Hamburg. Die Zahl der Betriebe in der Hansestadt sinkt dramatisch. Probleme durch Onlinehandel und Nachwuchsmangel.
Die Hamburger Apothekerkammer warnt vor einem weiteren Apothekensterben in der Hansestadt. „Jedes Jahr schließen im Schnitt zehn Apotheken“, sagt Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg. Derzeit gibt es in Hamburg 398 Apotheken, 2017 waren es noch 413, zehn Jahre zuvor sogar noch 462.
Bundesweit wurde Ende 2017 mit 19.748 Apotheken der tiefste Stand seit 30 Jahren erreicht. Viele Apotheker könnten aus wirtschaftlichen Gründen nicht weitermachen, sagt Siemsen. Schätzungsweise 60 Prozent der Hamburger Apotheken stünden vor massiven wirtschaftlichen Problemen, einige sogar knapp vor einer Insolvenz. Die seit Jahren stagnierenden Honorare machten das Überleben schwer. Hinzu kämen steigende Bürokratie sowie zunehmende Dokumentationspflicht – und der zunehmende Onlinehandel.
Allein in Eppendorf und Hoheluft-Ost haben in den vergangenen zehn Jahren sechs Apotheken aufgegeben, weiß Apothekenmakler Hans-Rudolf Dette. Er vermittelt seit rund 40 Jahren Apothekenverkäufe und nennt eine weitere Ursache für Apothekenschließungen: „Man findet häufig keinen neuen Betreiber mehr, wenn jemand aus Altersgründen aufhört.“ Dabei sei doch der persönliche Kontakt zum vertrauten Apotheker so wichtig. „Das macht einen guten Service aus.“ Dette prophezeit: „Der Weg zur nächsten Apotheke wird für die Hamburger immer weiter werden.“ Davon geht auch Kammerpräsident Siemsen aus – und warnt insbesondere vor weiteren Wegen zur Notfallapotheke in der Nacht.
Apotheker haften mit Privatvermögen
„Wir Apotheker hängen seit 15 Jahren der Inflationsrate hinterher“, klagt er. Allein für den Inflationsausgleich müssten die Apotheken 1,15 Milliarden Euro erhalten, fordert er. Die Bezahlung der ständig hinzukommenden Aufgaben durch Politik und Krankenkassen sei da noch nicht eingerechnet.
Apotheker mit eigenem Geschäft haften zudem mit ihrem gesamten Privatvermögen. Das schrecke viele von einer Existenzgründung ab; zumal man als Selbstständiger mit einer 35-Stunden-Woche nicht auskomme. Siemsen: „Die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen halten junge Pharmazeuten immer mehr vom Schritt in die Selbstständigkeit ab.“
Vor allem kleine Apotheken betroffen
Es sind vor allem die kleinen Apotheken, die von Insolvenzen betroffen sind, sagt Kai-Peter Siemsen von der Hamburger Apothekerkammer. Zwar stellte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in Aussicht, die Zuschläge für Nacht- und Notdienste zu verdoppeln und die Boni, die Versandapotheken aus dem EU-Ausland bei Onlinebestellungen ihren Kunden gewähren dürfen, auf 2,50 Euro je Packung zu deckeln. Für Apotheker Siemsen ist das nicht ausreichend: „Das ist ein vergiftetes Geschenk, da es die holländischen Versender stärkt und die Standort-Apotheken noch stärker unter Druck kommen.“
Die angekündigten Finanzhilfen würden nicht reichen, um den Apotheken das Überleben zu sichern. „Bundesgesundheitsminister Spahn muss das Honorar der deutschen Apotheken um 2,50 Euro pro verschreibungspflichtiger Packung anheben, wenn die Patienten weiterhin den gewohnten flächendeckenden Service ihrer Apotheke vor Ort nutzen können sollen“, fordert Siemsen. Weiteres Problem: Es wird zunehmend schwierig, Fachkräfte, wie Apotheker, pharmazeutisch-technische Assistenten und pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte zu finden. „Derzeit warten in den 398 Hamburger Apotheken 169 Fachstellen darauf, neu besetzt zu werden.“
Eine der ältesten Apotheken wird weitergeführt
Es gibt aber auch gute Nachrichten: Eine der ältesten Apotheken Hamburgs wird nach 363 Jahren weitergeführt. Die Vorbesitzerin hört nach rund 30 Jahren auf, übergibt die Pelikan-Apotheke am Großneumarkt in der Neustadt Lisa Schrader. Ein gelungener Generationenwechsel. „Ich bin ein optimistischer Mensch, und im Grunde jammern wir hier auf hohem Niveau“, sagt Apothekerin Lisa Schrader aus Hemmingen bei Hannover. Der Internethandel und die Politik machten Apothekern das Leben schwer, sie ist aber überzeugt: Die persönliche Beratung wird sich durchsetzen.
Während ihr Mann mit den zwei Kindern in Hemmingen wohnen bleibt, wird die 30-Jährige ab dem 1. Februar an drei Tagen in der Woche in Hamburg in ihrer Apotheke sein. „Der persönliche Kontakt mit der Kundschaft ist ganz wichtig“, sagt sie. Da immer ein Apotheker vor Ort sein muss, hat Lisa Schrader fünf weitere Apotheker auf Teilzeit- oder Minijob-Basis angestellt. Die Vorbesitzerin kennt Lisa Schrader, die in Hamburg studiert hat, bereits aus dem Studium. „Ich habe in der Pelikan-Apotheke mein praktisches Jahr gemacht.“ Auch die Angestellten sind immer noch diesselben.