Hamburg. Am Montag waren 50.000 Passagiere betroffen. Im Tarifstreit wollen die Gewerkschaften 275 Euro mehr für das Bodenpersonal.

„Wo bleibt die Wertschätzung, wenn uns null Euro angeboten werden?“ So dröhnte es, untermalt von schrillen Trillerpfeifentönen, am Morgen vor dem Verwaltungsgebäude des Hamburger Flughafens aus dem Lautsprecher des Demonstrationszuges von rund 200 Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste des Airports.

Ihr Warnstreik, mit dem sie deutlich höhere Löhne durchsetzen wollen, hat am Montag den Flugbetrieb in Fuhlsbüttel massiv beeinträchtigt. Rund 220 der geplanten 388 Flüge mussten ausfallen, von 15.30 Uhr an waren keine Landungen mehr möglich. Denn für die Beladung der Flugzeuge mit Koffern, für Busfahrten zu Vorfeld-Außenpositionen und für Schleppfahrzeuge, die Jets von den Terminals zurückschieben, gab es nur eine Notbesetzung. Weil spätabends keine Maschinen landeten, die am Morgen abheben könnten, fallen auch noch am Dienstagmorgen zehn Abflüge aus. Der Flugbetrieb soll sich aber im Lauf des Tages wieder normalisieren.

Flug gestrichen? Hier finden Sie Ihre Airline

Lufthansa

  • Eurowings
  • Easyjet
  • Condor
  • Emirates
  • Turkish Airlines

  • Streikbereitschaft "so groß wie nie"

    Drinnen im Terminal steht etwas ratlos eine kleine Gruppe von schwedischen Senioren, die es doppelt traf: Sie wollten eigentlich schon am Sonntag nach Stockholm zurück, doch ihr Flug war wegen starken Schneefalls dort ausgefallen. Am Montag waren sie Leidtragende des Warnstreiks: Der Stockholm-Flug mit SAS wurde abgesagt, ebenso die Mittags- und Nachmittagsverbindung nach Kopenhagen, die eine Umsteigemöglichkeit geboten hätte.

    Noch keine drei Wochen ist es her, dass wegen eines 24-stündigen Warnstreiks des Sicherheitspersonals in Hamburg mehr als 200 Flüge ausfielen. Diesmal hat die Gewerkschaft Ver.di fast 1000 Beschäftigte der Bodenverkehrsdienste zu einem ebenfalls ganztägigen Ausstand aufgerufen – und abermals werden kräftige Lohnerhöhungen gefordert. „So groß war die Streikbereitschaft noch nie“, sagt Irene Hatzidimou, Verhandlungsführerin von Ver.di Hamburg.

    Verdi will 275 Euro mehr für alle

    Das Angebot der Arbeitgeber nach zwei Gesprächsrunden im Dezember und im Januar sehe für eine Minderheit der Mitarbeiter Tariferhöhungen von 0,8 bis 3,0 Prozent und für die Mehrheit überhaupt keine Gehaltssteigerung vor. „Über ein solches Angebot kann man nicht einfach weiterverhandeln“, so Hatzidimou. Nach den Vorstellungen von Ver.di soll es eine monatliche Tariferhöhung von 275 Euro für alle geben.

    Aktuell liegt der Einstiegslohn der Gewerkschaft zufolge bei 10,76 Euro pro Stunde – und damit deutlich unter dem für 2020 zugesagten städtischen Mindestlohn von zwölf Euro. Er ist auf die Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste anwendbar, denn die Arbeitgeber sind Tochterfirmen des Flughafens, der zu 51 Prozent der Hansestadt Hamburg gehört. „Dieser Mindestlohn wird dann aber nicht automatisch gezahlt, er muss tariflich verhandelt werden“, sagt die Ver.di-Gewerkschaftssekretärin.

    Beim Flughafen hingegen sieht man die Einkommenssituation des unter anderem für die Reinigung und Entladung der Jets zuständigen Personals ganz anders. „Mit den 10,76 Euro pro Stunde geht niemand nach Hause“, sagt Hamburg-Airport-Sprecherin Janet Niemeyer: „Es kommen verschiedene Zuschläge hinzu, sodass selbst aus dem Einstiegslohn meist schon rund zwölf Euro effektiv gezahlter Lohn werden.“

    Arbeitgeber: Warnstreik ist maßlos

    Und während Ver.di darauf verweist, dass der Hamburger Flughafen „in den vergangenen Jahren regelmäßig Gewinne über 40 Millionen Euro erwirtschaftet“ hat, sieht man auch dies auf der Arbeitgeberseite ganz anders. Die Tochterfirma HAM Ground Handling sei „schon jetzt wirtschaftlich nicht rentabel“, sagt deren Geschäftsführer Christian Noack.

    Die von Ver.di geforderte Lohnerhöhung um bis zu 30 Prozent würde den „wirtschaftlichen Ruin“ des Unternehmens bedeuten, sie gefährde alle Arbeitsplätze dort massiv, so Noack. Schließlich wollten die Fluggesellschaften für die Bodenabfertigung immer weniger zahlen. Bereits bei der vergangenen Tarifrunde im Februar 2017 sei vereinbart worden, dass vor allem die Einsteiger bis zu 16 Prozent mehr Lohn erhalten. „Man kann in diesem Anlernberuf auf dem Vorfeld genauso viel verdienen wie ein ausgebildeter Elektriker oder Installateur“, ergänzt Noack.

    Er bezeichnet den Warnstreik als „zum jetzigen Stand der Tarifverhandlungen völlig überzogen und maßlos“. Denn die Arbeitgeber hätten für die nächste Verhandlungsrunde am Freitag bereits ein „überarbeitetes Angebot zugesagt“. Ver.di erwartet zu dem Termin ein „verhandlungsfähiges Angebot, das dem von der Hamburgischen Bürgerschaft beschlossenen Mindestlohn in Höhe von zwölf Euro entspricht.“

    Weitere Streiks drohen

    Gleichzeitig warb die Gewerkschaft „um Verständnis bei den von Flugausfällen und Verspätungen betroffenen Reisenden“ – nach Schätzung des Flughafens waren das bis zu 50.000 Passagiere. Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbands ADV, warf Ver.di dagegen vor, die eigenen Interessen auf dem Rücken der Reisenden auszutragen. „Besonders scharf zu verurteilen ist die Kurzfristigkeit des angekündigten Streiks“, sagte Beisel. „Einen ganztägigen Warnstreik weniger als zwölf Stunden vorher anzumelden, ist eine Zumutung und zeugt von einem unseriösen Vorgehen.“ Das „rücksichtslose Vorgehen“ von Ver.di zerstöre die Verhandlungsbasis.

    Selbst wenn der Konflikt in Hamburg am Freitag gelöst werden sollte, könnten aber schon in wenigen Monaten die nächsten Streiks im deutschen Luftverkehr anstehen: Am 30. Juni, also ausgerechnet zu Beginn der Hauptreisezeit, läuft die Friedenspflicht bei den Lufthansa-Flugbegleitern aus. Auch sie sind, wie sie vielfach bewiesen haben, durchaus streikfreudig.