettler

Auch in der bahnhofsnahen Innenstadt sind aggressiv auftretende Bettler ein zunehmendes Problem. „Gewerbsmäßig organisiertes Betteln hat in den vergangenen Jahren zugenommen“, sagt City-Managerin Brigitte Engler. Grundsätzlich würde keiner hilfsbedürftigen Menschen das Betteln verbieten wollen. „Das gehört zum Innenstadtleben einfach dazu“, sagt Engler. Schwierig werde es aber, wenn Menschen bedrängt werden.

Beschwerden über solche Vorfälle würden oft bei der City-Managerin landen. Sie gebe diese dann weiter an die Polizei, die schnell reagiere. „Ab diesem Sommer werden auch deutlich mehr Polizisten in der Innenstadt auf Streife sein“, sagt Engler. Innensenator Andy Grote (SPD) habe versprochen, die zuständige Polizeiwache aufzustocken, um mehr Präsenz zu zeigen.

Polizei kann Bettlern Platzverweise erteilen

Auch im Bezirksamt Mitte sind Probleme mit Bettlern bekannt. Mal mehr, mal weniger. „Im Frühling fängt die Hochsaison der Bettler wieder an“, sagt Sprecherin Sorina Weiland. Sobald es wärmer werde, kämen wieder mehr bettelende Menschen in die Innenstadt. Seit einigen Jahren hätte sich da viel gewandelt. Während früher noch eher Punks ein paar Münzen wollten, seien es nun vermehrt Osteuropäer, die Passanten um Geld bitten. Teilweise seien diese sehr kreativ und würden Sandskulpturen bauen oder musizieren.

Das gelte aber nicht für alle. Manche seien sehr aufdringlich. „Das kann von Passanten als lästig empfunden werden“, sagt Weiland. Aggressive Bettler wie die, vor denen die Bahn warnt, seien ihr aber bisher nicht bekannt. Auch sei es nicht verboten zu betteln. Sollte jemand handgreiflich oder aggressiv werden, solle die Polizei eingeschaltet werden. Die könne auch Platzverweise erteilen.