Hamburg. Ausschuss will zusätzliche Bebauung prüfen. Anrainer fürchten, dass Siedlung größer wird und die Stadt den Bürgervertrag bricht.

Neuer Ärger um das Bauprojekt Ohlsdorf 30 (Im Anzuchtgarten) in Klein Borstel. Der Stadtentwicklungsausschuss hat im Zuge der öffentlichen Diskussion über den Bebauungsplan eine erneute Prüfung in Auftrag gegeben. Dadurch soll ermittelt werden, ob mehr Geschosswohnungsbau für die neue Siedlung geplant werden kann. Sehr zum Ärger der Initiative „Lebenswert Klein Borstel“: Sie befürchtet einen Bruch des im Sommer 2016 ausgehandelten Bürgervertrags. „Bei der ausgeführten Prüfung werden die Einschränkungen des Bürgervertrages nicht berücksichtigt“, sagt Ralf Blinkmann von der Initiative. Deshalb rechne er mit dem Schlimmsten.

Der Hintergrund: Am Anzuchtgarten, wo sich derzeit noch eine Flüchtlingsunterkunft mit rund 450 Plätzen befindet, soll von 2022 an ein neues Wohnquartier entstehen. Nach einem ersten Plan aus dem vergangenen Frühjahr werden auf der 1,8 Hektar großen Fläche künftig Reihenhäuser, sieben größere Gebäude für Wohnungen und ein kleiner Gewerbebau entstehen. Die Häuser werden zweigeschossig, zum Teil mit Staffelgeschossen.

Schon der Entwurf aus dem Jahr 2017 wurde von der Initiative kritisiert. Zu viele Wohneinheiten, seien vorgesehen, hieß es. Mittlerweile, so Blinkmann, habe man sich geeinigt über die sogenannte Bruttogeschossfläche zu diskutieren, statt über Einheiten. „Und auch da sind wir bei einer Überschreitung der ursprünglich geplanten Größe um 24 Prozent.“ Nun also eine Prüfung, die gegebenenfalls zu dem Schluss käme, noch mehr Raum einzuplanen.

Öffentliche Diskussion

„Im Zuge der öffentlichen Diskussion sind viele Anwohner auf uns zugekommen, denen es wichtig war, dass in den neuen Häusern die Menschen eine Bleibe finden, die jetzt in der Flüchtlingsunterkunft wohnen“, sagt Michael Werner-Boelz, Vorsitzender der Grünen-Fraktion in der Bezirksversammlung Nord. Das sei aber nur mit gefördertem Wohnraum möglich. Also hatten in der Sitzung vor Weihnachten SPD, Grüne und Linke beschlossen, einige Teile der neuen Siedlung noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen: „Wir wollen jetzt nur noch einmal ganz sicher gehen, ob bei der derzeitigen Planung wirklich genug geförderter Wohnraum entstehen kann.“

Nun müsse geprüft werden, ob an einigen Stellen aus den geplanten Reihenhäusern noch Geschosswohnungsbau werden müsse. Und damit dann kleinere und bezahlbare Wohneinheiten geschaffen werden. In Klein Borstel sind viele Bewohner jetzt besorgt.

„Diese Diskussion wäre wirklich nicht nötig gewesen“, sagt Blinkmann von der Initiative. Man habe einen Entwurf gehabt, der für alle vertretbar gewesen wäre. „Aber wenn jetzt noch mehr Wohneinheiten eingeplant werden, sprengt das jegliche Vereinbarung, die wir getroffen haben.“ Grund für den erneuten Ärger sei dabei schlicht eine Fehlplanung, so der engagierte Anwohner. „Von Anfang an war klar, dass in die neue Siedlung auch eine Kita hereingeplant werden muss. Das wurde allerdings bei allen Entwürfen versäumt.“

CDU kritisiert andere Parteien scharf

Nun habe man im Herbst den Fehler bemerkt und einfach an den Rand in eines der Gebäude eine Kita gesetzt, so Blinkmann. „Das ist aber genau das Gebäude gewesen, in dem geförderter Wohnraum und Wohnraum für Senioren vorgesehen war.“ Der fehle nun, um den besagten Drittelmix hinzubekommen. „Und jetzt wird einfach gesagt, wir prüfen noch mal, ob wir nicht aufstocken können.“ Er und seine Mitstreiter sind empört. „Warum wird nicht erst einmal geschaut, ob die Kita auch einen anderen Platz findet. So versuchen die Bezirkspolitiker einfach schleichend eine immer größere Siedlung hier zu realisieren.“ Auch persönlich habe ihn das Vorgehen enttäuscht. „Ich habe selbst an dem Bürgervertrag mitgearbeitet. So viele Stunden und schlaflose Nächte in die Verhandlung investiert. Das lasse ich mir nicht so einfach kaputtmachen.“

Die CDU im Bezirk steht aufseiten der Initiative und kritisiert das Vorgehen der anderen Parteien scharf. Statt auf den gefundenen Kompromiss bei der Bebauung des neuen Wohngebietes zu vertrauen, werfe Rot-Grün nun sämtliche Absprachen über den Haufen, sagt Elisabeth Voet van Vormizeele, Sprecherin für Stadtentwicklung der CDU-Fraktion im Bezirk Hamburg-Nord.

Die Politikerin: „Schon bevor der Bebauungsplan Ohlsdorf 30, überhaupt aufgestellt wurde, gab es erhebliche Diskussionen im Quartier.“ In einem aufwendigen Beteiligungsverfahren sei schließlich gemeinsam mit den Anwohnern ausgearbeitet worden, welche Bebauungsstrukturen vor Ort verträglich seien. „Die Meinungen von Art und Umfang gingen auseinander, mündeten aber in einem für uns vertretbaren Kompromiss.“ Nun wollten SPD und Grüne sich nicht mehr an die Absprachen halten und strebten eine erhebliche Aufstockung der geplanten Gebäude an. „SPD und Grüne machen was sie wollen“, sagt auch Martina Lütjens, Fraktionsvorsitzende der CDU im Regionalausschuss. „So darf mit den Bürgern nicht umgegangen werden.“ Schließlich sei bereits seit Langem klar, dass eine neue Bebauung sich an dem benachbarten Viertel orientieren müsse. „Das ist in keinster Weise hinnehmbar und wird es mit uns nicht geben.“

SPD: Brauchen einen Kompromiss

Für Thomas Domres, den Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bezirk Nord, ist die erneute Prüfung unumgänglich: „Es ist richtig, bei dem ersten Entwurf war die Kita nicht mit eingeplant. Das war ein Fehler, aber solche Fehler passieren in den Planungsverfahren nun einmal.“ Entscheidend sei, es müsse 30 Prozent geförderten Wohnraum geben und die Kita. „Das ist nicht verhandelbar.“ Im Moment seien diese Voraussetzungen allerdings nicht erfüllt. Wo allerdings die Einrichtung dann genau entstehen soll, das könne gern noch diskutiert werden.

Sobald das Ergebnis der Prüfung vorliege, werde es in einer öffentlichen Sitzung im Stadtentwicklungsausschuss vorgestellt und stünde damit erneut zur Beratung. „Ich möchte aber alle beteiligten Seiten einmal darauf hinweisen, dass wir einen Kompromiss finden sollten“, sagt der SPD-Politiker. Denn klar sei, solange es keine Einigung gebe, bleibe die Flüchtlingsunterkunft stehen. „Wenn die Initiative Maßnahmen ergreifen sollte, die den Vertrag gefährden und damit das Projekt Ohlsdorf 30, dann lassen wir die jetzige Bebauung einfach stehen. Zur Not jahrelang. Und das kann nicht im Interesse aller Beteiligten sein.“

Grüne sehen Entscheidung gelassen

Der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Grünen, Werner-Boelz, sieht die aktuelle Entscheidung bisher noch recht gelassen. „Im innerstädtischen Raum muss jeder Bewohner damit leben, dass wir durch den massiven Mangel an Wohnungen weiter verdichten müssen. Da kommen wir nicht dran vorbei. Auch nicht in Klein Borstel.“

Zudem müssten die Parteien auch die anderen Anregungen ernst nehmen. „Der Bau von geförderten Wohnungen ist wichtig, um allen Menschen das Wohnen in Hamburg zu ermöglichen. Wir wissen, dass heute bereits rund die Hälfte aller Hamburger ein Anrecht auf eine geförderte Wohnung hat. Deshalb brauchen wir mehr geförderten Wohnraum – das gilt auch für das Neubaugebiet in Klein Borstel.“