Hamburg. Zum Casting in Olivias Show Club auf der Großen Freiheit reisten Mitwirkende von Flensburg bis Österreich an.

Schrill geschminkte Dragqueens, kunstvoll verkleidete Bur­lesque-Darsteller und loses Mundwerk. Eigentlich ist alles wie immer in Olivias Show Club auf der Großen Freiheit. Und doch fehlte an diesem Abend etwas zum ganz normalen Cabaret-Wahnsinn: Besucher, die sich normalerweise in dem mit rotem Plisseestoff und goldenen Rüschen gestalteten Hauptraum von
Jones und ihren Gästen unterhalten lassen.

Stattdessen fanden sich unter Discokugeln und Kronleuchtern unzählige Reporter, Journalisten und Kamerateams. Olivia Jones hatte zum Casting geladen. Die Absicht: neue Künstler aus Travestie, Burlesque und Comedy für die eigene „Familie“ gewinnen. „Wir wollen uns verstärken und Newcomern eine Plattform bieten, für die es sonst wenige Plattformen gibt“, erklärte Jones. Neben der Dragqueen gehörten noch die Kiezgrößen Eve Champagne, Olivias „Queen of Burlesque“ und Veuve Noire der Jury an. Das Kandidatenfeld war vielseitig. Künstler von Flensburg bis Österreich waren für das Casting nach St. Pauli gekommen – darunter ambitionierte Neulinge, aber auch Profis mit Bühnenerfahrung.

„Das ist hier so eine Art Nahkampf“

Die Kriterien waren klar: „Wir brauchen Rampensäue“, so Eve Champagne. Olivia Jones ergänzte: „Zu ordinär oder glatt ist ein No-Go, man muss sich dosieren können – ach ja, und echte Frauen suchen wir auch.“ Der Alltag auf St. Pauli sei hart. Die Kandidaten müssten in der Lage sein, auf St. Pauli durchzuhalten, so Veuve Noire. „Das ist hier so eine Art Nahkampf“, bekräftigt Olivia
Jones.

Nahkampf traf es eigentlich ganz gut. Besonders groß ist die Eckbühne mit lederbespannter Rückwand ja nicht. Und doch wurde sie am Donnerstag zur großen Plattform für unterschiedlichste Darstellungen. Tatjana de Paris, ein Dortmunder Koch, überzeugte die Jury mit einer Performance als Dragqueen. Mit schillerndem Outfit, auffälliger Perücke und ausdrucksstarkem Make-up schmetterte er der Jury „Zucker im Kaffee“ von Erik Sylvester entgegen. Wie er zu seiner Rolle als Dragqueen gekommen ist? „Wahrscheinlich wie jeder andere auch“, sagt er. „Bekannte haben es gemacht, dann fällt einer aus, du wirst in ein Kostüm gesteckt und auf die Bühne gestellt.“

Erwartungen übertroffen

Sonnenbrille, schwarzer Mantel mit Schulterklappen und goldenen Fransen: das ist René, ein passionierter Kinderanimateur. Er schafft es, mit lockerem Mundwerk, kräftiger Stimme und einem Schlagersong die Jury mitzureißen. Besonders vorbereitet habe er sich auf das Casting nicht. Das könne man eigentlich auch gar nicht, erzählt René. „Nur am Outfit müssen wir noch arbeiten“, kritisiert Veuve Noire. Die Jacke sei klasse, aber die graue Jeans? „Wirkt wie aus dem Schrank gegriffen.“ Dennoch: Schon nach der Hälfte des Castings übertreffen die Kandidaten die Erwartungen von Olivia Jones: „Das ist besser als ich es erwartet habe. Da passen tatsächlich so einige in meine Familie!“

Im zweiten Teil des Abends dominieren besonders die Burlesque-Tänzerinnen. Burlesque ist eine anerkannte Kunstform, bei der sich die Darstellerinnen nie komplett einkleiden. Mit kreativen Darstellungen zu bestimmten Themengebieten als Clown oder Fee erzählen die Künstlerinnen in jeder Show wie von der Jury gefordert eine Geschichte. Damit begeistern sie besonders Eve Champagne, Olivias „Queen of Bur­lesque“, „Das ist Neo-Burlesque, wie wir es sehen wollen.“

Unzählige Eindrücke

Nach knapp vier Stunden, 16 Darstellungen und unzähligen Eindrücken ist die kleine Jury um Olivia Jones sichtlich begeistert. „Das ist das Weltbeste, das ich seit Langem gesehen habe“, schwärmt Veuve Noire. Auch die Chefin selbst zeigt sich mit dem Ergebnis des Castings mehr als zufrieden: „Wir sind sicher, dass ein paar der Künstler die Olivia-Jones-Familie ergänzen können.“, sagt sie.