Hamburg. Flugzeugbauer muss Shuttleverkehr zwischen Hamburg und Toulouse einstellen. Und ein Auftrag über 25 Maschinen fällt weg.
In Hamburg spielte Germania lange Zeit eine besondere Rolle. Das Berliner Unternehmen war die einzige Airline, die in der Hansestadt regelmäßig zu beiden Flughäfen flog. Für Airbus machte sie von Finkenwerder aus den Werksshuttle. Vom Flughafen in Fuhlsbüttel flog sie Passagiere zu Touristenzielen. Damit ist es nun vorbei. In der Nacht zu Dienstag teilte die deutsche Fluggesellschaft mit, dass sie beim Amtsgericht Berlin Insolvenz beantragt hat. Der Flugverkehr sei mit sofortiger Wirkung eingestellt worden. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zum Aus für Germania.
Welche Ziele fliegt Germania vom Flughafen in Fuhlsbüttel aus an?
In diesem Winter standen vom Helmut-Schmidt-Flughafen aus sieben Ziele im Flugplan: Beirut (Libanon), Tel Aviv (Israel) und Funchal auf Madeira (Portugal) wurden bisher zweimal pro Woche angeflogen und Paphos (Zypern) ein- bis zweimal. Je einmal in der Woche ging es bisher nach Hurghada und Sharm-El-Sheik (beide Ägypten) sowie auf die Kanaren-Insel La Palma (Spanien). Das macht bis zu elf Abflüge/Ankünfte pro Woche, die jetzt wegfallen.
Wie sollten sich Germania-Fluggäste jetzt verhalten?
Für die nächsten zwei Wochen hatten insgesamt 60.000 Passagiere bei Germania gebucht. Fluggäste, die über einen Veranstalter oder ein Reisebüro eine Pauschalreise gebucht haben, müssen sich wenig Sorgen machen: Der Reiseveranstalter muss jetzt für eine Ersatzbeförderung sorgen, so die Verbraucherzentrale Berlin. Davon dürfte der Großteil der Germania-Flugreisenden betroffen sein. „Germania war ein Leistungsträger für die Reiseveranstalter, weniger für Individualreisende“, sagte Reiserechtsberaterin Eva Klaar. Die Veranstalter haben bereits alle Hebel in Bewegung gesetzt und versucht, gestrandete Passagiere auf andere Airlines umzubuchen. Im Einzelfall kann sich der Reiseablauf deswegen verändern.
Schlechte Karten haben hingegen Passagiere, die Flugtickets direkt bei Germania gekauft haben. Urlauber müssen sich jetzt selber um einen Ersatzflug bemühen und auch die Kosten dafür tragen, sagte Klaar. Rechnungen sollten in jedem Fall gut aufgehoben worden. Dann könnten die Forderungen im Insolvenzverfahren angemeldet werden. Große Hoffnungen, Geld zurückzubekommen, macht die Verbraucherzentrale den Passagieren aber nicht. Generell kommen Kunden einer Fluglinie unter den Gläubigern im Insolvenzverfahren eher spät zum Zug. „Es ist also fraglich, ob und wie viel Sie zurückbekommen und wie lange das dauert“, sagte Klaar. Kunden von Air Berlin und Niki, die im August 2017 Insolvenz anmelden mussten, warten bis heute auf die Rückerstattung ihrer Flugkosten.
Warum sind Flugreisende nicht besser vor Insolvenzen geschützt?
Solche Forderungen gibt es immer wieder. Bisher sind Anregungen von Verbraucherschützern aber verpufft. Ralf Hieke, Vizepräsident des Deutschen Reise Verbands, versuchte erneut einen Vorstoß: „Wir brauchen endlich eine wettbewerbsneutrale Insolvenzabsicherung für Fluggesellschaften. Nur so erhalten Reisende mehr Sicherheit.“
Wie reagierten andere Airlines?
Zahlreiche Airlines kündigten an, gestrandete Germania-Passagiere zu Sonderkonditionen nach Hause zu befördern. Urlauber im Ausland sollen sich dafür direkt an die Fluglinien wenden. Die Lufthansa-Billigtochter Eurowings bietet Germania-Kunden 50 Prozent Rabatt auf den Flugpreis an. Germania-Kunden sollten dafür die Buchungsbestätigung ihres ausgefallenen Fluges von einem ausländischen Abflughafen zu einem Zielflughafen in Deutschland per E-Mail einreichen. Das Angebot gilt bis Ende Februar. Auch die irische Billigfluglinie Ryanair bietet spezielle Tarife für Germania-Kunden an. Sonderpreise ab 9,99 Euro pro Flug gebe es ab Tegel und Schönefeld in Berlin sowie ab Hamburg auf 18 Strecken. Ähnliche Angebote machte auch die Ryanair-Tochter Laudamotion. Auch Sunexpress hilft Germania-Kunden. Aktuell biete die Gesellschaft den Gästen, die derzeit an anatolischen Zielorten auf einen Rückflug warten, eine Umbuchungsmöglichkeit ihrer Tickets für 98,99 Euro an, hieß es.
Was passiert mit den Mitarbeitern?
Germania hatte nach der Air-Berlin-Insolvenz versucht, Marktanteile hinzuzugewinnen. Nicht nur die Zahl der Flugzeuge, die für Germania unterwegs waren, auch die Anzahl der Beschäftigten war dafür gewachsen. Zuletzt waren für Germania 1678 Mitarbeiter tätig. Branchenexperten gehen davon aus, dass Germania nach der Einstellung des Flugbetriebs kaum Chancen hat, als eigenständige Airline zu überleben. Vielen Mitarbeitern bleibt nur der Wechsel des Arbeitsplatzes. Für das fliegende Personal sind die Chancen dafür nach wie vor gut. Konkurrenten wie Easyjet oder Eurowings suchen Personal. Auch für Verwaltungsmitarbeiter bietet der Berliner Arbeitsmarkt gute Auffangmöglichkeiten. Eine Transfergesellschaft für Germania-Beschäftigte, wie es sie nach der Pleite auch für einen Teil der Air-Berlin-Belegschaft gab, schloss der Berliner Senat aus.
Wie geht es jetzt weiter?
Der Rechtsanwalt Rüdiger Wienberg hat bei Germania als zuständiger Insolvenzverwalter nun das Sagen. Er wird zunächst den Zustand der einzelnen Gesellschaften unter die Lupe nehmen. Nur die Germania Fluggesellschaft mbH und ihr Schwesterunternehmen für technische Dienstleistungen, die Germania Technik Brandenburg GmbH, sowie die Germania Flugdienste GmbH haben Insolvenz angemeldet. Nicht betroffen sind nach Angaben des Unternehmens die Schweizer Germania Flug AG und die Bulgarian Eagle. Wienberg wird versuchen, Teile der insolventen Gesellschaften zu veräußern. Das dürfte allerdings schwierig werden. Die betroffenen Firmen besäßen kaum verwertbare Vermögenswerte, hieß es in Insolvenzverwalterkreisen. Eigene Flugzeuge hatte Germania nicht mehr. Zuletzt hatte die Airline die Maschinen von unterschiedlichen Anbietern geleast.
Inwiefern ist Airbus betroffen?
Germania übernahm seit Jahren für den Flugzeugbauer den Werksshuttle zwischen den beiden großen Standorten Hamburg und Toulouse. Von Montag bis Freitag startete jeweils morgens und abends an der Elbe eine Maschine in Richtung der südfranzösischen Stadt – und andersherum. Es sind also vier Verbindungen täglich betroffen. Eingesetzt wurde bisher ein A319 mit rund 150 Sitzplätzen. „Im Moment sind die Charterflüge ausgesetzt“, sagte ein Airbus-Sprecher. „Wir sind in Gesprächen mit anderen Airlines, um so schnell wie möglich wieder Charterflüge anzubieten.“ Die Airbus-Mitarbeiter müssen auf Linienflüge ausweichen und Umsteigeverbindungen über ein Drehkreuz wählen. Zwar verfügt der Flugzeugbauer über eigene Piloten, und es stehen auf dem Werksgelände einige frisch fertig gestellte Maschinen – sie können aber nicht kurzfristig für den Werksshuttle eingesetzt werden. „Die Maschinen gehören dem Kunden“, so der Sprecher.
Die Germania-Insolvenz trifft den MDAX-Konzern aber auch noch in anderer Hinsicht. Die Fluglinie stellte gerade die Flotte von einem Boeing-Airbus-Mix auf ausschließlich Airbus-Maschinen um. Auf der Luftfahrtmesse in Farnborough 2016 bestellte die Fluglinie 25 Exemplare vom Typ A320neo fest und sicherte sich eine Option auf 15 weitere Stück. Die Flugzeuge des Milliardenauftrags sollten ab Anfang 2020 ausgeliefert werden – die Order ist jetzt wohl passé. Teile für diese Maschinen seien noch nicht hergestellt worden, so der Airbus-Sprecher. Bei einer Produktionszeit pro Maschine von etwa sechs Wochen liegt das nahe. Ein großes Loch ins Auftragsbuch reißt die Insolvenz nicht. Allein für die A320-Familie gibt es noch Bestellungen für rund 6500 Maschinen. „Das Orderbuch flexibel zu managen, ist nichts Neues für uns“, sagte der Sprecher. Als wahrscheinlich wird angenommen, dass andere Fluglinien froh über einen früheren Bauslot sind.