Hamburg. Wer bei Eurowings mit Stefan Sieweke unterwegs ist, hat viel zu lachen. Er war auch schon Nebendarsteller in Filmen und Werbespots.
Damit hatte der ältere Herr ganz hinten im Flieger sicher nicht gerechnet, als er bereits kurz nach der Landung wie selbstverständlich aufstand und begann, sich anzuziehen. „Wer zuerst aufsteht, hat verloren“, klang es nämlich plötzlich aus dem Bordmikrofon. Reflexartig setzte er sich sofort wieder hin und blieb nun auch wirklich so lange sitzen, bis das Flugzeug seine endgültige Parkposition erreicht hatte.
Derartige Szenen spielen sich nicht selten ab, wenn die Menschen mit Stefan Sieweke fliegen. Denn der Hamburger ist der vermutlich lustigste Flugbegleiter, den das Unternehmen Eurowings derzeit zu bieten hat. Zumindest ist er einer der außergewöhnlichsten. Und das beginnt bereits mit der Begrüßung an Bord. Da werden durch das Mikrofon nicht die immer gleichen Worthülsen gesprochen. Sieweke stellt sein gesamtes Team mit Namen vor.
„Das ist für mich einfach eine Frage des Respekts, der Wertschätzung den Menschen gegenüber, mit denen ich zusammenarbeite“, sagt er. Nach einem langen Tag heißt es dann aber auch schon mal: „Darf ich Ihnen nun meine Kollegen vorstellen, die auch auf dem vierten Flug so motiviert sind wie zu Beginn unseres Arbeitstages.“ Dazu bekommen viele Gäste den einen oder anderen persönlichen Satz bei seinem Weg durch die Gänge.
Sieweke nutzt die Freiheiten
„So macht doch die Arbeit gleich viel mehr Spaß.“ Und man habe einen direkten persönlichen Zugang zu vielen Mitreisenden. „Es nimmt diese Anonymität, die oft bei Kurzstreckenflügen herrscht.“ Und das könne in kleinen oder größeren Notsituationen dann sogar ein echter Vorteil sein. Eins ist Sieweke aber wichtig. „Ich mache nicht den Kasper“, sagt er. Es gebe ja immer wieder Videos von Flugbegleitern, die eine irre Show an Bord der Maschine abhalten würden. „Das mache ich nicht. Das dürfte ich übrigens auch gar nicht.“ Es gebe genaue Bestimmungen, wie was zu welchem Zeitpunkt angesagt werden müsse. „Und daran halte ich mich auch.“ Er nutze nur die kleinen Freiheiten hier und da, um die Zeit an Bord es für sein Team und die Fluggäste so angenehm wie möglich zu machen.
Sieweke hat dabei so einige Sprüche, die er immer wieder gern bringt. Zu den Klassikern gehört bei Verspätungen: „Liebe Gäste. Der Abflug wird sich noch um einige Minuten verspäten. Das ist unsere gemeinsame Zeit, genießen Sie die. Denn die kann uns keiner nehmen.“ Oder bei einer Landung in der verregneten Hansestadt: Herzlich willkommen im immer sonnigen Hamburg.“ Auch wenn der Flieger mal gar zu lange über dem Flughafen kreisen muss, fällt Sieweke etwas ein: „Herzlich willkommen in Palma“, habe er da schon in das Mikrofon gesagt. Und die aufgeschreckten Gäste aber auch sofort wieder beruhigt. „Nein, liebe Fluggäste, natürlich sind wir gerade ganz planmäßig in Salzburg gelandet. Aber bei der Flugzeit hätten wir auch schon in Palma sein können.“ Und dann gibt es immer wieder die spontanen Ideen. Späße mit Kindern („Familien sind mir die liebsten Gäste“). Oder Kommentare beim Ausschenken der Getränke. „Was möchten Sie trinken?“, fragte er erst vor Kurzem einen Gast. Und als der gleich zwei Getränke bestellte, antwortete Sieweke spontan. „Wie, Sie erwarten noch Gäste?“ „Wir wollen doch alle ein bisschen Spaß haben“, sagt er. Und das bei jedem Flug.
Schauspielerei hat ihn nicht glücklich gemacht
Dabei ist der 39-Jährige eher auf Umwegen zum Fliegen gekommen. Geboren wurde er in Kranenburg am Niederrhein. Das Fliegen gehörte in jungen Jahren allerdings nie zu den großen Leidenschaften von Sieweke. „Nein, Pilot wollte ich ganz sicher nicht werden“, sagt er. „Den ganzen Tag nur aus dem Fenster gucken, das wäre mir viel zu langweilig.“ Schon früh habe er allerdings heimlich für die Schauspielerei geschwärmt. „Also habe ich, ganz klar, nach der Schule erst einmal eine Ausbildung zum Bauzeichner begonnen.“ Schließlich galt die Schauspielerei ja als brotlose Kunst. Losgelassen habe ihn der Traum allerdings nie so richtig. Also gab er das Experiment ordentlicher Beruf bereits nach kurzer Zeit auf und zog nach Berlin, um dort eine Schauspielschule zu besuchen. Doch damit nicht genug.
Der junge Mann stieg schon während dieser Jahre Stück für Stück ins Geschäft ein. Arbeitete an verschiedenen Theatern, wirkte bei Filmen mit und drehte Werbespots. Welche genau, das mag er im Gespräch nicht so sagen. Im Internet finden sich allerdings Einträge zu Fernsehfilmen wie „Opa, ledig, jung“. Oder „Klinik Alex“. Auch in Kinofilmen wie „Das wilde Leben“ hat Sieweke als Schauspieler mitgewirkt. Allerdings immer nur in Nebenrollen. „Das war eine unbefriedigende Zeit“, sagt er heute. „Ich konnte dank der verschiedenen Engagements schon irgendwie davon leben, aber wirklich glücklich hat es mich nicht gemacht.“
Die Wende brachte eine gute Freundin, die für Lufthansa in München als Flugbegleiterin arbeitete. „Das wär doch was für dich“, habe sie eines Tages gesagt. Schließlich bringe er einige Tugenden, die für den Job wichtig seien, bereits mit. Disziplin, Ausdauer, und die Bereitschaft, immer wieder mit der gleichen Begeisterung Dinge zu tun. Sieweke zögerte nicht lange und bewarb sich bei der Lufthansa.
„Eigentlich war mein Plan, in Zeiten, in denen ich keine Engagements habe, zu fliegen“, so der Hamburger. Das habe allerdings nur in der Theorie gepasst. „In der Praxis bist du gerade in der Luft auf dem Weg nach Mallorca, wenn dich deine Agentur anruft und am nächsten Morgen zu einem Casting nach München beordern will.“ Also habe er schnell gemerkt, beides geht nicht. „Interessanterweise habe ich mich in diesem Moment ohne jegliche Zweifel für das Fliegen entschieden.“
Tolle Dynamik bei Eurowings
Sieweke wechselte 2014 nach Hamburg zu Eurowings, wurde Purser, also der Chef der Kabinenbesatzung. Hier will er am liebsten nie wieder weg, wie er sagt. „Das war schon nach einem halben Jahr klar. Hier bleibe ich.“ Er liebe die Stadt, die Menschen und seine Kollegen. „Alles hat so eine angenehme Größe.“ Sei so überschaubar. Auch das Flugbegleiter-Team an der Basis hier. „Das ist eine ganz tolle Dynamik.“
Sieweke wohnt in Hamm. Hier hat er Freunde. Hier hat er sich vor einem Jahr verlobt. Hier ist er jetzt zu Hause. Die Schauspielerei vermisst er nicht. „Ich habe ja meine Bühne. Sogar mit einem Vorhang.“ Und jeden Tag wieder glückliche Zuschauer, die nach einem entspannten Flug sich bei ihm für die unterhaltsamen Stunden bedanken würden. „Was will ich mehr.“