Neustadt. Der Angeklagte bedauert seine Taten vor drei Jahren. Er wird zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.

Magere 29 Cent! Es war schon eine ausgesprochen dürftige Summe, die Amis D. (Name geändert) in seinem Tresor verwahrte. Erschütternd wenig, um einen derartig gesicherten Ort für sein Geld zu beanspruchen. Und umso kläglicher, wenn man bedenkt, dass der 28-Jährige nicht allzu lange zuvor einen riesigen Batzen Geld von der Bank abgehoben hatte, insgesamt fast 130.000 Euro. Doch es war mitnichten sein eigenes Vermögen, auf das der Hamburger da zugegriffen hatte, sondern die Ausbeute eines perfiden, raffiniert ausgeklügelten Betruges, mit dem unter anderem ein 79-Jähriger um sein Erspartes gebracht wurde.

Jetzt, mehr als drei Jahre nach den Taten vom September 2015, hat Amis D. sein Mitwirken an einem verbrecherischen Tun mit Macht eingeholt. Angespannt, als stehe er unter Strom, wirkt er, ein Mann mit dunklem Haar und Bartschatten, der nervös blinzelt und seine Hände knetet. „Es tut mir sehr leid, dass ich die Taten begangen habe“, sagt seine Verteidigerin in seinem Namen. Damit räumt der Hamburger ein, sich an betrügerischen Machenschaften beteiligt zu haben.

Laut Staatsanwaltschaft verschaffte sich eine Gruppe von Männern Zugang zu den Kontodaten des Opfers bei der Postbank. Dann besorgten sie sich eine EC-Karte für das Konto, indem sie unter Missbrauch des Namens des Inhabers vortäuschten, seine Karte funktioniere nicht mehr. Er brauche deshalb eine neue, die wegen eines Umzugs an eine neue Wohnanschrift geschickt werden müsse. Allein vom Konto des 79-Jährigen fehlten am Ende rund 91.000 Euro, weitere 38.000 zapften die Täter über Umwege von weiteren Opfern ab.

Die Hintermänner wurden bereits verurteilt

Amis D. war laut Ermittlungen der Mann, der mithilfe der gefälschten Daten mehrfach zur Bank ging und sich das Geld auszahlen ließ. Die Hintermänner wurden bereits in einem separaten Verfahren wegen bandenmäßigen Betrugs verurteilt. Einer der Täter erhielt eine Freiheitsstrafe von 38 Monaten, der andere wurde unter anderem wegen dieser Tat zu insgesamt sechs Jahren und neun Monaten verurteilt.

Er sei über einen Jugendfreund in den Dunstkreis des Verbrechens geraten, ist der Tenor der Aussage von Amis D. Von Kindheit an, so sagt er, sei er mit einem der Haupttäter befreundet gewesen. „Er war immer so etwas wie mein Vorbild“, auch weil er Geld gehabt habe. Als die Freundin von Amis D. schwanger wurde und er in finanzielle Engpässe geriet, habe er seinen Kumpel um Rat gefragt. „Er sagte, ich könne ihm einen Gefallen tun und würde dafür Geld bekommen.“

Sein Freund habe ihn um ein Foto gebeten und dieses in einen falschen Ausweis eingefügt. Damit und mit einer Bankkarte ausgerüstet, habe er „so viel Geld abheben sollen wie möglich“. Allein bei seinem ersten Bankbesuch bekam er 72.500 Euro. Als Lohn für seinen Beitrag zu dem groß aufgezogenen Betrug bekam Amis D. seinen Angaben zufolge lediglich 1300 Euro. „Und nach den Hintergründen habe ich nie gefragt.“ Eine Polizeibeamtin berichtet, wie seit Anfang 2016 gegen eine Bande ermittelt wurde. Demnach hatten die Männer Zugangsdaten für Postbankkonten bekommen, die ein Hacker aus Köln besorgt hatte.

Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt jede Woche über einen außergewöhnlichen Fall.
Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt jede Woche über einen außergewöhnlichen Fall.

Gefälschter Ausweis mit Foto des Angeklagten

Als die mutmaßlichen Haupttäter festgenommen wurden, fand man in dem Auto eines der Männer einen Kartendrucker und darin ein Farbband, auf dem sich Fotos von Amis D. feststellen ließen. Darüber hinaus stellten die Ermittler Fingerabdrücke des 28-Jährigen sicher. Und ein gefälschter Ausweis, der auf den Namen des Opfers lief, war mit dem Foto des Angeklagten versehen. „Wir mussten davon ausgehen, dass er als sogenannter Finanzagent das Geld abhebt“, fasst die Polizistin zusammen. Üblich beim Phishing sei, dass die Hintermänner nicht selber zur Bank gehen, um das Geld abzuheben, „weil dort das Entdeckungsrisiko besonders hoch ist“.

Es seien mehrfach größere Summen vorbestellt worden, sagt eine Mitarbeiterin einer Postbankfiliale als Zeugin. „Dann stand ein Mann im schicken blauen Anzug am Schalter und wollte von dem Konto Geld abheben. Er wirkte seriös und freundlich.“ Eine Kollegin habe aber bei einem Abgleich der Personalien im Computer festgestellt, dass der Kunde, dem das Konto gehört, 79 Jahre alt ist. Der Mann, der vor ihr stand, sah etwa 40 Jahre jünger aus. Schließlich wurde die Polizei alarmiert, Amis D. wurde festgenommen.

Für ihn beantragt jetzt die Staatsanwaltschaft zwei Jahre und zehn Monate Haft, die Verteidigung plädiert für eine „geringe Strafe“. Letztlich erkennt das Schöffengericht auf eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren wegen gewerbsmäßigen Betruges und Urkundenfälschung. Dass der Angeklagte, wie von ihm behauptet, „nichts gewusst beziehungsweise nur wenig mitbekommen hat, überzeugt uns nicht“, erläutert die Vorsitzende das Urteil. Auch dass er sich mit 1300 Euro habe abspeisen lassen, sei nicht wirklich wahrscheinlich. „Das Ent­deckungsrisiko für den, der in die Bank geht, ist so hoch, dass wir uns nicht vorstellen können, dass Sie das für so wenig Geld gemacht haben.“ Für den Angeklagten spreche aber unter anderem, dass die Taten mittlerweile drei Jahre zurückliegen sowie sein Geständnis. „Auf der anderen Seite ist ein ganz hoher Schaden entstanden. Sie haben ein älteres Opfer um sein Erspartes gebracht. Das ist wirklich bitter.“