Hamburg. Der zurückgetretene Präses Tobias Bergmann will auf der traditionsreichen Veranstaltung nicht mehr sprechen. Aber darf es der Vize?
Die ehrbaren Kaufleute haben ein Problem. Am 31. Dezember tritt Hamburgs Kaufmannschaft zum traditionellen Jahresschlusstreffen zusammen. Gewöhnlich zieht der Präses der Handelskammer dann in einer langen Rede eine Bilanz des vergangenen Jahres, rechnet mit politischen Fehlentscheidungen ab und verkündet die Leitlinien der Hamburger Wirtschaft fürs folgende Jahr.
Doch nun bekommt die Tradition einen Knacks. Zwar findet das Treffen wie immer in der Handelskammer statt. Doch erstmals wird der Hausherr, also der Präses der Handelskammer, nicht sprechen. Tobias Bergmann ist vor wenigen Tagen zurückgetreten, nachdem ihn seine einstigen Getreuen aus dem Bündnis „Die Kammer sind Wir“ die weitere Gefolgschaft versagt haben. Zudem befindet sich das gesamte Führungsgremium in Auflösung. Ein Großteil des Präsidiums hat seinen Rücktritt zum 24. Januar angekündigt.
Ob der Vize-Präses sprechen darf, ist noch offen
Zwar hat der Vize-Päses der Kammer, André Mücke kommissarisch die Amtsgeschäfte Bergmanns übernommen. Doch ob er bei der Versammlung sprechen darf ist noch offen. „Das haben wir noch nicht entschieden“, sagte der Vorsitzende der „Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg“, Gunter Mengers am Donnerstag. Der Vorstand werde am Freitag abschließend darüber beraten.
„Wir müssen empört miterleben, dass die persönlichen Interessen und Befindlichkeiten der einzelnen Personen vor das Wohl der Mitarbeiter der Kammer, dem Wohle Hamburgs und dem Selbstverständnis der Hamburger Kaufleute gestellt wird. Es gibt durchaus Stimmen im Vorstand, die gegen einen Auftritt des vorläufigen Präses der Handelskammer sind.“ Die Mitglieder der "Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg" würden sich unter anderem zu den Grundsätzen „Treu und Glauben“ bekennen, „Das sollte immer einmal wieder in Erinnerung gerufen werden“, so Mengers.
Lange Tradition
Klar ist aber, dass die "Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns", die als ein eingetragener Verein Träger der Veranstaltung ist, selbst entscheiden wird, wer bei der herausragenden Veranstaltung, bei der weit mehr als 1000 Kaufleute zusammenkommen, reden darf. Und selbst wenn Mücke um einen Beitrag gebeten wird, so soll dieser in diesem Jahr deutlich kürzer ausfallen als sonst.
Das ist insofern ungewöhnlich, als die Geschichte der Handelskammer eng mit der "Vereinigung Eines Ehrbaren Kaufmanns" verbunden ist. 1517 hatten Hamburgs Außenhändler vom Ehrbaren Rat das Recht erhalten, eine eigene Vereinigung zu gründen. Aus deren Kreis wurde später die Commerz-Deputation gewählt, die Vorläuferin der heutigen Handelskammer. Angesichts der personellen Umbrüche in der Kammer, muss der Ablauf der Versammlung aber geändert werden.
Weiterer Kammer-Rebell tritt zurück
Unterdessen hat ein weiterer Kammer-Rebell, der Ex-Banker und Hamburger Vermögensverwalter Hans-Georg Kuhlmann, seinen Rücktritt aus dem Bündnis „Die Kammer sind Wir“ bekannt gegeben. Kuhlmann hatte mit seiner offenen Rücktrittsforderung gegen Bergmann, dessen Abgang eingeleitet. Als Grund für seinen eigenen Rücktritt nennt Kuhlmann eine Entscheidung des Bündnisses, der Hauptgeschäftsführerin der Kammer, Christi Degen, die Rückzahlung von 33.000 Euro an den Kammer-Haushalt zu erlassen.
Degen hatte der früheren Bereichsleiterin Corinna Nienstedt diese Summe in einem Aufhebungsvertrag zugesprochen. Das hatte im Bündnis heftige Kritik hervorgerufen, da Nienstedt die Kammer freiwillig verlassen hatte und ihr die Summe nach seiner Meinung nicht zustand. „Über die Zahlung dieser Abfindung darf und kann es keine zwei Meinungen geben. In Deutschland wird eine Verkäuferin belangt, wenn sie bei ihrem Arbeitgeber ein halbes Brötchen entwendet“, sagte Kuhlmann. „Dann können wir Frau Degen nicht die Zahlung von 33.000 Euro erlassen.“ Laut Kuhlmann verhält sich die Hauptgeschäftsführerin nicht wie ein ehrbarer Kaufmann: „Die Hamburger Tugenden sind dieser Frau völlig fremd, wie: Ehrlichkeit, Sparsamkeit, Denken an das Gemeinwohl und so fort.“
Bundesverband fordert indirekt Entlassung von Geschäftsführerin
Ähnlich scharf äußerte sich der Bundesverband der Freien Kammern (BffK) bei Facebook über Christi Degen und fordert indirekt deren Entlassung: „Ein solcher personeller Fehlgriff – so ärgerlich das ist – ist nicht schlimm. Schlimm wäre, ihn nicht zu korrigieren“ heißt es in dem Eintrag. Der Verband bezieht sich darin auf das Interview Degens auf abendblatt.de. Darin hatte die Kammer-Geschäftsführerin erklärt, dass eine unabhängige Interessenvertretung der Wirtschaft nur mit Pflichtbeiträgen möglich ist. Zudem hatte sie die Zusammensetzung des Kammer-Plenums kritisiert, in dem zu viele kleine Unternehmen vertreten seien.