Hamburg. Anfeindungen gegen Ausländer, Juden, Homosexuelle – die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt in 77 Fällen.
Hass, Hetze, Häme – im Internet, vor allem in den sozialen Netzwerken, lassen sich die Facetten der Feindseligkeit praktisch in Dauerschleife beobachten. Menschen verunglimpfen andere Menschen. Würdigen sie herab. Grenzen sie aus. Wieder und wieder. Da überrascht es kaum, dass sich die Hasskriminalität in Hamburg fast zur Hälfte im Internet abspielt, wie eine Auswertung der Justizbehörde jetzt belegt.
Seit Mitte 2018 erheben die Staatsanwaltschaften bundeseinheitlich Daten zur Hasskriminalität, auch in Hamburg. Sie erfassen, ob ein Delikt fremdenfeindlich, antisemitisch, christenfeindlich, islamfeindlich, behindertenfeindlich oder gegen die sexuelle Identität gerichtet ist.
In 35 von 77 Fällen ist das Internet der Tatort
In Hamburg liegen dazu jetzt erstmals Zahlen vor, teilte die Justizbehörde auf Abendblatt-Anfrage mit. So seien seit Juli des vergangenen Jahres 77 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, bei 35 davon sei das Internet der Tatort gewesen. 44 Fälle waren nach Angaben der Justizbehörde fremdenfeindlich motiviert, 24 antisemitisch. Hinzu kommen vier islamfeindlich und zwei christenfeindlich motivierte Fälle. Hasstaten wegen der sexuellen Identität - hier dürfte es vor allem um Anfeindungen gegen Homosexuelle gehen - sei demnach Gegenstand von drei Ermittlungsverfahren.
Die menschenverachtende Motivation hängt eng zusammen mit dem eigentlichen Ermittlungsanlass, den zugrundeliegenden Straftatbeständen. In 46 der Verfahren, in denen Hasskriminalität im Vordergrund steht, werde wegen Volksverhetzung, in 14 weiteren Fällen wegen Beleidigung und in fünf wegen Körperverletzung ermittelt.
Die Untersuchung des Phänomens Hasskriminalität geht auf eine Initiative des Hamburger Justizsenators Till Steffen (Grüne) zurück. Steffen hatte vor drei Jahren seine Kollegen, die Justizminister der Länder, überzeugt, jene Fälle statistisch zu erfassen, in denen menschenverachtende oder gesellschaftszersetzende Motive eine Rolle spielen. „Bei Hasskriminalität wird nicht nur dem einzelnen Opfer Schaden zugefügt, sondern solche Taten vergiften auch das gesamtgesellschaftliche Klima. Mit den Daten können wir besser abschätzen, wie sich diese Art der Kriminalität entwickelt und wie wir ihr entgegenwirken können“, sagte Steffen dem Abendblatt.
Hass als Motiv kann die Strafe erhöhen
Geht es in Gerichtsverfahren um die Frage, was für und was gegen einen Angeklagten spricht, wird Hass als Motiv schon länger als Strafzumessungspunkt berücksichtigt. Beispiel: Können die Ermittler nachweisen, dass ein Schläger einen anderen verletzt hat, weil er ihm aufgrund seiner Nationalität, der Rasse oder der sexuellen Orientierung feindlich gesonnen ist, kann das Gericht diese Konstellation verschärfend werten, die Strafe fiele dann höher aus.
Für den Komplex Hasskriminalität als solches seien bei der Staatsanwaltschaft keine eigenen Ermittler zuständig, sagte Behördensprecherin Liddy Oechtering. Jedoch werde bei einem begründeten Verdacht automatisch geprüft, ob bei der Tat etwa weltanschauliche oder rassistische Motive im Vordergrund standen. Solche Fälle würden zumeist von der politischen Abteilung (Hauptabteilung 7) verfolgt.
Ex-Politikerin hat geballten Hass zu spüren bekommen
Wie andere Hamburger Politiker hat auch die ehemalige grüne Bürgerschaftsabgeordnete und Bildungspolitikerin Stefanie von Berg erlebt, wie es ist, im Auge eines Hass-Sturms zu stehen, bepöbelt zu werden, sich bedroht zu fühlen. Ein wahrer Shitstorm brach über sie herein, nachdem die AfD vor drei Jahren den Video-Mitschnitt einer bis dahin wenig beachteten Bürgerschaftsdebatte veröffentlicht hatte, in der die Grüne von einer künftigen "superkulturellen Gesellschaft" gesprochen hatte. Danach hagelte es per Email Pöbeleien der übelsten Sorte. 13 ihrer schlimmsten Peiniger zeigte sie an.
Vor Gericht hatte die Politikerin Erfolg. Zwei ihrer bösartigsten "Hater" – einer wünschte ihr eine Vergewaltigung durch Muslime an den Hals - wurden zu Geldstrafen über 1200 und 750 Euro verurteilt. Psychologische Hilfe musste sie dennoch in Anspruch nehmen.