Hamburg. Angelika Meusel sicherte unter anderem Spuren bei der Reemtsma-Entführung. Im Tatort spielte sie sich selbst.
„Meusel“. So wird sie gerufen. „Ohne Frau oder Gelli oder Angelika“, sagt Angelika Meusel. „Die meisten denken, das ist ein Kosename. Aber so heiße ich wirklich.“ Bei der Hamburger Polizei kennen sie viele. Im Landeskriminalamt eigentlich jeder. 25 Jahre war Meusel bei der Spurensicherung. Sie hat diesen Bereich der Kriminaltechnik, wie er heute ist, mit aufgebaut. Sie war die Frau der ersten Stunde. Die einzige unter sechs Männern. Mit 65 Jahren verabschiedet sich „Meusel“ jetzt in den Ruhestand.
Die 1990er-Jahre waren eine Hochzeit der Kriminalität in Hamburg. Damals ereigneten sich Jahrhundert-Fälle. Angelika Meusel war dabei. Bei der Entführung von Jan Philipp Reemtsma 1996 war sie in seinem Arbeitshaus, um Spuren zu sichern. „Das sollte diskret ablaufen. Deswegen wurden wir nachts dort hinbestellt“, sagt sie. „Es war stockdunkel. Für die Spurensicherung brauchten wir ja ordentlich Licht. Soviel zu diskret.“
Spurensicherung noch zwei Jahre nach der Tat
Auch bei der Überführung eines Kinderschänders hatte sie ihren Anteil. Er verging sich Mitte der 1990er-Jahre in Ohlstedt auf brutalste Weise an kleinen Mädchen. „Ich habe noch zwei Jahre nach der Tat Spuren in seinem Auto gesichert, die belegten, dass ein Kind im Fahrzeug war“, sagt sie.
Und dann war da noch der Mord in Santa Fu. „Gelli, da sind Männer, die haben lange keine Frau zu Gesicht bekommen“, sagte damals ihr Chef. „Ich hatte zu der Zeit lange blonde Haare und war gertenschlank“, sagt Meusel. „Ich habe mich dann so richtig schlunzig angezogen und mir eine Brille aufgesetzt, obwohl ich damals keine brauchte.“
Für Schauspieler Manfred Krug war sie „seine Beste“
Am Tatort war sie ohnehin schwer zu erkennen. Wenn Spuren gesichert wurden, dann trug sie einen weißen Spezialoverall mit Kapuze, Handschuhe und Füßlinge. Arbeitskleidung eben. Kein Haar und keine Hautschuppe von ihr sollten einen Tatort verunreinigen.
Viele Menschen dürften Angelika Meusel bereits im Fernsehen gesehen haben. Seit Jahren ist sie immer wieder als eine Mischung aus Beraterin und Komparsin dabei. Was sie dann spielt? Kriminaltechnikerin. Beim „Tatort“, bei „Adelheid und ihre Mörder“ und bei „Stubbe“ war sie dabei.
Mit Schauspiel-Legende Manfred Krug, der als schwierig galt, hat sie sich gut verstanden. „Ich habe ihm bei einem Dreh nachts im Wald mal gezeigt, wie man Gummihandschuhe über feuchte Hände bekommt. Das ist nicht einfach“, sagt sie. Seitdem war sie „seine Beste“, wie Krug sagte, der den Kommissar Stoever im Tatort spielte. „Ich hätte auch gern mal eine Leiche gespielt“, sagt Meusel über ihre Fernseheinsätze. Aber sie war immer, wie im richtigen Leben, die Kriminaltechnikerin.
Der erste Fall, zu dem sie als Kriminaltechnikerin der Polizei „draußen“ war, passierte am Neujahrstag 1994. Damals wurde die 20 Jahre alte Claudia Hucke in Neugraben ermordet. Der Fall gilt bis heute als ungeklärt. Seitdem hat Meusel viele Tote gesehen. „Solange man arbeitet, ist das kein Problem“, sagt sie. „Erst wenn man nichts mehr zu tun hat und zuschaut, kann einem das nahe gehen. Vor allem, wenn es um Kinder geht.“
Angelika Meusel war lange die einzige Frau unter Männern
Der Beruf der Kriminaltechnikerin war ihr nicht in die Wiege gelegt. „Ich habe Arzthelferin gelernt, war Heilerzieherin und wurde dann Industriekauffrau. In dem Beruf war ich im Krankenhaus Altona. Dort war ich auch Vertreterin im standesamtlichen Büro, das bei Todesfällen auch Angehörige ermitteln musste“, sagt Meusel. „Deswegen hatte ich gute Kontakte zur Pathologie und zu den Todesermittlern vom Landeskriminalamt.“
Zur Polizei hat sie aber eine Bekannte gebracht, die bei der Polizei in der Personalabteilung arbeitete. „Du langweilst dich doch immer. Wir suchen jetzt Leute für die Spurensicherung“, hatte die gesagt. 189 Leute hatten sich damals auf acht Stellen beworben. 29 wurden zum Bewerbungsgespräch geladen. Sieben traten schließlich ihren Dienst an. Angelika Meusel war die einzige Frau. „Aber ich habe mir nie die Butter vom Brot nehmen lasen“, sagt sie. „Ich hatte früher auch mal in der Gastronomie gearbeitet. Da lernt man, sich zu verteidigen.“
Ihr Start bei der Spurensicherung war der „Sprung ins kalte Wasser“. In den folgenden 25 Jahren hat sie an vielen spektakulären Fällen mitgearbeitet; das meiste aber war Alltagskriminalität. „Einbruch, Autoaufbrüche oder auch mal Raub.“ Viele Bürger fragten sie, wie die bestraft würden, wenn sie erwischt werden. Vermutlich nicht besonders hoch, antwortete sie. „Die meisten verstehen nicht, dass ein festgenommener Dieb wieder nach Hause gehen kann.“ Sie auch nicht. „Ich würde einige Gesetze anders machen“, so Meusel.