Hamburg. Trotz hohem Renovierungsstau kauften Schmuckdesignerin Lena Schüler und ihr Mann eine alte Villa. Sie war von Beginn an ihr Traumhaus.

Eine Villa am Ufer der Außenalster, gelegen zwischen dem Anglo German Club und der Residenz des Ägyptischen Konsuls. Ein Glaskubus gleich über zwei Stockwerke hinweg sorgt für maximalen Lichteinfall und für eine unverstellte Aussicht über das Gewässer. Lena Schüler weiß diesen Blick zu schätzen.

Gemeinsam mit ihrem Mann Henning Pentzlin hat sie das Haus 1999 erworben. Mit ihren drei Töchtern bezogen sie damals die rund 300 Quadratmeter großen Räumlichkeiten im ersten Stockwerk, der untere Teil des Glasaufsatzes veredelt die Belle Etage, welche ebenso wie andere Flächen im Haus vermietet ist.

Ein Konzept, das den Kauf und die Sanierung der Villa erst ermöglichte, denn die Kaufentscheidung fiel gleich nach der ersten Begehung im Jahr 1998.

Vom ersten Moment an verliebt in das Haus

„Wir kannten das Objekt bereits: Hier hatten wir uns zu unserem ersten Rendezvous verabredet“, erinnert sich die 54-jährige Schmuckdesignerin. Schon damals hätten sie sich gefragt, wer dort wohl wohnt. Als sie ein größeres Haus für ihre Familie suchten, bot ihnen ein Makler die Villa an. „Wir sind eher aus Neugier hingegangen und wollten niemals ein so großes Objekt kaufen“, sagt Lena Schüler. Doch bereits beim Gang durch das historische Treppenhaus – „wir fühlten uns wie im Märchen“ – stand für beide fest, dass sialstere ihre Traumimmobilie gefunden hatten.

Hier wird ein ganzes Haus verschoben

Der Blick von oben zeigt, wie viel Stahl nötig ist, um die Villa zu transportieren.
Der Blick von oben zeigt, wie viel Stahl nötig ist, um die Villa zu transportieren. © dpa | Gian Ehrenzeller
Die Villa „Jacob“ wird von 200 Stahlbalken getragen.
Die Villa „Jacob“ wird von 200 Stahlbalken getragen. © dpa | Gian Ehrenzeller
Die Versetzung zieht zahlreiche Schaulustige an.
Die Versetzung zieht zahlreiche Schaulustige an. © dpa | Gian Ehrenzeller
Diese Menschen beobachten das Spektakel vom Dach des Nachbarhauses aus.
Diese Menschen beobachten das Spektakel vom Dach des Nachbarhauses aus. © dpa | Gian Ehrenzeller
1/4

Sie sahen allerdings auch den enormen Renovierungsstau: Unter dicken Farbschichten waren filigrane Stuckarbeiten sichtbar, vor allem an den Decken des Treppenhauses befanden sich vielfach überstrichene allegorische Malereien, die auf ihre Wiederentdeckung warteten. „Wir machten uns keine Illusion. Große Investitionen würden auf uns zukommen“, so die Hausherrin.

Den Ausschlag für die Kaufentscheidung gab die Lage. Das Haus zählt zu den wenigen freistehenden Villen, die nicht von der Umstrukturierung des Alstervorlandes betroffen waren: 1953 waren deswegen viele Anwohner quasi „enteignet“ worden, damit dort im Zuge der Internationalen Gartenausstellung ein Park- und Freizeitgelände für die Bevölkerung angelegt werden konnte.

Stuck und Parkett wurden unter anderem aufwendig wiederhergestellt
Stuck und Parkett wurden unter anderem aufwendig wiederhergestellt © Michael Rauhe | Michael Rauhe

Gut drei Jahre dauerten die Sanierungsarbeiten für die Villa; in Abstimmung mit dem Denkmalschutzamt wurden viele ursprüngliche Zierelemente instandgesetzt. Vor allem im Treppenhaus leisteten die Restaurateure ganze Arbeit. „Überall waren die Wände mit mehreren weißen Farbschichten quasi zugekleistert gewesen. Wir wussten nicht, was darunter zum Vorschein kommen würde“, so Lena Schüler.

Es sei für alle eine kunsthistorische Zeitreise gewesen. Prunkvolles Intarsienparkett, durch den Einbau von einfachen Bädern zerstört, wurde ebenfalls von einem auf die Renovierung von Schlössern spezialisierten Tischler erneuert. Ein befreundeter Gürtler entwickelte wiederum nach Vorlage der Architektenentwürfe von 1932 Türgriffe und Fensteroliven sowie zahlreiche Lampen. Anbauten, von Martin Haller 1903 auf Torf errichtet, waren allerdings so stark vom Gebäude abgetrennt, dass sie abgerissen und durch neue ersetzt werden mussten. Sie gründen nun auf 22 Meter tiefen Pfählen im Alstermoor.

Historische Gartenanlage von 1883

Auch die historische Gartenanlage von 1883 war vollkommen zerstört: 20 wild gewachsene Kastanienbäume hatten die Treppenstufen teilweise bis zu zwei Meter in die Luft gehoben. Im Rahmen der Renovierung wurden alle Steine nummeriert und seitlich gelagert, der Garten wieder nivelliert und originalgetreu inklusive eines historischen Brunnens zur Außenalsterseite hin gestaltet.

Bei diesen Maßnahmen stieß das Paar auf die Fundamente eines früheren Teehauses, zu dem sich in den Bauakten keine Pläne mehr fanden. Zur Abrundung des Ensembles errichtete Lena Schüler dort in Anlehnung an das Küchengebäude des benachbarten Anglo German Clubs ihr Schmuckatelier.

Edelsteine, mit denen die Hausherrin Schmuck für ihre Kunden fertigt
Edelsteine, mit denen die Hausherrin Schmuck für ihre Kunden fertigt © Michael Rauhe | Michael Rauhe

„Ich kann entspannt und frei arbeiten“

Auf engstem Raum hat sie hier ihre Schätze hinter Glas versammelt – große, bunte Edelsteine, die ihre Kundinnen flexibel als Ring, Armband oder Kettenanhänger tragen können. Dass sie sich hier ihr Atelier erschaffen durfte, sei rückblickend der größte Glücksfall gewesen, sagt die Hamburgerin. „Ich kann entspannt und frei arbeiten und mich gleichzeitig auch um meine Familie kümmern. Mehr geht nicht.“

Einen Brückenschlag in die Moderne gestattete sich das Paar durch den Glaskubus. Er erlaubt, dass man vom 80-Quadratmeter großen Wohn- und Essbereich in einem 180-Grad-Winkel einen unverstellten Blick über die Alster und den davorliegenden Wanderweg hat. Teure Designermöbel oder ähnliches findet man in den Räumen nicht. „Bei diesem Blick ist eine aufwendige Einrichtung auch nicht nötig“, sagt Lena Schüler. Sie schätzt Möbel wie ihr altes De Sede-Sofa, das sie seit vielen Jahrzehnten begleitet. „Diese alten Möbel zu ersetzen, wäre wie ein Bruch mit der Vergangenheit. Das Erhalten von Dingen ist schön und wichtig“, sagt sie.

Die Hunde werden unruhig, Zeit für einen Spaziergang. Was für ein Privileg: Naturnah wohnen mitten in der Stadt.