Hamburg. Hamburger Familienunternehmen wächst kräftig und setzt mit Spielzeug erstmals mehr als zehn Millionen Euro um.
Nils Hartfelder müht sich mit dem Playmobil-Mann ab. Der 30-Jährige steht in seinem Geschäft am Tibarg auf einer Leiter, räumt Ware auf einem Regal zur Seite und hievt die kindshohe Figur nach unten. Eine Kundin kommt zu ihm und fragt ihn nach einem Spiel. Er führt sie zum gesuchten Produkt. „Ich möchte selber im Verkauf stehen und sehen, was die Kunden wollen“, sagt Hartfelder und posiert mit dem Playmobil-Bauarbeiter für den Abendblatt-Fotografen: „Wir wollen dicht am Kunden sein.“
Dass er einmal in seinem eigenen Spielzeugladen stehen wird, damit hatte der studierte Betriebswirt eigentlich nicht gerechnet – obwohl er quasi in der Branche geboren wurde. Seine Eltern führten mehr als drei Jahrzehnte lang am Bramfelder Dorfplatz ein Fachgeschäft. Der Junior sah, wie sie sich täglich abrackern mussten, und wollte daher nicht in ihre Fußstapfen treten. Als er zusammen mit seiner Freundin Julia half, den Laden zu modernisieren, wurde seine Lust aufs Spielzeug geweckt. 2010 machte das Pärchen, das heute verheiratet ist und mit Milla (4) und Ida (elf Monate) zwei Mädchen hat, im Tibarg-Center das erste Geschäft auf.
70 Quadratmeter waren es damals, heute sind es nach mehreren Erweiterungen 450. Aus einem Standort wurden sieben mit zusammen 2850 Quadratmetern. Im August 2018 eröffnete die Filiale im Mercado in Ottensen. Im Oktober machte er Stein auf Stein in der Bramfelder Marktplatzgalerie auf. In dem Laden gibt es ausschließlich neue Lego-Produkte. Beide Geschäfte liefen bisher hervorragend an, sagt Hartfelder und freut sich, mit seinem Unternehmen einen Rekord erzielt zu haben: „Im Jahr 2018 haben wir erstmals die Marke von zehn Millionen Euro Umsatz geknackt.“
Händler bauen eigene Onlineshops
Die Hamburger Firma wächst in schwierigen Zeiten. Die Erlöse in der Bundesrepublik stagnierten 2017 bei 3,1 Milliarden Euro. Für 2018 erwartet der Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels immerhin einen leichten Zuwachs, auf bis zu 3,2 Milliarden Euro. Stationäre Fachgeschäfte büßten Marktanteile ein. Während 2014 noch 37 Prozent der Deutschen dort Spielzeug kauften, waren es 2018 nur 30 Prozent. Im Gegenzug wuchs – wie überall im Handel – ein Vertriebsweg kräftig. „Das Internet ist unser größter Konkurrent“, sagt Hartfelder. Wurde 2014 etwas mehr als jedes vierte Spielzeug online gekauft, waren es 2018 zwei von fünf Spielzeugen – plus 42 Prozent.
Viele Händler versuchen, auf diesen Zug aufzuspringen und bauen eigene Onlineshops auf. Hartfelder will diesen Weg zumindest zurzeit nicht gehen: „Wir wollen uns auf einen Kanal konzentrieren und das richtig machen. Pakete packen und Retouren erhalten – das macht keinen Spaß.“ Das Einkaufen solle ein Erlebnis für die Kinder sein. Das versuchen er und seine 70 Mitarbeiter in Teil- und Vollzeit rüberzubringen. Die Beratung von Groß und Klein stehe im Vordergrund. Die Internetpreise muss er trotzdem im Kopf haben. Er versucht, maximal zehn Prozent über dem Onlinepreis zu liegen.
Einige Wettbewerber seien der Meinung verfallen, dass sie mit den Internetangeboten mithalten müssen und seien in einen ruinösen Preiskampf eingestiegen. So habe die Kette BR immer mal wieder an Tagen mit 20 Prozent Rabatt gelockt. Im Alstertal Einkaufszentrum (AEZ) liegt das Geschäft nahe dem von Hartfelder. Umsatzeinbußen in seinem Geschäft habe er bei solchen Aktionen nicht festgestellt, sagt Hartfelder. Im Dezember meldete BR-Spielwaren schließlich Insolvenz an. Allein in Hamburg unterhält die deutsche Tochter des dänischen Top-Toy-Konzerns zehn Standorte.
Großes Sortiment
Top-Toy beantragte in Dänemark ein Restrukturierungsverfahren. Teil des Konzepts ist der Rückzug aus dem deutschen Markt. Viele Kunden eines anderen Spielzeuggeschäfts müssen sich ebenfalls umstellen. Alle Toys-“R“-Us-Geschäfte in Deutschland werden bis Ende März zu Smyths Toys Superstores umgeflaggt. Der US-Mutterkonzern rutschte 2018 in die Insolvenz. Das Geschäft hierzulande, in Österreich und der Schweiz (DACH-Region) wurde an die irische Kette Smyths Toys verkauft.
Internetund Ketten trotzt Hartfelder mit einem großen Sortiment. Insgesamt 100.000 Artikel gebe es in den sieben Geschäften. Wenn etwas in einer Filiale nicht vorrätig ist, wird es – wenn möglich – aus einer anderen Hamburger Filiale organisiert. Einen Tag später müsse es da sein, sonst flüchten die Kunden zum Einkauf per Mausklick. In jedem Geschäft gibt es unterschiedliche Schwerpunkte. Im AEZ gingen hochwertige Artikel sehr gut, in der Bramfelder Marktplatzgalerie eher das Niedrigpreissegment. Im Mercado in Ottensen sind alternativ angehauchte Spielwaren gefragt, in dem mit 900 Quadratmetern größten Laden in Bergedorf laufe das Lizenzgeschäft am besten.
Ein Warenwirtschaftssystem, wie es in großen Unternehmen üblich ist, gibt es nicht. „Ich möchte nicht Besitzer einer Kette sein. Wir wollen individuell und familiär bleiben. Das ist unsere große Stärke“, sagt Hartfelder. Die Mitarbeiter in den Filialen vor Ort entscheiden, welche Produkte sie bestellen. Schließlich kennen sie ihre Kunden am besten, auch wenn der Chef jede Filiale einmal pro Woche besucht.
Terminkalender ist randvoll
Die Vorauswahl trifft aber Hartfelder selbst. In diesem Tagen stellt er die Weichen für ein erfolgreiches Geschäftsjahr. Er reist nach Nürnberg und ist von heute bis Sonntag an allen fünf Tagen auf der Spielwarenmesse. Der Terminkalender ist randvoll. Gespräche mit bestehenden und potenziellen Kunden stehen an. Dann wird über neue Produkte, Preise und Mengen geredet. „Spielzeug ist sehr kurzlebig, die Produkte wechseln ständig“, sagt er. Nach den Verhandlungen weiß er Anfang Februar, welche Kosten in etwa auf ihn in diesem Jahr zukommen. Wie es bei den Einnahmen aussieht, ist aber erst zum Jahresende klar. Im vierten Quartal mit dem traditionell starken Weihnachtsgeschäft macht das Unternehmen so viel Umsatz wie in den vorangegangenen neun Monaten. Zu der Gewinnsituation sagt er: „Uns geht es gut.“
Ob er bald weitere Geschäfte eröffnet, sei offen. Nach dem BR-Rückzug könnte es Angebote von einigen Centermanagern geben, vermutet Hartfelder: „Wir haben nie etwas geplant, sondern uns hat immer etwas angesprungen.“