Hamburg. Am Mittwoch beginnen die Verhandlungen über eine Fortsetzung. Im Frühjahr 2020 läuft der Schulfrieden aus.

Die Gespräche über eine der zentralen Fragen der Hamburger Bildungspolitik kommen in die entscheidende Phase: Am morgigen Mittwoch beginnen die Verhandlungen über eine Verlängerung des zehnjährigen Schulfriedens, der im Frühjahr 2020 ausläuft. Zum ersten Mal werden Vertreter von SPD, Grünen, CDU und FDP mit Schulsenator Ties Rabe (SPD) zu diesem Thema aufeinandertreffen.

Es dürfte ein Start mit Schwierigkeiten werden. Unmittelbar zuvor werden die unterschiedlichen Positionen der Parteien in der aktuellen Stunde der Bürgerschaft vermutlich hart auf­einanderprallen. Dafür spricht schon der Tenor der Anmeldungen der Fraktionen für die Diskussionen. „Neuer Schulfrieden, Bildungsqualität und Wunsch nach längerem Lernen an Gymnasien – wie lange will sich Rot-Grün dieser Debatte noch verweigern?“, fragt die CDU-Opposition.

Mancher im Regierungslager sieht das als gezielte Provokation vor Beginn von Gesprächen, in denen es ja gerade um diese Themen gehen soll. Von Verweigerung könne deswegen ja gerade keine Rede sein. „Rote Karte für rot-grünes Bildungssystem – Hamburgs Schulpolitik braucht eine Qualitätsoffensive“, formuliert auch die FDP bissig. Die Lage ist kompliziert. Im Prinzip gilt der Schulfrieden, der besagt, dass an der Schulstruktur nicht gerüttelt wird, insofern als Erfolg, als sich die Schulen in den zurückliegenden Jahren auf den Unterricht konzentrieren konnten. Hamburg hat seine Position bei Schülerleistungsvergleichen unter den 16 Ländern deutlich verbessern können.

Mögliches Problem für die Stadtteilschulen

Andererseits liebäugelt CDU-Oppositionschef André Trepoll nach dem Vorbild der Parteifreunde in Schleswig-Holstein mit einer Rückkehr zum längeren Bildungsweg am Gymnasium – also neun Jahre (G9) wie an der Stadtteilschule statt G8, das CDU, FDP und Schill-Partei 2002 eingeführt hatten. Die Union hat beschlossen, die Frage der Rückkehr zu G9 am Gymnasium nach einer ausführlichen Debatte im Rahmen des Wahlprogramms für die Bürgerschaftswahl 2020 zu entscheiden. Starken Rückenwind hat Trepoll durch die Abendblatt-Umfrage aus der vergangenen Woche erhalten, nach der 76 Prozent der befragten Hamburger die Rückkehr zu G9 an Gymnasien befürworten. Für die Union geht es nicht zuletzt darum, nach den desaströsen 14 Prozent Zustimmung in der Abendblatt-Umfrage ein zugkräftiges Thema für den Wahlkampf zu gewinnen.

SPD, Grüne und FDP wie auch Teile der CDU sind strikt gegen die Rücknahme der Reform. Die Befürchtung: Wenn auch die Gymnasien den längeren Weg zum Abitur anbieten, könnten noch mehr Eltern ihre Kinder dort anmelden. Die Stadtteilschulen hätten das Nachsehen und würden geschwächt. Im Übrigen wäre die Rückkehr zu G9, so die Gegner, ein struktureller Eingriff in das Schulsystem. „Schulfrieden und G9 am Gymnasium – das geht nicht zusammen“, sagt Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks.

Rückblende: Es war ein ungewöhnliches Bündnis. Im März 2010 vereinbarten die Senatsparteien CDU und Grüne mit der oppositionellen SPD den zehnjährigen Schulfrieden. Eine Dekade lang sollte nach Einführung der sechsjährigen Primarschule die Schulstruktur unverändert bleiben. Der Plan misslang insofern, als die Hamburger die Primarschule dennoch per Volksentscheid ablehnten. Der Schulfrieden galt aber trotzdem, das damals eingeführte Zwei-Säulen-Modell aus Stadtteilschule – aus Haupt-, Real- und Gesamtschule hervorgegangen – und Gymnasium hat nach wie vor Bestand.

Opposition geht mit Forderungen in Gespräche

Schwarz-Grün „erkaufte“ sich die Zustimmung der SPD-Opposition zur Primarschulreform damals unter anderem durch das Zugeständnis, kleinere Klassen an den Schulen einzurichten und dafür massiv Lehrer zusätzlich einzustellen. Und auch die heutigen Oppositionsparteien von CDU und FDP gehen mit Forderungen nach Verbesserungen der Ausstattung von Schulen und einer Steigerung der Unterrichtsqualität in die Verhandlungen.

Unter anderem geht es um eine Neufassung der Bildungspläne, konsequente Maßnahmen gegen den Unterrichtsausfall sowie die Einführung der äußeren Differenzierung an den Stadtteilschulen, damit leistungsstärkere Schüler in den Hauptfächern schneller vorankommen. Ohne substanzielle Zugeständnisse von Rot-Grün – das ist klar – würden Christdemokraten und Liberale einer Verlängerung des Schulfriedens nicht zustimmen.

Die beiden anderen Oppositionsfraktionen – Linke und AfD – sind zu den Verhandlungen nicht eingeladen.