Harburg. Am Harburger Klinikum können ab heute psychisch Kranke mit ebenfalls kranken Kindern gemeinsam behandelt werden.
Es ist ein besonderes Angebot und bundesweit bislang noch eher selten: Am Asklepios-Klinikum Harburg weiht Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) heute eine neue Therapiestation für psychisch kranke Eltern und ihre ebenfalls kranken Kinder (0 bis 6 Jahre) ein. Die neue Station bietet zunächst sechs Eltern-Kind-Einheiten und wird gemeinsam geleitet von Dr. Sabine Ott, Chefärztin der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Dr. Hans-Peter Unger, Chefarzt des Zentrums für seelische Gesundheit des Harburger Klinikums.
740.000 Euro hat die Gesundheitsbehörde in die neue Station investiert: Eine dringend notwendige Erweiterung des bestehenden Angebots, davon ist die Senatorin überzeugt: „Wenn Eltern und Kinder gleichzeitig psychisch krank sind, ist die Behandlung eine besondere Herausforderung“, sagt Cornelia Prüfer-Storcks. Eine gemeinsame Therapie ohne räumliche Trennung sei da besonders hilfreich.
Ungewöhnlich ist auch das: die neue Station ist gedacht für Eltern von Säuglingen, Klein- und Vorschulkindern. Denn sind die Erwachsenen depressiv oder sie leiden unter Angstattacken oder Überforderung, betrifft das auch die Kinder, selbst die ganz kleinen. Beispielsweise weil sich Mütter oder Väter in Phasen psychischer Erkankung nur unzureichend kümmern können. Selbst Babys reagieren darauf, verweigern etwa die Nahrungsaufnahme oder schreien permanent. Bei einigen kommt es zu Entwicklungsstörungen. Andere reagieren mit heftigen Wutanfälle – zu Hause, im Kindergarten oder in der Vorschule. Andere Kinder fallen auf, weil sie besonders ängstlich, traurig oder teilnahmslos sind. Es ist ein Teufelskreis und das Miteinander zwischen Eltern und Kindern oft so sehr gestört, dass die Familie ohne professionelle Hilfe keinen Ausweg aus dem Dilemma findet.
„Gemeinsam bieten wir ein stationäres Behandlungskonzept für Familien an, deren Zusammenleben von einer belasteten Beziehungsaufnahme, Schwierigkeiten im Umgang mit Gefühlen und anhaltender Überforderung geprägt ist“, sagen die Chefärzte Ott und Unger. Gemeinsam haben sie ein interdisziplinäres Team unter anderem aus Kinder- und Jugendpsychiatern, Psychologen, Pädagogen, Therapeuten und Sozialarbeitern zusammengestellt, das sich künftig um Mütter bzw. Väter sowie deren Kinder kümmern wird.
Die Umbauarbeiten im Haus 4 – in dem Gebäude war früher die Geburtshilfe des Klinikums untergebracht – waren noch nicht einmal abgeschlossen, da lagen schon die ersten Anmeldungen für die Station vor. Der Kontakt zu Betroffenen, sofern sie sich nicht selber meldeten, werde häufig über Familienhelfer oder niedergelassene Ärzte hergestellt, erzählt Dr. Sabine Ott: „Unsere Arbeit setzt da an, wo ambulante Hilfe nicht mehr reicht.“ Ihr Kollege Hans-Peter Unger geht davon aus, das der stationäre Aufenthalt der Patienten in der Regel zwischen zwei und drei Monaten dauern wird: Zeit, die es braucht, um neues Verhalten einzuüben und den wechselseitigen Umgang miteinander auf eine neue Basis zu stellen.
Der passende Rahmen dafür wurde in den vergangenen Wochen und Monaten im Haus 4 geschaffen. Auf gut 850 Quadratmetern und zwei Ebenen entstanden dort fünf Appartements für die Familien, sieben Therapieräume, ein Untersuchungszimmer sowie eine Küche und Speisesaal. Natürlich gibt es auch Platz zum Spielen (drinnen und draußen) und Gemeinschaftsräume. Alles hell und freundlich, versteht sich. Wohlfühlen und Genesung hängen schließlich eng zusammen.
Ärztin Sabine Ott präsentiert die neue Räume mit sichtlichem Stolz: „Wirklich unglaublich, wie sich das hier verändert hat.“ Für sie geht mit dieser neuen Station ein Projekt in Erfüllung, für das sie sich lange eingesetzt hat. Jetzt, da der Stein ins Rollen geraten ist, zeichnet sich auch schon ab, dass er so richtig Fahrt aufnehmen wird: 2020 wird am Klinikum weiter gebaut – eine neues Domizil für die jetzt eröffnete Station, die dann noch größer und schöner werden soll.