St. Pauli. Die Sanierung für 60 Millionen Euro dauerte länger als der Bau. Für das Konzert im Alten Elbtunnel werden Mitspieler gesucht.
Eines der markantesten maritimen Wahrzeichen Hamburgs präsentiert sich wieder von altvertrauter Seite: Mit historischer Detailliebe und handwerklicher Kunstfertigkeit wurde die vor 107 Jahren eingeweihte Oströhre des Alten Elbtunnels restauriert. In achteinhalb Jahren Bauzeit und mit einer Investition von 60 Millionen Euro gelang ein Meisterstück sorgsam kultivierter, denkmalgeschützter Stadtgeschichte.
Offiziell wird die 426,5 Meter lange und sechs Meter breite Verbindung zwischen Landungsbrücken und Steinwerder am 26. April von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) wiedereröffnet. Einen Monat später verwandelt sich das Bauwerk in eine unterirdische Bühne: Premiere für eine eigens zu diesem Anlass komponierte multimediale „Tunnelsymphonie“.
Das Orchester soll aus 144 Musikern und Sängern bestehen. 70 Norddeutsche, ausgestattet vor allem mit Blas- und Streichinstrumenten, werden gesucht, an diesem ungewöhnlichen Projekt rund 20 Meter unterhalb der Wasseroberfläche mitzuwirken. Arbeitsmotto: Klang bewegt.
Alter Elbtunnel: "Tunnel-Skelett" freigelegt
Das Resultat intensiver Instandsetzung im Auftrag der Hamburg Port Authority ist sehenswert. „Besonders die Wiederherstellung der Wandkacheln mit der originalen, aus sieben Tönen bestehenden Farbgebung war aufwendig“, sagt Kai Gerullis im Namen des Hafenbetreibers. Zudem wurden 1700 ringförmige Stahlträger, das „Tunnel-Skelett“, freigelegt, 200.000 Niet- und Schraubverbindungen erneuert, insgesamt 37 Kilometer Fugen abgedichtet.
Unter dem Strich dauerte diese Instandsetzung somit fast dreimal länger als der Bau. Zwischen Juli 1907 und September 1911 hatten 4400 Arbeiter einen architektonischen Meilenstein geschaffen. Der Senat ließ sich den Bau des Elbtunnels seinerzeit gut zehn Millionen Goldmark kosten.
Nach der Freigabe der Oströhre Ende April 2019 soll der Verkehr vorübergehend durch beide Röhren laufen – bevor am 2. Juni die Restaurierung der Weströhre in Angriff genommen wird. 40.000 Autos, mehr als 300.000 Radfahrer und etwa 1,1 Millionen Fußgänger nutzen das Tunnelsystem pro Jahr. Das quadratische Kuppelgebäude an den Landungsbrücken gehört zu den herausragenden Denkmälern des Hafens. Die darin enthaltenen Aufzüge transportieren Menschen und Fahrzeuge in wenigen Sekunden in 24 Meter Tiefe. Für Passanten ist dieses Vergnügen kostenfrei; Autofahrer müssen zwei Euro pro Passage bezahlen.
Die Lampen sind die neuen Hingucker
Wer den rund um die Uhr geöffneten Tunnel ab April zu Fuß durchquert, kann die nunmehr wiederhergestellten Details am besten bestaunen. Insgesamt 104 in Abstimmung mit dem Denkmalschutzamt angefertigte Lampen sind Hingucker vom Feinsten. Nicht minder gilt dies für 80 große Keramikplatten mit 14 unterschiedlichen Tiermotiven. Nach altem Vorbild wurden jene Arten ausgewählt, die vor einem guten Jahrhundert eine Rolle in Elbe und im Hafen spielten. Beispiele sind Schnecken, Muscheln, Krabben und Aale, aber auch Schweinswale und – besonders exotisch – Affen. Hergestellt wurden die Kunstwerke von einem Keramikfachbetrieb im Herzogtum Lauenburg.
Und weil die Note nicht nur optisch stimmen soll, arbeiten der Hafenbetreiber HPA und die Hochschule für Musik und Theater beim Projekt „Symphonie im St. Pauli Elbtunnel“ kreativ Hand in Hand. Die erste Probe ließ Vorfreude auf ein akustisches und optisches Spektakel keimen. „Wir wollen raus aus dem Konzertsaal und einen ungewöhnlichen Ort bespielen“, sagt der tonangebende Künstler Georg Hajdu beim Lokaltermin mit dem Abendblatt. Der Professor für Multimediale Komposition träumt seit seinem Umzug nach Hamburg 2002 von einer „Tunnelsymphonie“.
Dank finanzieller und organisatorischer Unterstützung des Bildungsministeriums in Berlin und des Hafenbetreibers HPA wird die Vision nun Realität.
Der Großteil des Orchesters entstammt der Hochschule sowie dem Konservatorium. Derweil James Cheung seine Bratsche und Dong Zhou sowie Talita Pichler ihre Geigen aus den Futteralen holen und zur Probe in großen Abständen an der Tunnelwand Position beziehen, entlockt Tam Thi Pham ihrem vietnamesischen Monochord erstaunliche Töne. Klang und Widerhall an diesem speziellen Ort faszinieren. „Es handelt sich um eine Klangreise, die durch den Tunnel wandert“, philosophiert Professor Hajdu. Neben ihm gehören Rama Gottfried und Jacob Sello zum Team der Komponisten und Medienkünstler.
Vier Aufführungen im Mai geplant
Bei den vier Aufführungen der „Tunnelsymphonie“ am 25. und 26. Mai (jeweils 16.30 und 18 Uhr) sollen die 144 Orchestermitglieder über beide Röhren verteilt werden. Jeder wird mit einem Tablet-Computer ausgerüstet – auch weil über 860 Meter nicht herkömmlich dirigiert werden kann. Das Zusammenspiel der zwölf Gruppen à zwölf Musiker wird von einem „intelligenten Dirigiersystem“ organisiert. Es besteht aus Tablet-PC und vernetzten Partituren. Jeder Musiker erhält also eine unabhängige Notenvorlage auf seinem Minimonitor.
„50 Mitwirkende sind in dieses einmalige Orchester eingeladen“, sagt Hajdu. „Wir suchen ambitionierte Amateurmusiker, aber auch Profis.“ Interessenten können sich per Mail an xiao.fu@hfmt-hamburg.de wenden. Es wird eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 50 Euro gezahlt. Proben gehören dazu. Karten sind ab dem 27. April zum Preis von 15 Euro (ermäßigt zehn Euro) zu haben. Das ist der Tag nach der feierlichen Wiedereröffnung des Elbtunnels.