Hamburg. Heribert Leutner, ehemals Projektleiter beim Bau der Elbphilharmonie, findet einige Forderungen ungewöhnlich.
Steht der geplante, 244 Meter hohe Elbtower wegen neuer Auflagen „vor dem Aus“, wie die Linkspartei unkt? Gibt es tatsächlich „erhebliche Risiken bei diesem Mega-Projekt“, wie der SPD-Abgeordnete Markus Schreiber sagte? Oder haben die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen mit ihren im Haushaltsausschuss beschlossenen Zusatzforderungen eigentlich nur ein paar Vereinbarungen mit dem Bauherrn, der Firma Signa Prime Selection des österreichischen Karstadt-Eigners René Benko, präzisiert? Ist das also „total üblich“, wie Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) sagte?
Das Abendblatt hat dazu einen Experten befragt, der sich in der Hamburger Baubranche ebenso auskennt wie im Zusammenspiel von Investoren, Behörden und Politik: Heribert Leutner, der auf Seiten der Stadt viele Jahre Projektleiter beim Bau der Elbphilharmonie war. Heute ist der gelernte Architekt als Projektberater tätig. Nach Lektüre der rot-grünen Forderungen kommt er zu dem Schluss: „Ich habe den Eindruck, dass sich die Politik Gedanken zu Themen macht, die von einem privaten Bauherren ohnehin sorgfältig beachtet werden, allein schon, um den wirtschaftlichen Erfolg eines solchen Großprojekts sicherzustellen.“
Signa soll komplette Finanzierung belegen
Daher glaubt er: „Politische Kontrollen werden hier keinen Beitrag zum Gelingen leisten.“ So sei die Forderung, die Stadt möge „keinerlei Verpflichtungen“ eingehen (etwa Flächen anzumieten), nicht ungewöhnlich. Mit solchen Klauseln schützten sich Kommunen vor einer Subventionierung eines privaten Bauvorhabens durch die öffentliche Hand.
Auch dass Signa verpflichtet werden soll, vor Übergabe des Grundstücks an den Elbbrücken zu belegen, „dass alle weiteren Planungs- und Baukosten des Vorhabens verbindlich durchfinanziert sind“, sei verständlich, so Leutner. Nicht ungewöhnlich sei es zwar, dass Baukosten – die ja erst in etlichen Jahren anfallen – in diesem Projektstadium noch nicht finanziert sind, sondern es nur eine grundsätzliche Zusage der Banken dafür gebe. Aber die härtere Regelung ist nach Angaben des Senats ohnehin im Kaufvertrag enthalten.
30 Prozent der Bürofläche müssen im Vorfeld vermietet sein
Anders sieht es mit der Forderung aus, Signa müsse noch vor Baubeginn nachweisen, dass für 30 Prozent der Bürofläche (also 21.000 von 70.000 Quadratmetern) verbindliche Mietverträge über mindestens fünf Jahre vorliegen. Diese Forderung sei zwar einerseits „im Prinzip überflüssig“, so Leutner, weil ein Bauherr ohnehin eine gewisse Vorvermietung anstrebe und die Banken dies auch verlangen. Anderseits sei ein Wert von 30 Prozent „ungewöhnlich“ hoch. Dieser Punkt ist auch bislang nicht im Kaufvertrag enthalten.
Das gilt auch für die Forderung, dass Signa für das geplante Hotel einen mindestens 15 bis 20 Jahre laufenden Pachtvertrag nachweisen müsse. Diese Laufzeit sei zwar üblich, außerdem werde wegen der sehr individuellen Vorgaben der Hotel-Betreiber in der Regel kein Neubau ohne Pachtvertrag begonnen, sagt Leutner.
Knatsch mit Signa möglich
„Sehr außergewöhnlich“ sei aber der Zusatz, dass diese Vermietungsnachweise „gegenüber den finanzierenden Banken, die das in ihre Finanzierungsbestätigung aufnehmen“, zu erfolgen habe. Dazu sagt Leutner: „Das ist ein Eingriff in die Geschäftspolitik eines privaten Bauherrn.“ Hier könnte es also Knatsch mit Signa geben.
Die fünfte Forderung, in der es um den „flexiblen Betrieb des Gebäudes“, die „Anziehungskraft des Standorts“ sowie eine „Aussichts- und Besucherebene“ inklusive Gastronomie geht, ist aus Sicht des Experten relativ unbestimmt. Leutner: „Da wird sich ein privater Investor vermutlich nicht dran stören.“ Dass der „Nachweis der Funktionalität“ für die öffentlichen Flächen gefordert wird, sei aus Sicht der Stadt nachvollziehbar.
Der Elbtower soll auf einem dreieckigen Grundstück unmittelbar neben der neuen U-und S-Bahnstation Elbbrücken entstehen. Die Baukosten sollen bei rund 700 Millionen Euro liegen, die Fertigstellung ist für 2025 geplant. Doch zunächst muss die Bürgerschaft im März dem Verkauf des städtischen Grundstücks für 122 Millionen Euro an Signa zustimmen.