Hamburg. Ein Informatikverein plant federführend eine neue Einrichtung, die Unternehmen beraten und Forschung betreiben soll.
Mehrfach wurde eine solche Einrichtung schon gefordert, nun könnte sie entstehen: In Hamburg soll noch in diesem Halbjahr ein Kompetenzzentrum für künstliche Intelligenz starten. Das plant federführend der Verein Hamburger Informatik Technologie-Center (HITeC) mit städtischen Akteuren, Unternehmen und Forschungseinrichtungen. HITeC, eine Ausgründung des Fachbereichs Informatik der Universität Hamburg mit Sitz in Stellingen, unterstützt Kooperationen zwischen Forschern und Firmen. Geschäftsführer Lothar Hotz sagt, es mangele in Hamburg zwar nicht an Expertise für künstliche Intelligenz (KI). „Wir haben genügend Akteure in der Stadt – aber die muss man zusammenführen. Dann stehen wir gut da.“
Dass KI einen Boom in Wirtschaft und Wissenschaft erlebt, hat unter anderem damit zu tun, dass viele Ergebnisse aus jahrzehntelanger Forschung in der Informatik nun reif für die Anwendung werden. Hinzu kommen weitere Treiber, wie Lothar Hotz sagt. Es gibt heute Computer für jedermann, die dank spezieller Chips Rechenaufgaben rund um KI bewältigen; etliche KI-Programme lassen sich als sogenannte Open-Source-Software von Dritten weiterentwickeln; es sind immer mehr Daten frei verfügbar, mit denen sich KI trainieren und verbessern lässt.
Beispiele für KI-Anwendungen sind etwa selbstfahrende Autos und autonom fliegende Drohnen, Roboter, Sprachassistenten auf dem Handy, Chatprogramme, die Kunden online betreuen, und Bild gebende Verfahren, die maschinelles Lernen nutzen, um etwa Tumore zu erkennen.
Potenzieller Helfer
Nicht wenige befürchten, dass schlaue Algorithmen den Menschen an vielen Stellen ersetzen könnten. Befürworter argumentieren, durch KI könnten auch neue Arbeitsplätze entstehen, etwa weil immer mehr Software-Fachleute gebraucht würden. HITeC-Geschäftsführer Lothar Hotz sieht künstliche Intelligenz in erster Linie als potenziellen Helfer: „Überall dort, wo viele Daten anfallen, kann KI den Menschen unterstützen, Fehler erkennen, langwierige Arbeiten übernehmen.“
Das geplante Hamburger Kompetenzzentrum soll ausloten, wie sich die Wirtschaft durch KI unterstützen lässt. „Wir wollen als Ansprechpartner für jede Firma im norddeutschen Raum fungieren, die ihre Daten besser nutzen möchte“, sagt Hotz.
Verein unterstützt Hamburger Start-ups
Der Hamburger Vorstoß kommt relativ spät. Rheinland-Pfalz, Bremen und das Saarland hatten bereits 1988 mit mittelständischen Unternehmen das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) gegründet. Heute unterhält die wirtschaftsnahe Einrichtung sechs Standorte und beschäftigt nach eigenen Angaben mehr als 1000 Mitarbeiter aus aller Welt, die an mehr als 250 Forschungsprojekten arbeiten.
Zwar ist KI auch an Hamburger Hochschulen längst kein Nischenthema mehr. Wie aus Senatsantworten im Sommer 2018 auf zwei Kleine Anfragen des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Carsten Ovens hervorgeht, beschäftigten sich zu dieser Zeit an der Universität Hamburg 52 Forscher – unter ihnen zehn Professoren – mit KI. An der Hochschule für Angewandte Wissenschaften forschten zehn Professoren rund um KI. Zudem gab es zu dieser Zeit mindestens acht Kooperationsprojekte zwischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft zu KI in Hamburg.
Antrag der FDP
Gleichwohl müsse die Stadt das Thema stärker vorantreiben, sagte Carsten Ovens und forderte, Hamburg brauche „eine KI-Strategie, die Wissenschaft und Wirtschaft zusammenführt, und außerdem eine zentrale Steuerung der bislang eher unkoordinierten Maßnahmen“.
Die FDP brachte dann im November einen Antrag in die Bürgerschaft ein, in dem sie ein Forschungszentrum für KI in Hamburg forderte. „Durch den Brückenschlag von Wirtschaft und Wissenschaft können in Hamburg schnell Erfolge bei der KI-Forschung entstehen“, sagt FDP-Fraktionschef Michael Kruse. „So könnte KI das Stapeln von Containern im Hafen weiter optimieren, in der Luftfahrt könnten Wartungsintervalle optimiert werden, und auch in der Gesundheitswirtschaft liegen große Potenziale in der Früherkennung von Krankheiten.“ Auch in der Hamburger Verwaltung könne KI „viele Vorgänge erleichtern und beschleunigen“, die derzeitig händisch bearbeitet würden. Kruse fordert, Hamburg müsse sich bemühen, Teil des Netzwerks „künstliche Intelligenz“ zu werden, das die Bundesregierung mit der Französischen Regierung plant.
Bevor es Neuigkeiten in dieser Sache gibt, könnte das nun geplante Hamburger Kompetenzzentrum für KI die Arbeit aufnehmen. Wo und mit welcher Ausstattung, ist allerdings unklar: „Räume und Geld müssen wir uns noch besorgen“, sagt HITeC-Geschäftsführer Lothar Hotz. Eine Unterbringung in Vereinsräumlichkeiten komme nicht infrage. „Wir wollen das Ganze größer aufhängen“, sagt Hotz.
Auch IBM ist ein Fördermitglied
Der Verein, der 2018 sein 20-jähriges Bestehen feierte und zu seinen Fördermitgliedern etwa IBM, Arvato (Bertelsmann), die Unternehmensberatung Capgemini und die Hamburger Handelskammer zählt, hat einiges vorzuweisen. So war HITeC etwa an der Entwicklung des Hamburger Transparenzportals beteiligt und unterstützte die Staats- und Universitätsbibliothek bei deren Onlineportal „HamburgWissen Digital“. Zudem hat der Verein schon etliche Hamburger Start-ups gefördert.
Den Vorstand bilden vier Informatikprofessoren der Universität Hamburg, die mit dem Verein über eine Vereinbarung verbunden ist. Als gemeinnütziger Verein darf HITeC nicht gewinnorientiert arbeiten und legt Wert darauf, wie Lothar Hotz sagt, dass es bei Kooperationsprojekten einen „relevanten Forschungsanteil“ gibt – und dass die Projekte zur Ausbildung von Studierenden beitragen.