Hamburg . Datenschützer Caspar ordnet Löschung von rund 32.000 biometrischen Dateien an. Doch Innensenator Grote beharrt auf der Software.

Der Streit um die neue Software zur Gesichtserkennung der Hamburger Polizei geht in die nächste Runde: Der Datenschutzbeauftragte der Hansestadt, Johannes Caspar, hat am Dienstag gegenüber dem Innensenator Andy Grote (SPD) die Löschung einer biometrischen Referenzdatenbank angeordnet. Caspar hält das Programm für bedenklich, da darin ohne hinreichend Rechtsgrundlage die Gesichtsabdrücke Tausender Bürgerinnen und Bürger gespeichert seien.

Der Streit wird nun aller Voraussicht nach vom Verwaltungsgericht geklärt werden müssen, da die Innenbehörde auf die Verwendung der Software beharrt – bereits im Oktober hatte die Behörde angekündigt, im Falle einer Anordnung gegebenenfalls Widerspruch einzulegen. Die Innenbehörde werde die Anordnung des Datenschutzbeauftragten nun zunächst sorgfältig prüfen, um festzustellen, inwieweit neue Aspekte darin enthalten sind, sagte der Innenbehördensprecher Daniel Schaefer am Dienstag dem Abendblatt. "Sofern keine neuen Argumente auftauchen, wird die Behörde entsprechende Rechtsmittel gegen die Anordnung einlegen und auf eine rechtliche Klärung setzen."

Das bedeutet: Die Software wird weiterhin genutzt, da der Datenschutzbeauftragte keine Vollziehung anordnen kann. "Sollten wir Rechtsmittel einlegen, gäbe es zudem eine aufschiebende Wirkung", so der Behördensprecher.

32.000 Video- und Bilddateien in Software eingeflossen

Hintergrund des Streits sind die umfangreichen Ermittlungen nach den Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel im vergangenen Jahr. Um der enormen Fülle an Video- und Bildmaterial Herr zu werden, hat die Polizei ein spezielles Computerprogramm angeschafft, mit dem sich automatisch Personen identifizieren lassen. Auf diese Weise ist es beispielsweise möglich, festzustellen, ob ein mutmaßlicher Straftäter noch auf anderen Aufnahmen von Überwachungskameras auftaucht. Laut des Datenschutzbeauftragten Caspar sind in die Datenbank rund 32.000 Video- und Bilddateien eingeflossen.

„Mir ist bewusst, dass eine effiziente Strafverfolgung ein hohes Rechtsgut darstellt und zur Befriedung der Bevölkerung beiträgt“, sagte Johannes Caspar. „Aber im Rechtsstaat ist nicht alles rechtlich zulässig, was technisch möglich ist, nur weil es zweckmäßig erscheint.“ Der Einsatz dieses Verfahrens durch die Polizei Hamburg im Echtbetrieb sei in Deutschland beispiellos. „Über die Zulässigkeit derartig neuartiger Fahndungsmethoden hat allein der Gesetzgeber zu entscheiden“, so der Datenschützer. „Das ist bislang nicht geschehen.“

„Biometrische Erfassung erfolgt anlasslos“

Caspar kritisiert, dass durch dieses Verfahren erheblich in die Rechte und Freiheiten einer Vielzahl Betroffener eingegriffen werde. „Die biometrische Erfassung erfolgt unterschieds- und anlasslos“, heißt es in der aktuellen Mitteilung. „Sie betrifft massenhaft Personen, die nicht tatverdächtig sind und dies zu keinem Zeitpunkt waren.“ Zudem seien auch Verwechslungen von Personen möglich.

Innensenator Grote verteidigt jedoch den Einsatz der Software. Vor dem Innenausschuss der Bürgerschaft hatte er bereits im Oktober betont, dass es ohne das Programm kaum Ermittlungserfolge gegeben hätte. Ein einzelner Beamter hätte 60 Jahre ohne Pause benötigt, um eine derartig große Menge an Material zu sichten. Damals sagte Grote, dass es nicht um Bilder oder personenbezogene Daten, sondern um mathematische Formeln zur Berechnung von Ähnlichkeiten gehe.

Behörde: Ohne Software wird Ermittlungsarbeit erheblich erschwert

„Es gibt keinen rechtswidrigen Einsatz der Gesichtsanalysesoftware", sagte Innenbehördensprecher Schaefer am Dienstag. "Wir haben die Nutzung im Vorfeld datenschutzrechtlich intensiv geprüft und sehen den Einsatz nach wie vor von einschlägigen Rechtsgutachten gedeckt." Im Zeitalter der Digitalisierung und dem damit verbundenen Aufkommen großer strafrechtlich relevanter Bild- und Videodateien, sei eine solche Software als Hilfsmittel für eine visuelle Auswertung von rechtmäßig erlangten Daten dringend erforderlich.

Die Innenbehörde weist darauf hin, dass größere Mengen von Bild- und Videodateien nur durch technische Unterstützung systematisch ausgewertet werden könnten. "Ohne die Nutzung einer entsprechenden Software würde eine erfolgreiche Ermittlungsarbeit beziehungsweise Strafverfolgung erheblich erschwert, in einigen Fällen unmöglich gemacht“, so Schaefer.

CDU: Anordnung behindert Aufklärungsarbeit der Polizei

Mit Unverständis reagierte die CDU-Bürgerschaftsfraktion auf die Anordnung des Datenschutzbeauftragten. "Die Anordnung des Datenschutzbeauftragten behindert die Aufklärungsarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft erheblich", kritisierte der CDU-Innenexperte Dennis Gladiator. Der Innensenator müsse seiner Ankündigung Taten folgen lassen und umgehend alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um die Entscheidung zu revidieren. "Das ist er den vielen Opfern schuldig", sagte Gladiator. "Die CDU hat volles Vertrauen in die ermittelnden Beamten und deren Sensibilität im Umgang mit Daten, zumal es hier nicht um personenbezogene Daten, sondern um mathematische Formeln zur Berechnung von Ähnlichkeiten geht.“

Kritik am Innensenator Grote übte die FDP-Datenschutzexpertin Anna von Treuenfels-Frowein. „Der Innensenator weiß seit Monaten um die fehlende Rechtsgrundlage zum Einsatz biometrischer Gesichtserkennung", sagte die FDP-Bürgerschaftsabgeordnete. "Mit seiner ignoranten Haltung gefährdet der Innensenator ein wichtiges Instrument der Strafverfolgung. Längst hätte er sich auf Bundesebene für eine rechtlich saubere Regelung einsetzen müssen, anstatt nur abzuwarten." Die FDP fordert, dass Andy Grote endlich handelt. "Wir reichen heute einen Antrag für eine spezifische Rechtsgrundlage ein, der die biometrische Gesichtserkennung ermöglicht und die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen wahrt“, sagte Anna von Treuenfels-Frowein.