Hamburg. Nach der erfolgreichen Revision müssen sich der Ex-Chef der HSH Nordbank und fünf weitere Top-Manager wegen Untreue verantworten.

Die HSH-Nordbank selbst ist Geschichte. Der Verkauf des Bankhauses, das schon als „Milliardengrab“ tituliert wurde, ist abgewickelt, ein neuer Eigentümer und ein neuer Name sind gefunden. Und doch holt die Vergangenheit die HSH nun wieder ein, wird die endlose Story um das Geldhaus um ein weiteres Kapitel fortgeschrieben: Von August an werden die sechs früheren Vorstände der Bank um Dirk Jens Nonnenmacher wieder vor Gericht stehen. Dann beginnt vor einer Wirtschaftskammer ein neuer Prozess wegen des Vorwurfs der Untreue in einem besonders schweren Fall. Das bestätigte ein Gerichtssprecher dem Abendblatt auf Anfrage.

Dieses zweite Verfahren wurde notwendig, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) einen Freispruch gegen die sechs Top-Manager aufgehoben hatte. Die Entscheidung der obersten Richter liegt mittlerweile 27 Monate zurück; wenn der neue Prozess tatsächlich losgeht, werden es fast drei Jahre sein. Doch in der für den zweiten Durchgang zuständigen Großen Strafkammer 18, einer von vier Wirtschaftsstrafkammern in Hamburg, hatte es vor einiger Zeit einen Wechsel des Vorsitzenden gegeben. Zudem ist das Gericht, wie viele andere Strafkammern auch, sehr stark belastet. Unter anderem hatten andere aufwendige Verfahren Vorrang, weil dort Angeklagte in Untersuchungshaft saßen.

Mindestens 42 Verhandlungstage

Deshalb konnte das neue HSH-Nordbank-Verfahren unter Vorsitz von Richter Malte Hansen erst jetzt terminiert werden. Bisher sind 42 Verhandlungstage vom 16. August 2019 bis zum 7. August 2020 abgesprochen, auch danach sind noch Termine bis Ende Dezember avisiert. Die Materie gilt als extrem komplex, allein die Anklageschrift umfasst rund 600 Seiten. Hinzu kommen mehr als 330 Leitzordner mit Gerichtsakten. Außerdem müssen sich die Verfahrensbeteiligten intensiv mit dem BGH-Urteil auseinandersetzen, das 27 Seiten stark ist. Um die BGH-Vorgaben umzusetzen, hat die Kammer zudem ein weiteres Sachverständigen-Gutachten eingeholt.

Vor der Terminierung hatte es nach Abendblatt-Informationen ein Vorgespräch zwischen Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht unter anderem darüber gegeben, ob es zu einer Einstellung kommen könne und falls ja, unter welchen Bedingungen. Dieses kam aber bislang zu keinem Ergebnis.

Das erste Verfahren hatte 62 Verhandlungstage in Anspruch genommen. Viereinhalb Jahre liegt es mittlerweile zurück, dass der frühere Vorstand der HSH-Nordbank vom Landgericht freigesprochen wurde. In dem ein Jahr andauernden Prozess ging es in erster Linie um die milliardenschwere Transaktion „Omega 55“, mit der die HSH-Führung Ende 2007 für einen geplanten Börsengang versucht hatte, Risiken auszulagern und so die Eigenkapitalquote der Bank zu verbessern. Binnen kürzester Zeit war „Omega 55“ damals von den Vorständen abgezeichnet worden und hatte laut Staatsanwaltschaft dem Geldhaus einen Verlust von 158 Millionen Euro eingebrockt. Die Anklagebehörde warf den sechs Topmanagern vor, „Omega 55“ nicht ausreichend geprüft zu haben und zu hohe Risiken eingegangen zu sein, als sie das komplexe Geschäft im Eiltempo absegneten. Zudem waren zwei der Vorstände auch wegen Bilanzfälschung angeklagt.

Bundesgerichtshof war Begründung zu dünn

Nach der Aussage von etlichen Zeugen und zahlreichen Sachverständigen stand für die damals zuständige Wirtschaftsstrafkammer zwar fest, dass das Kreislaufgeschäft „sinnlos“ und „nutzlos“ gewesen sei und letztlich zum Schaden der Bank. Die Kammer ging von einem Verlust von 30 Millionen Euro aus. Auch hätten die Vorstände ihre Pflichten verletzt, weil das Kreislaufgeschäft ohne ausreichende Prüfung abgeschlossen wurde. Für die eigentlich unbeabsichtigte und sinnlose Übernahme von Risiken hatte der Vorsitzende Richter Marc Tully, der mittlerweile Landgerichtspräsident ist, seinerzeit einen griffigen Vergleich bemüht: „Das ist wie die Heizdecke auf einer Butterfahrt.“

Der angestrebte Aufstieg der Bank sei „Ausfluss der Selbstüberschätzung“ gewesen und die Behauptung, mit Omega 55 die Bilanz zu entlasten, nur „juristischer Augensand“. Allerdings seien die Pflichtverletzungen nicht „offensichtlich“ und nicht so gravierend gewesen, dass sie eine Verurteilung wegen Untreue gerechtfertigt hätten, so das Landgericht.

Fall muss neu verhandelt werden

Gegen den Freispruch hatte die Hamburger Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Im Oktober 2016 hatte der BGH entschieden: Der Fall muss neu verhandelt werden. Der Freispruch der Angeklagten vom Vorwurf der Untreue habe der rechtlichen Überprüfung nicht standgehalten. So hätten die Hamburger Richter beispielsweise nicht ausreichend ergründet, welche Informationen die Vorstände gebraucht hätten, um das Geschäft in allen Details verstehen zu können. Ferner sei zu prüfen gewesen, ob die Manager wegen mangelnder Nachfragen ihre Informationspflichten verletzt haben.

Hinsichtlich des Verdachts der Bilanzfälschung entschied der Bundesgerichtshof, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft geurteilt habe. Hier hätte eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorgenommen werden müssen; dies sei nicht geschehen. Auf die Kammer kommt also eine Menge Arbeit zu.