Hamburg. Eigene Abbiegespuren, mehr Tempo 30 für Autofahrer: Stadt zieht Konsequenzen aus dem schweren Unfall in Eppendorf.
Am Ort der Tragödie liegen keine Blumen mehr. Der Verkehr auf der Kreuzung Osterstraße/Eppendorfer Weg fließt entlang frischer Markierungen auf dem Asphalt, auch die Demonstranten sind weg, die sich quer auf die Straße legten und mehr Sicherheit für Radfahrer forderten – weil eine junge Mutter hier im Mai von einem Lkw erfasst wurde und ihr Leben verlor. Jetzt hat die Debatte an vielen Ecken der Stadt Konsequenzen.
Neue Verkehrsschilder
Die Innenbehörde plant, Tempo 30 praktisch auf dem gesamten Eppendorfer Weg einzuführen. „Entsprechende Anordnungen wurden durch die Polizei bereits getroffen“, sagt der Behördensprecher Daniel Schaefer – zusätzlich zu Abbiegespuren für Radfahrer an der Kreuzung. Anfang 2019 sollen nun die Verkehrsschilder aufgestellt werden.
Darüber hinaus sieht der Senat den großflächigen Ausbau von Tempo 30 generell als wichtiges Mittel für mehr Sicherheit auf den Straßen. Insgesamt sind derzeit 160 neue Bereiche mit diesem Tempolimit geplant. „Bis zum Jahreswechsel 2019/20 sollen alle neuen Tempo-30-Abschnitte eingerichtet sein“, sagt Schaefer – damit werde vor 80 Prozent aller Schulen, Kitas, Seniorenheime und Kliniken in der Hansestadt ein solches Tempolimit gelten.
Das sagt der ADFC
Aus Sicht des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) sind weitere Maßnahmen dringend nötig. Der stellvertretende Vorsitzende Dirk Lau verweist darauf, dass die Zahl der Unfälle mit Beteiligung von Fahrradfahrern in den ersten neun Monaten dieses Jahres deutlich gestiegen ist. Die Polizei zählte 2640 Unfälle mit Radfahrerbeteiligung, 178 mehr als in den ersten neun Monaten des Jahres 2017. Das entspricht in ganz Hamburg einem Anstieg um 7,2 Prozent und ist offenbar auch dem enorm warmen und langen Sommer geschuldet. Dirk Lau vom ADFC sagt, diese Zahlen „sollten alarmieren“.
Zwar sei es begrüßenswert, dass der Senat die sogenannte Vision Zero, also das Ziel von null Verkehrstoten verfolgt. Dazu gehöre aber vor allem eine sichere Infrastruktur. Auch der Autofahrerverband ADAC verweist auf nötige Umbauten. „Um etwa Abbiegeunfälle zu verhindern, geht es nicht zuerst um das Tempolimit, sondern um die Sichtbarkeit von Radfahrern für die Autofahrer auf der Straße.“
Ausbau des Radwegenetzes
Die Wirtschaftsbehörde und Radverkehrskoordinatorin Kirsten Pfaue stellen den Ausbau des Veloroutennetzes in den Mittelpunkt. Es würden 250 Baumaßnahmen in allen Bezirken unter Mitwirkung von 30 Planungsbüros vorgenommen. „Radfahrende brauchen Platz, und der Straßenraum muss so klar aufgeteilt sein, dass alle Verkehrsteilnehmenden sichtbar sind“, sagt Pfaue. Ein Beispiel seien vorgezogene Haltelinien an Ampeln. In Hamburg werde „dynamische Radverkehrsförderung“ wie nie zuvor betrieben.
Die bereits umgesetzten Maßnahmen rufen gemischte Reaktionen hervor. Der ADAC spricht davon, dass etwa im Bereich der Edmund-Siemers-Allee und am Klosterstern die Sicherheit für Radfahrer deutlich verbessert wurde. „Andernorts sind die Radwege aber nur schlecht einsehbar und handtuchbreit“, sagt Sprecher Hans Pieper.
Der ADFC nennt etwa die Umgestaltung am Bahnhof Dammtor als ein Beispiel für „Verkehrsplanung von vorgestern“. Zwar hätten Radfahrer dort insgesamt etwas mehr Platz – im Gegenzug würden aber abbiegende Radfahrer auf dem Dammtordamm vernachlässigt. „Das provoziert neue Unfälle, statt für sichere Mobilität zu sorgen“, sagt Lau. Die Stadt traue sich nicht, den Autoverkehr zu reduzieren.
725.000 Tempoverstöße in diesem Jahr geahndet
Die Radkoordinatorin Kirsten Pfaue betonte dagegen, dass es um Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer gehe. „Wir brauchen ein besseres Verständnis füreinander auf Hamburgs Straßen“, sagt sie. Ganz konkret hieße das etwa: „Radfahrer, schaltet euer Licht an, Autofahrer, parkt nicht auf Radfahrstreifen.“
In Kürze soll eine große Kampagne für mehr Sicherheit und Rücksicht gestartet werden. Nach Ankündigungen im Sommer würden zudem etwa auch Zweite-Reihe-Parker verschärft kontrolliert werden, die Fahrradwege auf der Straße blockierten. Es wurden in diesem Jahr fünf neue stationäre Blitzer installiert. Ingesamt ahndete die Bußgeldstelle in diesem Jahr mehr als 725.000 Tempoverstöße von Autofahrern.
Nach dem tödlichen Unfall in Eimsbüttel ist insbesondere über eine mögliche Einführung von verpflichtenden Abbiegeassistenten bei Lastwagen diskutiert worden. Hamburg setze sich für eine Pflicht ein, diese Abbiegeassistenten einzubauen, heißt es. Dies müsse jedoch auf EU-Ebene geregelt werden. Ob es möglich ist, die städtische Flotte an Lastwagen – etwa große Fahrzeuge der Stadtreinigung – technisch bereits vorher aufzurüsten, wird laut Innenbehörde derzeit geprüft.