Hamburg. Seit zehn Jahren löst der „Telefonische HamburgService“ unter 115 Probleme der Bürger. Einige Anfragen kommen nicht alle Tage vor.
Nein, der Mann, der seine Beinprothese suchte und sie in einem Fundbüro vermutete, war kein typischer Anrufer. Die Dame, die einen neuen Lippenstift entwickelt hatte und nun wissen wollte, ob sie den an Tieren testen darf, auch nicht wirklich. Und dass sich in Hamburg jemand erkundigt, ob er seine Hühner anmelden muss (Antwort: Ja!), kommt auch nicht alle Tage vor.
Geholfen wurde all diesen Menschen dennoch, und zwar in einem unscheinbaren Bürogebäude in einem Wandsbeker Gewerbegebiet. Hier sitzt der „Telefonische HamburgService“, kurz THS. Seit zehn Jahren ist er unter der zentralen Nummer 115 erreichbar und löst von dort aus mit mittlerweile 150 Mitarbeitern die Anliegen der Bürger – übrigens keineswegs nur in Hamburg, sondern weit darüber hinaus, etwa in den schleswig-holsteinischen Städten Kiel und Lübeck oder der niedersächsischen Gemeinde Seevetal.
Dass sich immer mehr Kommunen in Norddeutschland dem THS anschließen, ist für Hamburgs Finanz- und Bezirkssenator Andreas Dressel (SPD) eine Bestätigung: „Der Telefonische HamburgService ist eine Perle der Verwaltung“, sagte Dressel bei einem Besuch vor Ort anlässlich des zehnjährigen Bestehens. „Dass der THS neben der enorm breiten Angebotspalette für stadteigene Dienstleistungen inzwischen auch den Telefonservice für Städte wie Lübeck erfolgreich managt, unterstreicht die hohe Qualität und Professionalität.“
Rundum-sorglos-Paket für die Bürger
Rund 13 Millionen Anrufe haben die THS-Mitarbeiter seit Einführung der Behördennummer 115 angenommen. Mittlerweile hat sich das Aufkommen bei rund 1,5 Millionen Anrufen pro Jahr oder 8000 am Tag (werktags von 7 bis 19 Uhr) eingependelt. Dabei dominieren weniger Beinprothesen-Verluste oder Hühneranmeldungen, sondern Meldeangelegenheiten, also Fragen wie: Welche Formulare benötige ich für einen neuen Ausweis? Wie schnell bekomme ich einen Reisepass? Was kostet eine Meldebestätigung? An zweiter Stelle stehen Fragen zu Finanzämtern, gefolgt von Anfragen zu den Themen Fundbüro, Schwerbehindertenausweis, Standesamt und Elterngeld.
Dabei hat der THS, der offiziell eine Dienststelle des Bezirksamts Wandsbek ist, auch eine wichtige Pufferfunktion: „Jeder Anruf, der hier abschließend bearbeitet wird, muss nicht von einer Fachbehörde beantwortet werden“, sagte Dressel. Und der Anteil der Bürger, die in Wandsbek nicht nur weiterverbunden werden, sondern deren Anliegen gleich geklärt wird, ist hoch: Er liegt zwischen 42 Prozent (Elterngeld) und 96 Prozent (Fundbüro), bei den Meldeangelegenheiten sind es immerhin 83,7 Prozent, wie THS-Leitern Jutta Drühmel-Lindig stolz referierte. Das sei auch der Anspruch: „Wir sind nicht nur ein Telefonservice, sondern möchten den Bürgern ein Rundum-sorglos-Paket bieten.“ Oder in den Worten von Werbe-Ikone Verena Pooth: „Da werden Sie geholfen!“
Ein Beispiel aus dem Alltag: Wer die 115 wählt, erfährt nicht nur, wann welches Kundenzentrum in Hamburg geöffnet hat, sondern kann auch gleich einen festen Termin für eine bestimmte Dienstleistung vereinbaren. Was kaum bekannt ist: Beim Hamburg-Service gibt es auch Auskünfte zu diversen speziellen Themen und Veranstaltungen: Während der Kieler Woche ist beispielsweise eine Hotline geschaltet, die Fragen rund um das Segelsportereignis beantwortet – zu erreichen unter 115. Das Gleiche gilt für den Schlagermove in Hamburg. Und in einem Katastrophenfall, etwa einer schweren Sturmflut, würde sich die Innenbehörde ebenfalls der 115 bedienen, um die Bürger zu informieren.
„Das ist ein große Herausforderung für die Mitarbeiter, sich im Minutentakt auf neue Fragen einzustellen“, sagte Senator Dressel. Auch daher bedient der THS in Wandsbek nicht die üblichen Callcenter-Klischees: Die 150 Mitarbeiter sind alle unbefristet beschäftigt und werden nach dem Tarifvertrag der Länder bezahlt.
Einmal wurde es kurios
Unter ihnen sind zwölf Blinde oder Sehbehinderte, die dank spezieller Technik die Fragen der Bürger ebenso schnell und kompetent beantworten wie ihre Kollegen. Eine von ihnen ist Hülya Welkert: „In der Regel merken die Anrufer nicht, dass ich blind bin“, sagt die 43-Jährige. Ganz selten frage mal jemand nach der Stimme im Hintergrund – das ist der Sprachcomputer, der Welkert über den Bildschirm lotst.
Nur einmal wurde es kurios: Da sei eine andere Mitarbeiterin von einem Anrufer aufgefordert worden, doch bitte den schnarchenden Kollegen neben sich zu wecken. Doch das Geräusch, das er gehört hatte, stammte natürlich nicht von einem THS-Mitarbeiter, sondern von Hülya Welkerts Blindenhund Anton, der weggedöst war. Mittlerweile hat sie einen neuen Hund, der sie ins Büro begleitet: Labrador Raffi. Der schnarcht nicht.