Hamburg. Seit Jahren verfallen prächtige Häuser in Winterhude. Angekündigte Sanierungen bleiben aus. Jetzt gibt es Druck auf die Eigentümer.
Die einst so schmucke Villa am Leinpfad bietet seit Jahren ein Bild des Jammers: Die Fassade ist von Rissen durchzogen, aus manchen wachsen kleine Bäumchen heraus, Fenster sind verrammelt, von der Veranda sind ein Stück Brüstung und die Treppe weggebrochen. Ein Bretterzaun, der das alte Haus vor Eindringlingen und die Passanten vor dem traurigen Anblick geschützt hat, wurde bei einem der letzten Stürme umgeweht und liegt im Vorgarten.
Seit mindestens zehn Jahren steht die Backsteinvilla mit den schönen Fensterrahmen und den Stuckornamenten leer. 2011 hatte ihr damaliger Besitzer, der Reeder Bertram Rickmers, dem Abendblatt auf Nachfrage zugesagt, die Villa innerhalb von sechs Monaten vollständig zu sanieren. Originalgetreu wollte er sie wiederherstellen und zu einem Wohnhaus für bis zu drei Familien umbauen lassen. Passiert ist bislang nichts.
Alster-Villen: Spekulieren die Eigentümer auf Umwandlung?
Die Gründerzeitvilla am Leinpfad 21 ist kein Einzelfall. Ebenfalls jahrelang stand auch die Villa Nummer 26 leer. Für das weiße Gebäude wurde 2017 eine Baugenehmigung erteilt, der im darauffolgenden Jahr Ergänzungs- und Änderungsbescheide folgten. Was weiter auf dem Grundstück passiert, behalten die Beauftragten für Wohnraumschutz des Bezirksamts Nord im Blick. So steht es zumindest in der Antwort auf eine Kleine Anfrage, in der sich Bernd Kroll aus der CDU-Bezirksfraktion in Nord nach mehreren offenbar leer stehenden Villen erkundigt hat.
Nach Abendblatt-Informationen heißt es in Bezirkskreisen, dass die Eigentümer in den meisten Fällen offenbar darauf spekulierten, die Villen in Mehrfamilienhäuser mit bis zu vier Wohnungen umzuwandeln.
Eine weitere weiße Villa am Leinpfad 25 wird tatsächlich saniert. Dennoch moniert Kroll: „Seit Jahren sind keine Bautätigkeiten oder Instandsetzungen an den leer stehenden Villen zu erkennen. Obwohl es hierzu schon Medienberichte und zahlreiche Anfragen seitens der Politik gab, waren die Bemühungen des Bezirks nicht erfolgreich.“ Andernorts sei das anders, sagt er mit Verweis auf den Bezirk Mitte, der 2016 ein leer stehendes Haus zwangsverwalten ließ, um es vermieten zu können.
Top-Lage an der Hamburger Bellevue
Das würde sich der CDU-Politiker auch für das Haus an der Bellevue 24 wünschen. Die Villa in Top-Lage steht seit mehr als 13 Jahren leer, nur eine Wohnung im Erdgeschoss war zeitweise bewohnt. Wegen komplizierter Eigentums- und Nutzungsrechte zogen sich die Auseinandersetzungen jahrelang hin: Der Eigentümer verweigerte die Sanierung, das Bezirksamt den Abriss. 2016 war das Fachamt für Verbraucherschutz, Gewerbe und Umwelt zudem gezwungen, die Unbewohnbarkeit des Gebäudes zu erklären – damit unterlag es nicht mehr dem Wohnraumschutzgesetz.
Um den Abbruch dennoch zu verhindern, setzte sich der Bezirk mit der Kulturbehörde in Verbindung, die das Objekt kurzerhand unter Denkmalschutz stellte. „Gegenwärtig stehen wir mit dem Eigentümer im Kontakt, um eine Instandsetzung des Gebäudes zu erreichen“, sagt Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde. Das Haus sei gemeinsam mit den benachbarten Mehrfamilienhäusern Bellevue 23 und 25 ein Zeugnis traditioneller Architektur der frühen 1950er-Jahre.
Zwangsgeld gegen Hamburger Villenbesitzer
Das Gebäude ist aber auch ein Beispiel dafür, dass das Bezirksamt doch handelt – auch wenn das manchmal lange dauert. Etwa im Fall einer weiteren Villa in der Gegend, deren jahrelangen Leerstand Kroll ebenfalls beklagt. Gegen ihren Eigentümer wurde mittlerweile ein Zwangsgeld verhängt – eine „Maßnahme aus der Zweckentfremdungsverordnung, die dann ergriffen wird, wenn Aufforderungen, etwas gegen den Leerstand zu tun, erfolglos bleiben“, so Tom Oelrichs, der stellvertretende Leiter des Bezirksamtes Nord.
Wie hoch die Geldstrafe ist, darf er nicht sagen. Wohl aber, dass sie sich fortlaufend erhöht, wenn Eigentümer eine Kooperation verweigern. Irgendwann wird aus der Verweigerung eines Eigentümers eine Ordnungswidrigkeit. „Und die kann mit einem Bußgeld bis 500.000 Euro bestraft werden.“ Erst wenn auch das missachtet werde, dürfe man als drittes und letzten Mittel zu einer Zwangsvermietung wie im Bezirk Mitte greifen. „Das ist ein tiefer Eingriff in das Eigentumsrecht und muss im Einzelfall geprüft werden“, so Oelrichs. Eine Zwangsvermietung der sanierungsbedürftigen Villen sei wegen des Aufwands weniger sinnvoll als die eines intakten Mehrfamilienhauses mit günstigem, familienfreundlichen Wohnraum.
In mehreren Fällen wurde ein Kompromiss gefunden
Der Bezirk setze lieber auf Gespräche mit den Eigentümern. Und die zahlen sich offenbar aus. Bei den beiden schmucken Villen, die an der Fährhausstraße 14 und 14 a im Dornröschenschlaf liegen, hat der Eigentümer jedenfalls eingelenkt. Nachdem dort trotz Baugenehmigung viele Jahre nichts passierte, wurden dem Bezirksamt im vergangenen Oktober Bautätigkeiten angezeigt. Auch dort sollen Mitarbeiter des Fachamts beobachten, ob tatsächlich etwas passiert.
Auch die Backsteinvilla am Leinpfad 21 soll „wachgeküsst“ werden, zumindest teilweise. Nachdem der Bezirk einen Antrag des Eigentümers auf Abbruch abgelehnt hatte, gab es einen Kompromiss: Hinter der historischen Fassade soll laut Bezirksamt ein Neubau mit mehreren Wohnungen entstehen.
Bernd Kroll bleibt skeptisch. „Seit Jahren bekommt man vom Bezirk Mitteilungen über angezeigte Bautätigkeiten oder Bauabsichten. Aber passiert ist bislang an den meisten Villen nichts.“ Er wird das Thema weiter auf der Agenda haben. So wie die Mitarbeiter des Fachamts für Wohnraum, Gewerbe und Umwelt die Alstervillen.