Hamburg. Ein Ex-Mitglied der Rockergang “Mongols“ und seine Freundin sollen die Drahtzieher sein. Ende des Monates kommen sie vor Gericht.

Die Folgen für das Opfer des hinterlistigen Mordanschlags waren erheblich, schwerwiegend, das Leben erschütternd. Am 26. August 2018 hatte ein bisher unbekannter Täter auf St. Pauli fünf Schüsse von der Beifahrerseite eines haltenden Autos auf Dariusch F. abgegeben.

Die Kugeln trafen den 38-Jährigen am Schädel und im Oberkörper. Erholt hat er sich davon offenbar nie. Wie aus der Anklage gegen die mutmaßlichen Täter hervorgeht, hat er unter anderem „ein Querschnittsyndrom“ mit gravierenden Funktionsstörungen unterhalb des Bauchnabels davongetragen.

Nach Abendblatt-Informationen ist Dariusch F. seither von der Taille abwärts mindestens teilweise gelähmt. Derzeit befindet er sich in der Reha, um die Beschwerden in den Griff zu bekommen. Das Opfer ist nicht irgendwer, sondern eine Galionsfigur der lokalen Rockerszene – Dariusch F. war damals Boss der kriminellen Rocker-Gruppierung Hells Angels in Hamburg.

Motiv für den Anschlag auf den Hells-Angels-Boss war Rache

Gegen die mutmaßlichen Drahtzieher des Anschlags verhandelt vom 27. Februar an die Große Strafkammer 2 des Hamburger Landgerichts. Die Staatsanwaltschaft wirft Arash R., hochrangiges Ex-Mitglied der inzwischen aufgelösten und seinerzeit mit den Hells Angels rivalisierenden Rockergang Mongols, Anstiftung zum Mord und seiner Freundin Lisa S. (24) einen heimtückischen Mordversuch aus niedrigen Beweggründen sowie schwere Körperverletzung vor.

Arash R, der in Billwerder derzeit eine langjährige Haftstrafe unter anderem wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz verbüßt, soll laut Anklage Lisa S. zu dem Mordversuch angestiftet haben. „Nach dem Strafgesetzbuch wird der Anstifter gleich dem Täter bestraft“, sagte Gerichtssprecher Kai Wantzen auf Anfrage. Motiv für den Anschlag sei demnach Rache für ein vorangegangenes Attentat auf das Paar gewesen.

Lisa S. wurde wenige Tage später festgenommen

Wie Wantzen weiter mitteilte, soll Arash R. laut Anklage vom Gefängnis in Billwerder aus seiner Partnerin den Auftrag erteilt haben, eine günstige Gelegenheit für den Mord an Dariusch F. auszukundschaften. Bereits einen Tag vor den Schüssen soll die junge Frau demnach in ihrem silbernen Mercedes Coupé eine Kneipe observiert haben, in der sich das spätere Opfer öfter aufhielt. Am 26. August 2018 dann soll die junge Frau auf dem Weg von Jenfeld in die Stadt den unbekannt gebliebenen Schützen eingesammelt haben.

Nachdem die beiden an der Seilerstraße Dariusch F. abgepasst hatten, folgten sie seinem Bentley unbemerkt bis zur Kreuzung Budapester Straße/ Millerntorplatz. Nachdem sich das Coupé vor einer roten Ampel links neben den Bentley gesetzt hatte,soll der Schütze das Beifahrerfenster heruntergelassen und fünfmal auf den Hells-Angels-Boss geschossen haben. Zwar gelang dem Mordkommando zunächst die Flucht – doch nur wenige Tage später führten die Ermittlungen zu Lisa S. Am 4. September überwältigten schwerbewaffnete Beamte eines Sondereinsatzkommandos die 24-Jährige in einem Wohnhaus am Denksteinweg.

„Fuck the Hells Angels“ auf den Schädel tätowiert

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Arash R. und seine Freundin mit dem Anschlag Vergeltung für ein zweieinhalb Jahre zurückliegendes Attentat üben wollten. Am 15. Juni 2016 gelang es einem bis heute nicht ermittelten, maskierten Täter in ein Haus am Vielohweg in Schnelsen einzudringen – dort hielten sich zu diesem Zeitpunkt auch Lisa S. und Arash R. auf. Arash R. firmierte bis zur Auflösung der Mongols Anfang 2016 als Sergeant-at-Arms und Vizepräsident der mit den Hells Angels buchstäblich bis aufs Blut verfeindeten Rockergruppierung. Seinen glühenden Hass bekundete er unter anderem mit dem Schriftzug „Fuck the Hells Angels“ – den hatte er sich auf seinen halbrasierten Schädel tätowieren lassen.

Als Lisa S. an der Terrassentür stand, um eine Zigarette zu rauchen, gab der Schütze mehrere Schüsse auf sie ab. Drei Projektile trafen sie im Oberkörper und in den Arm. Als Arash R. herbeieilte, feuerte der Täter auch auf ihn. Die Kugeln erwischten den damals 25-Jährigen an der Hand und an der Hüfte. Lisa S., lebensgefährlich verletzt, musste im Krankenhaus notoperiert werden. Obgleich der Täter nicht ermittelt werden konnte, gingen die beiden Opfer nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft davon aus, dass hinter dem Attentat die Hells Angels stecken – und als deren Anführer galt damals Dariusch F.

Ob der ehemalige Rockerboss überhaupt vor Gericht als Zeuge wird aussagen können, ist unklar. Er nimmt aber seine Rechte im Prozess wahr – als Nebenkläger.