Hamburg. Bis 2030 soll die Zahl der Schüler im Unterricht um rund 25 Prozent ansteigen – mit weitreichenden Folgen für den Schulbau.
Die frühere Schulsenatorin Christa Goetsch (Grüne) hat ihr Urteil schon gefällt. „Enge und Kinder – das passt nicht zusammen“, sagte Goetsch und kritisierte damit die Planungen des rot-grünen Senats, auf dem Gelände am Lohsepark (HafenCity) eine Stadtteilschule und ein Gymnasium zu bauen. „Der schwarz-grüne Senat hatte eine Stadtteilschule mit großzügigem Gelände für Bewegung, Sport und für den guten Ganztag geplant“, so Goetsch in einem Gespräch mit der Initiative Schulcampus Lohsepark, die sich gegen die aktuellen Planungen gegründet hat.
„Nun will der Senat ein Drittel des Grundstücks für Wohnungsbau abteilen und verlegt dafür den Schulhof mal wieder aufs Dach. Das halte ich für falsch“, sagte Goetsch. In der Schulbehörde sorgten die Äußerungen der früheren Schulsenatorin für hochgezogene Augenbrauen. Es gehört zu den ungeschriebenen Gesetzen des politischen Lebens der Stadt, dass sich ehemalige Senatoren nicht zu den Aktivitäten ihrer Amtsnachfolger äußern.
Kein Schulhof aufs Dach
In der Sache trifft Goetsch aber durchaus einen wunden Punkt. Schulsenator Ties Rabe (SPD) hatte 2014 entschieden, am Lohsepark einen Schulcampus mit Stadtteilschule und Gymnasium unter einem Dach zu errichten. Die ersten Planungen im Rahmen des städtebaulichen Wettbewerbsverfahrens sahen dann noch zusätzlich mehrgeschossigen Wohnungsbau auf dem Grundstück vor, der dazu geführt hätte, dass der Schulhof komplett aufs Dach verlagert worden wäre. Das lehnte Rabe ab.
Eine neue Planung mit einer reduzierten Wohnbebauung ermöglicht nun einen ebenerdigen Schulhof von 4300 Quadratmetern und zusätzlichen 3800 Quadratmeter Freifläche auf dem Dach. In der Summe ist die Fläche nach Angaben der Behörde nun sogar um 20 Prozent größer als bei Schulen mit vergleichbarer Größe. Die Elterninitiative bleibt bei ihrer Forderung, dass der Schulhof komplett ebenerdig sein muss.
Eltern demonstrieren gegen Vergrößerung von Schulen
Der Streit um den Schulcampus Lohsepark ist kein Einzelfall – es wird an vielen Schulen angesichts wachsender Schülerzahlen immer enger. Anfang der vergangenen Woche demonstrierten rund 450 Eltern, Schüler und Lehrer gegen die Schulbauplanungen der Behörde im Kerngebiet Altona. Der Protest richtet sich vor allem gegen den Plan, die Grundschulabteilung der Max-Brauer-Schule in Bahrenfeld von drei auf sechs Parallelklassen zu verdoppeln. Die Elterninitiative „Das muss auch anders gehen“, hält die kritische Größe für Grundschulen mit sechs Parallelklassen für überschritten und fordert einen Neubau an anderer Stelle des Stadtteils. „Wir erweitern vorhandene Schulen nur dann, wenn es unbedingt nötig ist. Fachlich sind wir eher für den Bau von neuen Schulen, die in der Regel auch günstiger sind“, sagt Schulsenator Rabe.
Dabei sind die Kapazitätsprobleme, die in Altona jetzt offenbar werden, erst der Anfang. In den kommenden Jahren rollt auf die Schulen eine Schülerwelle zu. Laut der aktuellen Prognose ist gegenüber 2017 mit einem Zuwachs der Schülerinnen und Schüler um 25 Prozent bis 2030 zu rechnen. Derzeit besuchen rund 195.000 Jungen und Mädchen die allgemeinbildenden Schulen.
Mehr Schüler pro Klasse als vorgesehen
Der Blick ins Geburtenregister verdeutlicht die Tendenz: Jahrelang wurden pro Jahr rund 15.000 Kinder geboren, 2012 waren es 16.800. Derzeit liegt die Zahl der bis ein Jahr alten Jungen und Mädchen bei 20.700. Der weitaus größte Teil von ihnen wird in sechs Jahren an einer Hamburger Grundschule eingeschult werden, und im Laufe der Jahre wird diese Schülergeneration „durchwachsen“. Interessant ist, dass nur gut ein Drittel des Anstiegs auf Zuwanderung, aber knapp zwei Drittel auf eine Zunahme der Geburten hier lebender Frauen zurückzuführen sind. Hinzu kommt, dass junge Familien weniger häufig als früher in das Umland ziehen und in den ohnehin dicht besiedelten innerstädtischen Quartieren bleiben.
Einen Hinweis darauf, wie eng die Kapazitäten schon jetzt sind, liefert die Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der CDU-Schulpolitikerin Birgit Stöver. Danach werden die im Schulgesetz festgeschriebenen Höchstgrenzen für Schulklassen bei 20 Prozent überschritten – in 1194 der rund 6000 Regelklassen. In 75 Prozent der Fälle sitzt nur ein Schüler mehr in der Klasse. In 20 Prozent der Fälle sind es zwei Kinder. Nur bei jeder vierten Überschreitung der Obergrenzen ist die Aufnahme von Flüchtlingskindern im laufenden Schuljahr die Ursache.
Elternwunsch berücksichtigen
Andererseits: Laut Senatsantwort wird in 2777 Klassen die zulässige Frequenz unterschritten. Das führt dazu, dass die gesetzliche Vorgabe im Durchschnitt eingehalten wird. An Grundschulen beträgt die durchschnittliche Klassengröße 20,9 Kinder (zulässig: 23), an den Gymnasien 26,4 Schüler (28) und an den Stadtteilschulen 23,9 Schüler (25).
Der Senat weist in seiner Antwort darauf hin, dass größere Klassen mehr Unterrichtsstunden zugewiesen bekommen. Und: Häufig ist für die Aufnahme weiterer Kinder in einer Klasse entscheidend, dass der Elternwunsch berücksichtigt werden soll. „Eine vorausschauende Schulentwicklungsplanung, die steigende Schülerzahlen und wachsende Quartiere endlich ausreichend berücksichtigt, könnte Abhilfe schaffen. Dabei müssen die Interessen der betroffenen Eltern und Schüler sowie Lehrkräfte vor Ort berücksichtigt werden“, sagt Stöver.