Hamburg. Das Deutsche Brotinstitut hat die süßen Gebildebrote getestet. Zu den Siegern gehört eine Bäckerei im Westen Hamburgs.
Es ist 6.30 Uhr, als über der Blankeneser Landstraße Weihnachtsduft in der Luft liegt. Die hell erleuchtete Bäckerei Hartmut Körner im Haus Nummer 13 hat zu dieser Stunde bereits geöffnet, und es könnte sein, dass die Blankeneser Traditionsbäckerei die Quelle für den weihnachtlichen Wohlgeruch ist. Seit zwei Uhr nachts jedenfalls sind die Bäcker dabei, Stollen zu backen. 50 Kilogramm an diesem Tag, 200 Kilogramm in der Woche.
Gleich neben der wohltemperierten Backstube mit der Knetmaschine und dem Ofen strahlt das fertige Gebildebrot am Verkaufstresen in strahlendem Puderzuckerweiß. Der Butterstollen als Klassiker ist hier genauso in aller Munde wie der Mohn- und Nussstollen. Eine Spezialität der von Sabine Möller (52) geführten Bäckerei sind der Orange-Quark-Stollen, eine kulinarische Sinfonie aus süßen Südfrüchten. Und der Kirchenstollen, der einige Zeit direkt im Turm der Kirche am Blankeneser Marktplatz gelagert wurde.
15 Hamburger Betriebe haben an der Prüfung teilgenommen
All diese Kreationen gehören zu den besten Stollen der Hansestadt. Denn die Bäckerei Körner belegt nach einer offiziellen Prüfung durch das Deutsche Brotinstitut in diesem Jahr den Spitzenplatz bei den Bäckereibetrieben in der Hansestadt. Wie Petra Klaas, Büroleitung der Bäcker-Innung der Freien und Hansestadt Hamburg, sagte, haben gut 15 Betriebe an der Stollenprüfung mit ihren Produkten im Wandsbeker Quarree teilgenommen. Die Tester bewerteten bei Körner 80 Prozent der eingereichten Stollen als „sehr gut“. Zu den besten Hamburger Stollen gehören darüber hinaus die Angebote von Café Reinhardt Bäckerei (Poppenbüttler Hauptstraße 37), Hansen Ihre Bäckerei (Sülldorfer Landstraße) und Bäcker Heinz (Schleusenhörn 3).
Bäckermeisterin und Konditorin Sabine Möller hat den kürzesten Arbeitsweg von allen ihren 30 Mitarbeitern. Sie wohnt eine Etage über der Bäckerei – und das schon seit Kindertagen. An den Wänden hängen alte Schwarz-Weiß-Fotos, die Urgroßvater und Großvater zeigen. „Wir backen seit 1901 an der Blankeneser Landstraße“, sagt die Mutter zweier erwachsener Söhne. Während sie stolz auf die Fotos zeigt, sind Teigmacher, „Ofenposten“, zwei Gesellen und ein Azubi Hand in Hand am Stollenbacken.
Der Stollen muss einen Tag auskühlen
Nachdem der Vorteig (Mehl, Hefe, Zucker, Wasser, Milch) vier Stunden „geruht“ hat, beginnt um 6.30 Uhr das große Kneten, maschinell natürlich. Butter, Nüsse, Mandeln, Rosinen und weitere Trockenfrüchte kommen dazu. „Die Früchte wurden bereits einen Tag zuvor in Rum eingelegt“, sagt die Inhaberin der Bäckerei. Wer Hamburgs besten Stollenbäckern über die Schulter schaut, staunt über die stille Routine im Neonlicht – und über den Fachjargon. Nach dem Abwiegen des Teigs wird dieser nämlich „beigesetzt“.
„Ja, auch wir setzen bei“, sagt Sabine Möller. Damit bezeichnen die Bäcker den Arbeitsgang des Ballenformens. Schließlich wird der teigige Ballen „aufgemacht“ und in eine Form gegeben, die 45 Minuten lang bei einer Temperatur von 180 Grad Celsius in den Stikkenofen kommt.
Kurz darauf wird der heiße Stollen mit heißer Butter „versiegelt“ und danach in Zucker gewälzt. Das trägt zur Konservierung bei. Einen Tag lang dauert es dann noch, bis das Gebildebrot, das in seiner Form an das in Windeln gewickelte Christuskind erinnern soll, auf einem Holzbrett auskühlt. Am Ende werden die ein Kilo und 250 Gramm schweren Wunderwerke mit Puderzucker verzaubert und verpackt.
Bäckermeisterin Möller kann sich auf ihre Mitarbeiter verlassen. Aber sie weiß auch, was bei der Stollenbäckerei alles schief gehen kann. Zum Beispiel, wenn der Hefeteig nicht die gewünschte Qualität hat, Rosinen verbrennen und „die Früchte verschmieren“. Das wichtigste an der Stollenbäckerei sei aber: „Erst die Zeit gibt den guten Geschmack.“
Auch bei Hansen Ihre Bäckerei und Bäcker Heinz läuft das Stollenbacken auf Hochtouren. „Wir haben mehr Stollen gebacken als im vergangenen Jahr“, heißt es bei Bäcker Heinz am Schleusenhörn. Zu den Kunden zählten Privatleute, aber auch ortsansässige Firmen, die den Stollen an Geschäftspartner verschenken. Wie alle Testsieger achten die Handwerksbetriebe darauf, dass die wirklich besten Zutaten verwendet werden.
Zu Ostern gibt es wieder den beliebten Orangen-Stollen
Gerade deshalb, sagt Dirk Hansen von der Bäckerei Hansen, schätzten die Kunden das Produkt. „Trotz des hohen Preises im Vergleich zum Supermarkt merken sie einfach die hohe Qualität. Wir haben einen sehr hohen Butteranteil. Dadurch zergeht der Stollen auf der Zunge.“ Bei Sabine Möller kostet ein Kilo Butterstollen 25 Euro, kleinere Exemplare (250 Gramm) sind für 4,95 Euro zu haben. Am Heiligen Abend wird sie bis 12 Uhr die letzten Stollen verkaufen. Doch das Geschäft mit diesem Gebildebrot ruht nicht lange: Auf Kundenwunsch verkauft sie zwei Wochen vor Ostern die beliebten Orange-Quark-Stollen – wie immer ohne Rosinen. Christstollen schmeckt eben auch im Frühling.
Das müssen Sie beim Stollenbacken beachten
Wer einen Stollen selbst backen will, sollte Geduld mitbringen. Bäcker Heinz Hintelmann (Bäcker Heinz) rät unter anderem dazu, Rosinen einen Tag vorher in Rum einzulegen. Wenn Mandeln in den Stollen kommen, sollten sei einen Tag vorher mit heißer Milch übergossen werden, damit sie einen frischen Geschmack haben. Weiterer Tipp: „Beim Backen zwischen dem Backblech und Backpapier eine dünne Pappe legen, damit der Stollen von unten nicht zu viel Farbe bekommt.“
Ursprünglich war der Stollen eine Fastenspeise in der Adventszeit. Erst die „Butterbriefe“ der deutschen Fürsten erlaubten es den germanischen Bäckern, dass zum besseren Geschmack statt Rübenöl Butter beigemischt werden durfte. Später wurde in Sachsen der Stollen mit Trockenfrüchten und anderen Zutaten verfeinert – der Dresdner Stollen war erfunden. Im Jahre 1730 ließ August der Starke ein Manöver ausrichten. Beim Zeithainer Lustlager im Sommer ließ er einen 1,8 Tonnen schweren Riesenstollen auftischen.