Jenfeld. Polizei klärt Anschlag auf Hells-Angels-Boss auf. Ex-Vize der Mongols soll Schüsse veranlasst haben. Freundin festgenommen. Motiv: Rache?

    Die schwer bewaffneten Beamten des Sondereinsatzkommandos (SEK) griffen um kurz nach Mitternacht zu. In einem Wohnhaus am Denksteinweg überwältigten sie die 23-jährige Lisa S. Die Frau soll den Anschlag auf Hells-Angels-Boss Dariusch F. organisiert haben. Der Drahtzieher ist nach Erkenntnissen von Ermittlern Arash R. (28). Er sitzt in Haft und soll aus dem Gefängnis heraus den Auftrag erteilt ­haben. Gegen Lisa S. erging am Dienstagnachmittag Haftbefehl wegen „versuchten gemeinschaftlichen Mordes in Tateinheit mit gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung“.

    „Es ging wohl um Rache“, sagt Polizeisprecher Timo Zill zu den Motiven der Tat. Am 26. August war Dariusch F. angeschossen worden. Er hatte in seinem Bentley auf der Budapester Straße nahe Millerntorplatz vor einer roten Ampel gehalten, als aus einem Auto neben ihm mehrmals auf ihn gefeuert wurde. Kugeln trafen den Kampfsportler und Ex-Scharfschützen der Bundeswehr am Kopf und am Oberkörper. Keines der Projektile war tödlich. Der Schütze entkam unerkannt. „Wir haben innerhalb kürzester Zeit das Rahmengeschehen zu der Tat auf der Budapester Straße aufklären können“, sagt Zill. In der Nacht zum Dienstag durchsuchte die Polizei das Haus, in dem die 23-Jährige festgenommen wurde. Es ist das Haus, in dem die Eltern von Arash R. leben. Zudem wurden zwei weitere Wohnungen durchsucht. Bei der Aktion wurden an mehreren Adressen auch drei Männer festgenommen, die später wieder auf freien Fuß kamen. Ihnen konnte keine Beteiligung an der Tat angelastet werden. Der 23 Jahre alten Lisa S. schon. „Wir machen sie für wesentliche Tat­abläufe mit verantwortlich“, so Zill über die zierliche Frau mit den auffälligen Tätowierungen. Bei der Aktion wurden auch Beweismittel wie Datenträger und Handys sichergestellt. Am Morgen wurde das mutmaßliche Tatfahrzeug entdeckt: Die Polizei stellte einen Mercedes sicher, bei dem es sich um den Wagen handeln soll, aus dem die Schüsse auf Dariusch F. abgegeben wurden. Das Auto wird von Kriminaltechnikern untersucht. Ermittler hoffen, dass im Fahrzeug DNA-Spuren gefunden werden, die zu weiteren Personen führen, die das Auto in der jüngsten Vergangenheit nutzten.

    Der Auslöser für den Mordanschlag auf Dariusch F. liegt nach Erkenntnissen des Milieudezernats etwas mehr als zwei Jahre zurück. Am 15. Juni 2016 versuchte ein bis heute unbekannter Täter in ein Haus am Vielohweg in Schnelsen einzudringen. An der Terrassentür traf der maskierte Mann damals auf Lisa S., die er durch Schüsse lebensgefährlich verletzte. Dann feuerte er auf Arash R., der sich im Haus befand und ebenfalls schwer verletzt wurde. Kugeln hatten ihn an Hand und Hüfte getroffen. Der damals 25-Jährige ist Ex-Vizepräsident der in Hamburg mittlerweile aufgelösten Rockergruppierung Mongols, die mit den Hells Angels verfeindet sind. Wie tief die gegenseitige Geringschätzung war, zeigte ein Tattoo, das sich Arash R. hatte stechen lassen. Es lautete „Fuck the Hells Angels“.

    Bei der Polizei ging man sofort davon aus, dass die Tat einen „Rockerhintergrund“ hatte. Deswegen übernahm im Juni 2016 auch die Soko „Rocker“ den Fall. Doch den damaligen Täter, der nach den Schüssen geflohen war, konnte sie nicht ermitteln.

    Der Anschlag auf Dariusch F. und das von der Polizei ermittelte Motiv legen nahe, dass der Boss der „Höllen­engel“ nach Ansicht von Arash R. zumindest hinter der Tat steckte. Aber auch das ist bislang eine These. Die Rocker halten sich in der Regel an den Kodex, der besagt, nicht mit der Polizei zu kooperieren. Ob Lisa S. etwas in ihrer Vernehmung oder bei ihrer Befragung durch den Haftrichter sagte, wurde nicht bekannt. Die junge Frau gehört zum Rotlichtmilieu. Sie ist aber bislang nicht im Zusammenhang mit Straftaten als Beschuldigte aufgefallen. Sie habe, wie es ein Beamter formulierte, „auch keine Hafterfahrung“.

    Polizeisprecher Timo Zill fasst die Erkenntnisse so zusammen: „Abschließend lässt sich sagen, dass ein persönlicher Racheakt im Vordergrund stand. Erkenntnisse zu einer Auseinandersetzung zwischen konkurrierenden Rockergruppierungen liegen nicht vor.“ Und weiter: „Die Ermittlungen zum Tatschützen und zur endgültigen Aufklärung werden mit Hochdruck fortgeführt.“

    Für Arash R. beantragte die Staatsanwaltschaft einen sogenannten Überhanghaftbefehl. Das passiert, wenn ein Beschuldigter bereits in Haft oder Untersuchungshaft sitzt. Arash R. sitzt eine Haftstrafe ab, weil er eine heute 30 Jahre alte Ex-Freundin Anfang 2017 bepöbelt und bedroht hatte. Bei der Tat hatte er trotz Waffenverbots eine scharfe Schusswaffe bei sich. Außerdem wurden Drogen in seiner Wohnung gefunden. Dafür und für andere Straftaten wurde er zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilt. Das bedeutet, dass er bald entlassen worden wäre. Jetzt wird er möglicherweise weiter hinter Gittern bleiben müssen.