Hamburg. Beauftragte Investitions- und Förderbank entschädigt in 300 Fällen. Nur ein Autobesitzer wollte sich am Härtefallfonds bereichern.
Als Ralf Sommer am Abend des 8. Juli 2017 der Anruf aus der Senatskanzlei erreichte, wusste er sofort, dass sein Urlaub auf Usedom vorzeitig enden würde. Der Wunsch aus der Heimat kam schließlich vom Ersten Bürgermeister persönlich. Der Senat habe beschlossen, Opfer der G-20-Krawalle zügig zu entschädigen. Und Sommer als Chef der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (IFB Hamburg) möge sich bitte kümmern.
Die Brisanz dieser Aufgabe war Sommer nach den ersten Gesprächen mit der Senatskanzlei und der Polizei sofort klar. Seine Bank sollte dafür sorgen, den geschockten Bürgern der Hansestadt nach den schweren Ausschreitungen so etwas wie Rechtsfrieden zurückzugeben. Wer einen Schaden an seinem Eigentum erlitten hatte, der nicht von einer Versicherung ausgeglichen wurde, sollte über einen Härtefallfonds entschädigt werden. Den Fonds statteten Senat und Bundesregierung zu gleichen Teilen mit insgesamt 40 Millionen Euro aus.
Nur wer den Schaden anzeigte, wurde entschädigt
Anderthalb Jahre später kann Sommer dieses Thema nun zu den Akten legen. Er sagt: „Unser Versprechen, dass wir schnell und unbürokratisch helfen wollen, haben wir eingelöst. Den ersten Schaden haben wir bereits am 18. Juli 2017 reguliert. Das war für unsere Bank ein echter personeller Kraftakt.“ Und für den Steuerzahler ist die Bilanz durchaus erfreulich: Die Bank zahlte insgesamt 966.000 Euro aus, zu 62 Prozent an Unternehmen, zu 38 Prozent an Privatpersonen. Davon entfielen 338.000 Euro auf Gebäudeschäden, 274.000 Euro auf beschädigte Autos, der Rest auf andere Schäden – vom kaputten Fahrradschloss für 18 Euro bis zur zerstörten hochwertigen Kameraausrüstung.
„Die Versicherer haben sich bei der Regulierung sehr kulant und großzügig gezeigt. Dies hat mit dazu beigetragen, dass wir weniger Mittel als geplant aus dem Härtefallfonds aufwenden mussten als zunächst unter dem ersten Eindruck der Ereignisse angenommen“, sagt Sommer. Die Assekuranzen zahlten insgesamt zwölf Millionen Euro.
Zusammenspiel mit Polizei und Senat lief reibungslos
Wobei die gewährten Leistungen nicht annähernd den immensen Aufwand seines Teams widerspiegeln, das in den ersten Wochen in Tag- und Nachtschichten Anträge prüfte. Schließlich war die große Sorge des Senats, dass ein Hamburger durch die Auswirkungen der G-20-Randale seine wirtschaftliche Existenz verlieren könnte. Für die Experten eine Gratwanderung: Auf der einen Seite sollten Ansprüche zügig bedient werden – auf der anderen Seite Missbräuche verhindert werden.
„Wir konnten nur so schnell handeln, weil das Zusammenspiel mit Polizei und Senat reibungslos lief“, sagt Sommer. Bewusst verzichtete seine Bank darauf, das Antragsformular zum Herunterladen ins Internet zu stellen. Stattdessen übergaben Polizisten den Opfern die Formulare direkt. Die eiserne Regel: Nur wer Strafanzeige stellte, hatte eine Chance auf Entschädigung.
67 Mal erteilte die Bank eine Absage
Wohl auch deshalb hielt sich die Zahl der abgelehnten Anträge in Grenzen. In 67 Fällen entschied die Bank, keinen Cent auszuzahlen. Fast immer aus formalen Gründen. So galt der Grundsatz, dass nur Schäden übernommen wurden, die vom 6. bis zum 9. Juli angerichtet wurden. Das Beseitigen eines im Vorfeld gesprühten Graffito zählte also nicht dazu. Zudem hatte der Senat verfügt, dass keine Umsatzeinbußen über den Härtefallfonds reguliert werden konnten. „Ich halte das nach wie vor für richtig. Diese Verluste entstehen auch bei Absperrungen durch große Veranstaltungen. Wie soll man das bewerten?“, sagt Sommer. Deshalb war auch der Antrag eines Geschäftsmanns erfolglos. Er hatte argumentiert, dass ihm durch einen ungeplanten Aufenthalt in Hamburg, verursacht durch die Krawalle, ein sehr gutes Geschäft entgangen sei. Nur Klein- und Kleinstunternehmen bekamen aus einem anderen Topf über eine Sonderregelung zwischen Handelskammer und Senat insgesamt 130.000 Euro, wenn durch die Umsatzeinbußen ihre wirtschaftliche Existenz bedroht war.
Ein Autobesitzer reichte einen gefälschten Kaufvertrag ein
Die höchste Zahlung ging mit 60.000 Euro an den Eigentümer einer stark beschädigten Immobilie. Der Besitzer hatte eine Versicherung mit einer besonders hohen Eigenbeteiligung abgeschlossen, diese übernahm der Härtefallfonds. Solche Fälle, wenn auch in deutlich geringerer Höhe, gab es oft – schließlich beruhen viele Kasko-Versicherungen bei Autos auf einer Eigenbeteiligung. Der Härtefallfonds übernahm auch die Kosten durch die Höherstufung in der Assekuranz. Aber auch Kleinstschäden wurden bearbeitet. So erhielt ein Fahrradfahrer für sein aufgebrochenes Schloss 18 Euro.
Insgesamt gab es nur einen Fall mit echter krimineller Energie. Eir Autobesitzer versuchte, den Wert für sein abgebranntes Auto rückwirkend zu erhöhen. Er reichte einen gefälschten Kaufvertrag ein. Mit der Akribie der IFB-Experten hatte er nicht gerechnet. Der Vordruck, den er verwendet hatte, war zum Zeitpunkt des Verkaufs seines Autos noch gar nicht erhältlich.