Hamburg. Sie kommen aus Berlin, Hannover und Wismar nach Hamburg. Die Montgomery-Kritik („Geht nicht zu Asklepios“) hat sie nicht beeindruckt.

Rund 130 Chefärzte arbeiten in den Hamburger Asklepios Kliniken. Chefärzte sind nicht Götter, sondern eher Obergötter in Weiß. Krankenhausintern wird auch schon einmal vom „General“ gesprochen. Der „General“ ist ein Mann, selten eine Frau, mit vielen Freiheiten. Er kann „seinen“ Oberärzten das Leben leicht oder schwer machen, er kann für gute oder für schlechte Stimmung sorgen, er kann autoritär führen oder Autorität durch Leistung erwerben. Kurz: Vom Chefarzt hängt im Krankenhaus eine ganze Menge ab.

So gesehen scheint Asklepios einen guten Fang gemacht zu haben. Vier neue Chefärzte hat das Unternehmen unlängst eingestellt, einer ist schon im Job, die anderen starten Anfang kommenden Jahres. Eine Frau und drei Männer, allesamt freundlich, zugewandt, neugierig, hervorragend ausgebildet, in jahrelanger Berufsausübung verbessert und gereift.

Für sich genommen wäre das wohl noch keine Nachricht. Aber Asklepios ist ein bisschen ein gebranntes Kind. Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Montgomery, hatte dem Krankenhauskonzern vor gut zwei Jahren eine „Hire and Fire“-Mentalität vorgeworfen und den Ärzten geraten: „Geht nicht zu Asklepios“. Montgomery arbeitet beim Asklepios-Konkurrenten UKE. Bei der Ärzteschaft ist sein Verdikt offenbar nicht hängen geblieben. „Die Äußerung von Montgomery hat uns nicht geschadet“, sagt Joachim Gemmel, Geschäftsführer der Asklepios Kliniken Hamburg.

Wie die Anbahnung funktioniert hat, wird ungern beschrieben

Gemmel stellt im Schnitt zehn neue Chefärzte pro Jahr ein. „Das ist normale Fluktuation“, sagt er. Anzeigen werden geschaltet, Gespräche mit Oberärzten im Haus geführt. In schwierigen Fällen kommt auch schon einmal ein interner Personalberater zum Einsatz, also ein Mitarbeiter, der wie ein Headhunter wechselwillige Mediziner im Blick hat.

Wie die Anbahnung bei den vier neuen Chefärzten im Einzelnen funktioniert hat, wird ungern beschrieben. Die Klinikkonkurrenz liest mit. Jedenfalls sind Prof. Dr. Thomas von Hahn (44), Dr. Mirja Katrin Modreker (41) und Dr. Ulrich-Frank Pape (49) nun Asklepianer. Dr. Markus Faust war es schon. Der zupackend wirkende 46-Jährige wechselte vom Interdisziplinären Geriatrischen Zentrum der Asklepios Klinik Wandsbek nach St. Georg. Dort baut er seit Oktober die hamburgweit erste eigenständige Palliativabteilung auf.

Noch ist er ein Chefarzt ohne Oberärzte. Die Palliativmedizin ist gewissermaßen eine Folge des medizinischen Fortschritts. Bei vielen schweren Erkrankungen kann der Zeitpunkt des Todes nach hinten verschoben werden. Aber was ist mit der Lebensqualität? Hier hilft der Palliativarzt, zum Beispiel mit Schmerzmitteln. Faust freut sich auf die neue Aufgabe. „Es ist 100 Prozent Palliativmedizin“, sagt er.

Chefärztin im Alter von 38 Jahren

In einem angrenzenden Bereich ist auch Dr. Mirja Katrin Modreker tätig. Die quicklebendige gebürtige Karlsruherin ist schon seit 2015 Chefärztin, im Sana Hanse-Klinikum Wismar leitet sie das Zentrum für Altersmedizin. Im Westklinikum in Rissen wird sie in Zukunft für die Abteilung Akutgeriatrie und Frührehabilitation zuständig sein. Modreker ist sicherlich eine Besonderheit im Krankenhausbetrieb. In Führungspositionen sind Frauen immer noch unterrepräsentiert.

Sie hat es geschafft, schon mit 38 einen der begehrten Chefarztposten zu besetzen. „Fügung“, sagt sie lächelnd. Auf Nachfrage präzisiert sie: „Ärztinnen hatten es in der Vergangenheit schwerer, im Krankenhaus Karriere zu machen.“ Modreker macht jetzt den nächsten Schritt. Ihre Wismarer Station hatte 32 Betten, in Rissen sind es 80. Mehr Verantwortung, mehr Verwaltungsarbeit. Das stört sie nicht: „Verwalten heißt auch, dass man gestalten kann.“

Der gebürtige Hamburger kehrt in die Hansestadt zurück

Professor Dr. Thomas von Hahn kommt aus Hannover nach Hamburg. Er kennt sich hier aus. Der gebürtige Hamburger hat das Abitur am Christianeum abgelegt und seinen Zivildienst im Krankenhaus Altona absolviert. Seit 1995 ist er weg aus der Hansestadt. Jetzt wartet auf ihn die Gastroenterologie (Magen- und Darmerkrankungen) im Krankenhaus Barmbek – ein medizinischer „Leuchtturm“, wie Hahn sagt.

„In diesem großen, urbanen Akutkrankenhaus gibt es unglaublich viel Fachwissen.“ Der 44-Jährige ist ein typischer Norddeutscher, lange Reden sind nicht sein Ding. Lieber packt er an. Hahn hat in Hannover auch als Notarzt gearbeitet. Den Blick fürs Ganze nicht verlieren, der Spezialisierung etwas entgegensetzen: Er hat das gern gemacht. Hahn ist nun Chef von 15 Medizinern.

Pape war lange Zeit an der Berliner Charité

Ulrich-Frank Pape, gebürtiger Bamberger, ist vielleicht der spektakulärste Neuzugang. Seit 1998 arbeitet er an der Charité, dem Berliner Krankenhaus mit weltweitem Renommee. Zuletzt war er Leitender Oberarzt der Klinik für Hepatologie und Gastroenterologie. Nun wird er Chef der Inneren Medizin im Krankenhaus St. Georg. Der baumlange 49-Jährige stammt zwar aus Bayern, hat aber im Altonaer Rathaus geheiratet. Seine Frau ist in Hamburg zur Schule gegangen. „Ich musste sie nicht lange überzeugen, an die Alster zu wechseln“, sagt er.

Vier neue Chefärzte. Einige haben in den USA studiert, sie haben in verschiedenen Kliniken gearbeitet, sind umgezogen, haben immer wieder mal neu angefangen. Sie haben gelernt, therapiert, publiziert. Sie sind jetzt in ihren besten Jahren – vier Oberärzte, die zu den besten Ärzten des Landes werden können. Der Befund: Ein autoritärer „General“, der mit Befehl und Gehorsam operiert, ist nicht dabei.