Hamburg. 2017 zählte Hamburgs Polizei 221 Fälle von Angriffen auf Minderheiten oder NS-Propaganda. Aber: Hamburg ist nicht Chemnitz.
Die Zahl der Fälle von „Hasskriminalität“ ist zwar seit dem jüngsten Höchststand im Jahr 2015 in Hamburg zuletzt gesunken. Noch immer aber gibt es deutlich mehr Delikte als in den Jahren vor 2015 – und die allermeisten dieser Straftaten werden von Rechten begangen. Das haben Antworten des Senats auf Kleine Anfragen der Linken-Innenpolitikerin Christiane Schneider ergeben.
Als Hasskriminalität werden politisch motivierte Straftaten bezeichnet, bei denen die Täter ihre Opfer gezielt nach tatsächlicher oder vermuteter Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen oder ethnischen Gruppe auswählen. Darunter können rassistische, ausländerfeindliche, antisemitische oder Straftaten gegen Obdachlose, Menschen mit Behinderung, gegen Schwule, Lesben oder Transgender fallen.
Vor drei Jahren waren es noch mehr Fälle
Nach Auswertung der Senatsdaten durch die Linksfraktion wurde die höchste Zahl von solchen Straftaten 2015 von der Polizei erfasst. Damals wurden in Hamburg 357 Fälle von Hasskriminalität registriert. 2016 sank die Zahl auf 298, im Jahr 2017 auf 221. Im ersten Halbjahr 2018 zählte die Polizei 98 Fälle.
Straftaten aus dem Bereich Hasskriminalität werden demnach vor allem von Rechtsgerichteten begangen. Von den 221 Fällen des vergangenen Jahres ordnete die Polizei 189 Fälle der „politisch motivierten Kriminalität (PMK) rechts“ zu. Nur einen Fall rechnete sie zur PMK Links, zwei Fälle zur PMK „ausländische Ideologie“ und 15 zur PMK „religiöse Ideologie“. 14 Fälle ließen sich nicht zuordnen. Von den 98 Hassdelikten im ersten Halbjahr 2018 zählte die Polizei 62 zur PMK rechts.
Die Palette der konkreten Taten reicht laut Innenbehörde von Sachbeschädigungen, über Beleidigungen und Bedrohungen bis hin zu Körperverletzungen. Registriert wurden dabei etwa Hakenkreuzschmierereien, aber auch Vorfälle, bei denen Frauen mit Kopftuch bespuckt oder Kinder wegen eines Migrationshintergrundes körperlich attackiert wurden.
In der mitgelieferten Statistik listet der Senat mehr als fünf Dutzend Fälle von fremdenfeindlichen Straftaten im ersten Halbjahr auf. Dazu kommen islamfeindliche Delikte, Hasskriminalität aufgrund der (vermuteten) sexuellen Orientierung der Opfer, die Leugnung des Holocaust oder Propaganda für den Nationalsozialismus.
Hamburg ist nicht Chemnitz
„Hasskriminalität richtet sich in der Regel gegen Menschen, die als ,ungleichwertig‘ betrachtet werden“, sagte Linken-Politikerin Schneider. „Sie trifft den Einzelnen, aber richtet sich gegen Gruppen und die gesellschaftliche Vielfalt. Auch wenn die Dunkelziffer sehr hoch sein dürfte, machen die Zahlen deutlich, dass Hasskriminalität, Hass auf Andersdenkende, anders Lebende, anders Aussehende ganz überwiegend auf der rechten Seite zu finden ist.“
Trotz der zuletzt leicht zurückgehenden Zahlen geben die Hamburger Behörden keine Entwarnung – auch angesichts der jüngsten Entwicklungen, etwa in Chemnitz. „Auch wenn die Zahl der Straftaten in diesem Bereich in unserer Stadt seit 2015 wieder rückläufig ist, bleibt Hasskriminalität in jedem Fall ein Problem, das unser gesellschaftliches Klima vergiftet und das friedliche Zusammenleben aller bedroht, wie wir aktuell wieder erleben“, sagte Innenbehördensprecher Daniel Schäfer.
„Hamburg ist nicht Chemnitz. Aber Hass gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen ist nicht hinnehmbar – egal wo und in welcher Form. Die Sicherheitsbehörden in Hamburg werden diese Fälle daher auch in Zukunft mit aller Konsequenz verfolgen.“
Ähnlich äußerte sich Verfassungsschutz-Sprecher Marco Haase. „Auch wenn Hamburg bisher im bundesweiten Vergleich nicht die Hochburg solcher Taten ist, beobachtet der Verfassungsschutz die politisch motivierte Kriminalität im Bereich Rechts mit höchster Aufmerksamkeit“, so Haase. „Solche Zahlen kann man nicht rein statistisch betrachten, denn nur eine einzige Tat zum Nachteil einer Mitbürgerin oder eines Mitbürgers mit Migrationshintergrund hat eine Ausstrahlung auf zahlreiche weitere Menschen. Jede einzelne Tat ist eine zu viel.“