Hamburg. SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf will gegen Verfall und Brachflächen vorgehen. Abhilfe schaffen soll eine Reform des Baurechts.

Von einer Villa an Leinpfadkanal oder Außenalster können die meisten nur träumen. Umso unverständlicher ist es, dass an der Alster gleich mehrere Häuser seit Jahren leer stehen. Wie berichtet, dürfte in dem ein oder anderen Fall Spekulation eine Rolle spielen: Hier hoffen die Eigentümer darauf, so viel Geld wie möglich aus ihren Immobilien herauszuholen: indem sie Einfamilienvillen in Mehrfamilienhäuser umwandeln oder abreißen, um einen lukrativen Neubau errichten zu können. Tatsächlich gehören die Straßen rund um die Außenalster zu den teuersten Wohnlagen in Hamburg. Neubauten kosten dort nach Angaben des Maklerbüros Dahler & Company zwischen 11.000 und 15.000 Euro pro Quadratmeter, können aber auch Spitzenpreise von bis zu 20.000 Euro erzielen.

Doch warum lassen Immobilienbesitzer ein Haus lieber leer stehen als es zu vermieten? „Das kann mehrere Gründe haben“, erklärt Klaus-Peter Hesse, früherer Abgeordneter der CDU-Bürgerschaftsfraktion, jetzt Sprecher der Geschäftsführung des Zentralen Immobilien Ausschusses. „Entweder möchten sie nicht vermieten, weil Mieter rechtlich sehr gut geschützt sind und das einen Verkauf schwierig machen kann – weshalb Eigentümer für freie Immobilie mehr Geld bekommen.“ Oder sie versprächen sich irgendwann eine Änderung des Baurechts. „Dann können sie anstelle einer Villa ein Mehrfamilienhaus bauen.“ Natürlich könnten auch Erbstreitigkeiten ein Grund für Leerstand sein. „Oder die Eigentümer haben so viel Geld, dass sie kein finanzielles Interesse an einem Verkauf haben.“

Eigentumsgarantie kein Renditeschutz

Doch Leerstand muss nicht nur Kosten verursachen, er lässt sich auch steuerlich absetzen. „Eine Suche im Internet fördert dafür etliche Tipps hervor“, sagt Heike Sudmann, Stadtentwicklungsexpertin der Bürgerschaftsfraktion Die Linke. „Darüber hinaus bringt ein Neubau mit teuren Luxuswohnungen an der Alster so viel Geld, dass sich auch jahrelanger Leerstand lohnt.“ Das Wohnraumschutzgesetz, das von Verwarnung über ein Zwangsgeld bis zur Zwangsvermietung führen kann, müsse viel intensiver umgesetzt werden, fordert sie. „Die Eigentümer und Eigentümerinnen und auch die Stadt müssen begreifen, dass die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes kein Renditeschutz ist.“

In der Tat bedeutet es einen beträchtlichen Eingriff in das Eigentumsrecht, wenn die Stadt – wie 2016 im Falle eines Mehrfamilienhauses in Hamburg-Mitte – bei Leerstand zwangsvermietet. Deshalb hat Hamburg-Nord bislang nur in einem Fall, an der Andreasstraße, ein Zwangsgeld wegen Leerstand verhängt. Öfter setzt er auf Gespräche mit den Eigentümern – was im Fall der Villa am Leinpfad 21 (siehe großes Foto) dazu führte, dass die historische Fassade erhalten bleibt und dahinter ein Neubau entsteht.

Keine Handhabe bei erteilter Baugenehmigung

Im Fall einer Brachfläche zwischen den schmucken Mehrfamilienhäusern mit den Nummer 10 und 12 sind ihm dagegen die Hände gebunden. Vor mittlerweile vier Jahren wurde das Gebäude, das hier stand, abgerissen; mehrere Bäume auf dem hinteren Teil des Grundstücks fielen gleich mit. Ein Fünf-Familien-Haus mit Tiefgarage sollte stattdessen entstehen. Der Bezirk gab grünes Licht für den Bauantrag. Doch geschehen ist bislang nichts – obwohl das Grundstück durch die erteilte Baugenehmigung deutlich im Wert gestiegen sein dürfte. Die Architekten, die den Neubau entworfen haben, wollten sich zu einem möglichen Baubeginn nicht äußern.

Bernd Kroll von der CDU Hamburg-Nord hat das Thema Leerstand an der Alster seit Jahren auf dem Schirm
Bernd Kroll von der CDU Hamburg-Nord hat das Thema Leerstand an der Alster seit Jahren auf dem Schirm © Andreas Laible

Doch mit Erhaltungsverordnung und Wohnraumschutzgesetz kommt der Bezirk nicht weiter, wenn wie in diesem Fall bereits eine Baugenehmigung erteilt wurde. „Der Eigentümer kann in Ruhe darauf warten, dass der Grundstückspreis noch weiter steigt – und zwischendurch ein paar Änderungen beantragen, damit die Baugenehmigung nicht nach drei Jahren verfällt“, sagt Bernd Kroll von der CDU Hamburg-Nord, der das Thema Leerstand und Spekulation in Winterhude seit Jahren auf dem Schirm hat.

Reform des Baurechts soll Abhilfe schaffen

Tatsächlich sind der Stadt unbebaute Grundstücke ein Dorn im Auge. Abhilfe schaffen soll hier die Reform des Baurechts, die gerade durch die umstrittene Grundsteuer von sich reden macht. „Durch die Reform können wir Grundstückseigentümer, die nicht bauen, stärker besteuern“, sagt Dirk Kienscherf, Stadtentwicklungsexperte und Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Obwohl er dabei eher Grundstücke, die sich für den Bau von bezahlbaren Wohnung eignen, im Auge hat, missfallen ihm auch Brachflächen und Leerstände in Villengegenden. „Das kann nicht akzeptiert werden. Auch wenn es sich hier um schwierige Einzelfälle handeln mag, muss man den Eigentümern das Leben schwer machen – etwa durch Zwangsgelder.“

„Aktiver Wohnraumschutz bleibt ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Wohnraumspekulation. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass eine Zwangsvermietung von Alstervillen kaum geeignet ist, den Mangel an bezahlbarem Wohnraum in der Stadt wirklich zu beheben“, sagt Michael Werner-Boelz, Chef der Grünen in Hamburg-Nord.

Bei den Alstervillen gehe es aber nicht nur um bezahlbaren Wohnraum, findet Karin Haas, Vorsitzende der Linken im Bezirk. „An der Alster erholen sich die Menschen gerne mit Blick aufs Wasser und auf die stilvollen Villen. Es müsste also im Interesse aller sein, das historische Stadtbild zu erhalten.“ Sie fordere daher ein konsequenteres Vorgehen gegen die Leerstandssünder - „bis hin zu Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit“.