Hamburg. Spielen ist Familiensache im Eppendorfer Spielwarenladen Lienau. Die Eltern übergeben das Geschäft nun an ihre Tochter.
Schlägt man den Katalog des Spielwarengeschäfts Lienau auf, dann liegt eigentlich alles vor einem: die schönsten Spielsachen wie hochwertige Holz-Traktoren, langlebige Kuscheltiere, Bausteine, Tretroller. Der zweite Blick offenbart: Die kleinen Models, die hier auf den Seiten mit Werkbank und Puppe spielen, sehen sich irgendwie ähnlich. Sehen nach Lienau aus. „Das sind alles unsere sechs Enkelkinder“, sagt Sybille Lienau stolz. „Es war zauberhaft zu sehen, wie sie beim Spielen für den Katalog fotografiert wurden, völlig ungestellt.“
Schon vor fünf Jahren entstanden die Bilder der Kinder ihrer und Jürgen Lienaus Töchter Johanne und Christine. Heute sind die abgebildeten Zwillinge Julia und Hannes zehn Jahre alt, Schwester Carla ist zwölf. Christines Töchter Elise und Emilie sind 14 und 13 Jahre alt, Sohn Friedrich ist 10. „Ich bin für jedes Enkelkind dankbar“, sagt Sybille Lienau, „heute, wo alle schon etwas größer sind und eigene Hobbys haben, spielen wir Gesellschaftsspiele oder gehen zum Minigolf nach Planten un Blomen.“
Aus der Konditorei in den Spielwarenladen
Und wegen drei der Enkel - also ihrer Kinder - ist Tochter Christine auch nachmittags meist nicht im Laden anzutreffen. Dann ist für die Dreifach-Mutter Familienzeit. Kein Hinderungsgrund jedoch für die 46-jährige Junior-Chefin, den gerade stattfindenden Generationenwechsel mit Leben zu füllen. „Telefonisch bin ich natürlich immer erreichbar“, sagt sie. Noch öffnet sie jeden Tag um 10 Uhr gemeinsam mit ihrer Mutter die Glastür des 90 Jahre alten Familienbetriebs „Spielwaren Lienau“ am Eppendorfer Baum 13.
Jedoch: Sybille und Jürgen Lienau, die das Geschäft Anfang der 1970er-Jahre von seinen Eltern übernahmen und es von einem Betrieb, der Schulen und Kindergärten in ganz Hamburg mit Bastel- und Lernmaterialien belieferte, zu einem für alle sichtbaren und zugänglichen Spielwarenladen machten, wollen sich etwas zurückziehen.
Drachenladen gehört ebenfalls den Lienaus
„Mein Mann kümmert sich noch um unser zweites Standbein, den Drachenladen Wolkenstürmer, und ich gebe gern mehr Zeit und Verantwortung an meine Tochter ab“, sagt Sybille Lienau. Sie sei sehr dankbar, dass das geliebte Geschäft in Familienhand bleibe. Ihre andere Tochter Johanne habe sich für das Management der eigenen Familie mit den drei Kindern entschieden, wohnt aber unweit in Eppendorf.
Für Großmutter Lienau bedeutet das weiterhin ein Alltag ohne Langeweile nach Ladenschluss: „Mich und Jürgen zieht es ja gar nicht in die Südsee oder so, mein Hobby, mein Leben und meine Freude, das ist meine Familie und dieses Geschäft“, sagt die Mitte-70-Jährige, die aus einer tüchtigen Hamburger Konditorenfamilie stammt. Sagt es so, dass das Glück über das erfüllte Berufsleben mit täglichem Kundenkontakt, besonderen Spielsachen und einem fröhlichen siebenköpfigen Mitarbeiterteam spürbar wird.
Schaufensterdekoration als Ereignis
Deshalb bleibt die engagierte Frau mit dem halblangen hellen Haar und rotem Lippenstift den einkaufenden Eppendorfern vorerst weiterhin vormittags erhalten. „Nur krabble ich heute nicht mehr ins Schaufenster zum Dekorieren, sondern reiche an, wenn meine Tochter das macht“, sagt sie.
Einmal im Monat nämlich werden die drei großen Fenster komplett umgestaltet – ein kleines Ereignis. „Ich denke mir gerne neue Themenwelten aus“, sagt die studierte Grafikerin Christine Lienau. „Die setze ich dann um. Es ist ganz wichtig, beispielsweise auch mal ein Spiel aufgebaut zu sehen.“ Und so entstehen in Eigenregie fast schon kleine Bühnenbilder: Seilbahnen fahren durchs Fenster, ein Zirkuszelt wölbt sich mit Handpuppen und Stofftieren, zum Thema Zauberei gibt es Lernkästen, Zauberhüte und Verkleidungen und immer ist dieses schier unkaputtbare Holzspielzeug zu sehen. „Das ist wie in den letzten drei Jahrzehnten weiterhin unser Schwerpunkt“, sagt Christine Lienau, „auch mit dem langsamen Rückzug meiner Eltern möchte ich inhaltlich nichts verändern.“
Verzicht auf Lego und Playmobil
Das betont sie mehrfach, ihr ist es wichtig, dass ihr Alleinstellungsmerkmal – die Konstanz – erhalten bleibt. „Wir stehen zu 100 Prozent hinter den klassischen Spielsachen, die wir verkaufen.“ Grundsätzlich sind das wertige Gegenstände, die „oft von Generationen bespielt werden“ – seien es Kaufläden, Schaukelpferde, Bauklotz-Kästen oder Puppenhäuser. Auf die Dauerbrenner Lego, Playmobil, Barbie und Duplo verzichten sie konsequent - der Platz sei begrenzt und die Marken in den umliegenden Spielwarenläden gut zu bekommen. Und es geht auch ohne. Das Altbewährte, das sei Lienau. „Deshalb ist unser Katalog mit den Enkelkindern – bis auf ein paar Seiten, die mal ausgetauscht werden – immer aktuell,“ sagt Sybille Lienau und lacht.
Der Platzmangel und die steigende Kundennachfrage war Grund dafür, dass Christine Lienau vor zwei Jahren „Happy Day Lienau“ um die Ecke in der Hochallee 128 eröffnete: Hier gibt es fast ausschließlich Geburtstagsartikel, von Tellern über Dinge zum Mitgeben, Ballons, Süßigkeiten, Servietten, Kerzen oder Geburtstagszüge. Eppendorfer Mütter decken sich hier mit den neusten Raffinessen für den großen Tag des Kindes ein. „Der Name und die Produkte stehen einfach für eine große Spanne an Glück“, sagt Christine Lienau.
Kundenberatung wird großgeschrieben
Nahezu glückselig wirken die Lienaus, wenn sie von ihren Kunden erzählen: „Es ist für uns das schönste Gefühl, wenn wir die Rückmeldung bekommen, dass eine Empfehlung von uns zu genau dem richtigen Geschenk geführt hat und ein Kind sich freuen konnte.“ Denn: Ein komplett ausgestatteter Kaufmannsladen für Zweijährige mache eben noch keinen Sinn. „Als Mutter räumt man da einfach nur dauerhaft die rausgeschmissenen Sachen auf und baut ihn vielleicht genervt ein Jahr später ab, wenn das Kind erst so weit wäre, im Rollenspiel zu versinken“, sagt die Dreifach-Mutter aus eigener Erfahrung mit einem Augenzwinkern.
Als Mädchen schrieben ihre Schwester und sie übrigens auch ellenlange Wunschlisten. „Eines unserer Lieblingsspielzeuge waren die Holzbausteine, daraus haben wir so viel gebaut.“ Kein Wunder, dass sie diese Klassiker selbst mit größter Freude verkauft.