Hamburg. Der gesamte Bus- und Bahn-Auftrag soll neu an das Unternehmen vergeben werden – kann er aber nicht.
Busse und U-Bahnen betreibt in Hamburg die Hochbahn – das ist seit mehr als 100 Jahren so, und das soll eigentlich so bleiben. Stolz bezeichnet sich das Unternehmen mit seinen 700.000 Abonnenten und 450 Millionen Fahrgästen pro Jahr als „Rückgrat der Mobilität in Hamburg“. Doch die Fortsetzung dieser Tradition ist in Gefahr, und mit ihr das gesamte Verkehrskonzept der Hansestadt. Auslöser dafür sind eine EU-Regel und ein Tochterunternehmen der Hochbahn, das diese einfach nicht los wird.
Doch der Reihe nach: Der Auftrag der Stadt an die Hochbahn zum Betrieb der städtischen Busse läuft im November 2019 aus, der für den Betrieb der vier U-Bahn-Linien erst 2032. Der Senat würde beide Aufträge gern im Paket verlängern: Wie er auf einem EU-Portal bekannt gemacht hat, beabsichtigt er, per Direktvergabe „Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr mit Bussen, U-Bahnen und sonstigen Verkehrsmitteln an die Hamburger Hochbahn AG auf dem Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg einschließlich abgehender Linien auf die Gebiete des Kreises Segeberg, des Kreises Pinneberg, des Landkreises Stade, des Landkreises Harburg sowie des Kreises Stormarn mit Wirkung zum 27.11.2019“ zu vergeben. Der Bus-Auftrag soll um zehn Jahre, der U-Bahn-Auftrag sogar um 22,5 Jahre verlängert werden.
Die Hochbahn-Tochter Benex verhindert die Direktvergabe
So eine Direktvergabe ohne öffentliche Ausschreibung ist laut EU-Recht zwar zulässig – aber nur, wenn das betreffende Unternehmen „sich nicht selbst oder über Beteiligungen außerhalb des Heimatmarktes engagiert“, wie es im Hochbahn-Lagebericht heißt. Doch genau das tut sie, und zwar über ihre Tochter Benex: Die hält derzeit Beteiligungen an den Bahnbetreibern Metronom (Niedersachsen, Anteil: 25,1 Prozent), Agilis (Bayern, 49 Prozent, die anderen 51 Prozent hält die Hochbahn direkt), Cantus (Hessen, 50 Prozent), Nordbahn (Schleswig-Holstein, 50 Prozent) und Odeg (Mecklenburg-Vorpommern, 50 Prozent) sowie an dem Busunternehmen Stadtverkehr Lübeck GmbH (49,9 Prozent).
Diese Expansion wird nun zum Problem für die Hochbahn, wie sie in ihrem Lagebericht einräumt: „Eine Lösung für die Benex GmbH“ müsse her, sonst sei die Direktvergabe nicht möglich. Dann müsste der städtische Auftrag öffentlich ausgeschrieben werden, und theoretisch könnte ein Wettbewerber zum Zug kommen.
Termin für den Verkauf steht noch nicht fest
Die „Lösung“ kann nur ein Verkauf der Tochter sein, doch der will einfach nicht gelingen. Mehrfach wurde er angekündigt, zuletzt für Ende 2018, doch noch immer konnte kein Vollzug vermeldet werden. Auf Kleine Anfragen der Bürgerschaftsabgeordneten Thilo Kleibauer (CDU) und Michael Kruse (FDP) kündigte der Senat nun an, die „Veräußerung zu Beginn des Jahres 2019 zu vollzuziehen“. Wie der „Nordbayerische Kurier“ berichtete, soll die Firma INPP Public Infrastructure Germany aus Grünewald bei München als Käufer im Gespräch sein. Ihr gehören bereits 49 Prozent der Benex-Anteile.
Zu dem Namen äußerte sich die Hochbahn nicht. Auf Nachfrage des Abendblatts, wann der Verkauf vollzogen werde, räumte sie jetzt ein: „Ein Termin steht noch nicht fest.“ Gleichzeitig gab sie sich optimistisch: „Wir gehen davon aus, dass dieser zeitnah erfolgen wird.“ Daher sei man „sicher, dass wir alle Voraussetzungen für eine Direktvergabe erfüllen werden“.
Sorge bei der Hamburger FDP
FDP-Fraktionschef Kruse sieht die Lage mit Sorgen: „Die Beteiligung an Benex und Agilis wird für Hamburg zum Bumerang. Sollte es nicht gelingen, die Beteiligung rechtzeitig zu verkaufen, müssen der U-Bahn-Betrieb und Busdienstleistungen europaweit ausgeschrieben werden und dürfen nicht, wie vom Senat geplant, direkt an die Hochbahn vergeben werden.“
Auch die Planungen für die neue U 5, die von der Hochbahn vorangetrieben werden, seien bedroht: „Vor diesem Hintergrund ist es völlig unverständlich, weshalb der geplante Verkaufstermin Ende 2018 nicht eingehalten werden konnte“, so Kruse. Für ihn sind die Probleme mit den Beteiligungen ein Beleg dafür, dass sich öffentliche Unternehmen auf Hamburg konzentrieren sollten.
Auch die CDU fordert „zügig Klarheit“
Ähnlich sieht es CDU-Finanzexperte Kleibauer: „In den letzten Jahren hat sich die Beteiligung an Benex deutlich schlechter entwickelt als vom langjährigen Hochbahn-Chef Elste immer versprochen. Seit Langem ist nun bekannt, dass eine Trennung von Benex notwendig ist. Dies muss jetzt schnell erfolgen, damit bei der Neuvergabe der Buslinien in Hamburg keine Fehler passieren.“ Wie Kruse fordert auch Kleibauer „zügig Klarheit“ vom Senat.
Auch im Regierungslager erwartet man zeitnah eine Lösung. Markus Schreiber, SPD-Fachsprecher für öffentliche Unternehmen, sagte dem Abendblatt: „Die Benex-Gründung 2007 war richtig. Jetzt ist es aber sinnvoll, da wieder auszusteigen, um die Direktvergabe zu ermöglichen.“