Hamburg . Hochschullehrer befürchten „Qualitätsverlust in Unterricht und Lehrerbildung“. Schulsenator Ties Rabe (SPD) weist die Vorwürfe zurück.

Ärger für Ties Rabe (SPD): In einem offenen Brief an Hamburgs Schulsenator kritisieren mehr als 40 Professoren der Universität Hamburg die vor Kurzem erstmals angewendeten neuen Zulassungskriterien für das Referendariat. Demnach können Absolventen, die schon während des Studiums an Schulen gearbeitet haben, dadurch ihren Notenschnitt und ihre Chance auf einen Referendariatsplatz deutlich verbessern.

Als Folge komme es zu einem „Qualitätsverlust in Unterricht und Lehrerbildung“, schreiben die Hochschullehrer. „In den letzten Jahren nehmen sehr viele Lehramtsstudierende der Universität Hamburg solche Lehraufträge wahr (...), nicht wenige erteilen auch selbstverantwortlichen Unterricht – zum Teil schon früh im ersten Studienabschnitt. Diese Praxis ist offenkundig dem derzeitigen Mangel an Lehrpersonen geschuldet.“

Uni Hamburg veröffentlicht Brief auf ihrer Internetseite

Bei Studierenden sei diese Praxis zwar beliebt, „weil sie ihnen gleichzeitig eine studiennahe Erwerbsmöglichkeit bietet und einem Bedürfnis nach „Praxiserfahrung“ nahekommt“, schreiben die Hochschullehrer. Sie müssten aber vor dieser Praxis warnen, weil sie der Unterrichtsqualität und der individuellen Ausbildung schade. „Damit gefährdet die genannte Praxis wesentliche Errungenschaften der Hamburger universitären Bildung aller Lehrämter in den nunmehr 100 Jahren ihres Bestehens“, heißt es in dem offenen Brief, den die Universität Hamburg am Mittwoch auf ihrer Internetseite veröffentliche.

Der Lehrberuf sei eine Profession, vergleichbar mit der von Medizinern und Juristen. Dafür nötig sei erst ein wissenschaftliches Studium der erziehungswissenschaftlichen und fachlichen Grundlagen sowie eine darauf basierende Reflexion der Bedingungen an Schulen, bevor eigenes Unterrichten geübt werde.

Schulbehörde spricht von falschen Annahmen

Ties Rabe wies die Vorwürfe zurück. „Wir wollen die besten Lehrkräfte für die Hamburger Schulen gewinnen, deshalb wählen wir für das Referendariat die besten Studierenden aus“, sagte er. „Dabei legen wir großen Wert auf einen hervorragenden Studienabschluss und auf Praxiserfahrung. Erstmals erkennen wir es an, wenn angehende Lehrkräfte bereits Praxiserfahrung in einer Schule gesammelt haben. Ich wundere mich sehr, dass die Unterzeichner eine solche Praxiserfahrung für einen Nachteil halten.“

Das Gegenteil sei richtig: „Solche Bewerberinnen und Bewerber haben sich Anerkennung verdient und werden deshalb bevorzugt eingestellt“, sagte Rabe. „Die Kritik läuft darauf hinaus, dass angehende Lehrkräfte während ihres Studiums lieber in Bars kellnern als in Schulen zu arbeiten. Das ist absurd.“ Die Schulbehörde sprach zudem von „falschen Annahmen“ seitens der Unterzeichner. „So wird behauptet, die Schulbehörde wolle zunehmend Unterricht durch studentische Hilfskräfte erteilen lassen. Tatsächlich liegt der Anteil der Lehrverträge seit Jahren konstant bei nur fünf Prozent und ist damit deutlich geringer als in den anderen Bundesländern. Zudem geht es bei vielen Lehrverträgen um ergänzende Förderstunden oder Aufgaben im Ganztag und nicht nur um Unterricht.“

Senator übt wiederum Kritik an der Universität Hamburg

Zutreffend sei zwar die Kritik der Unterzeichner, dass die Praxiserfahrung an den Schulen nicht ausreichend reflektiert werde, sagte Schulsenator Ties Rabe. Allerdings werfe dies „die Frage auf, weshalb die Universität Hamburg nicht in ihren Begleitseminaren sicherstellen kann, dass die praktischen Erfahrungen durch eine Phase wissenschaftlicher Reflexion verarbeitet werden können“. Rabe: „Andere Universitäten bieten gezielt solche Vor- und Nachbereitungsseminare für Praxiseinsätze während des Studiums an.“