Hamburg. Boom der Wasserpfeifen-Lounges wirft Fragen auf: Es geht um illegalen Tabak, Vergiftungen und ein mitunter kriminelles Milieu.
Leuchtröhren hüllen Ledersofas und Tische in Blau, aus den Boxen plärrt R ’n’ B-Musik, die Luft ist trüb und riecht süß, nach Obstkonzentrat. Vorn lachen die geschminkten Gesichter mehrerer junger Frauen, ein paar Tische weiter reichen Bären von Männern still den Pfeifenschlauch herum. Es ist Freitagabend in einer Hamburger Shisha-Bar – für viele junge Leute aktuell die „Places to be“, für Kritiker mitunter zwielichtige und hochgefährliche Orte.
Die Zahl der sogenannten Shisha-Lounges und Händler der Wasserpfeifen ist in Hamburg zuletzt förmlich explodiert. 63 derartige Betriebe wurden nach der Senatsantwort auf eine Anfrage der AfD allein seit 2015 in Hamburg angemeldet – und diese Statistik beruht nur auf freiwilligen Angaben. Der Bezirk Mitte schätzt die Gesamtzahl der Bars, die in der Stadt um die rauchende und oft junge Kundschaft werben, auf 70. „Es ist auch ein Phänomen der Jugendkultur“, sagt Falko Droßmann (SPD), Bezirksamtsleiter in Mitte, dem Abendblatt. „Die Shisha-Bars haben andere Treffpunkte und die klassische Eckkneipe teilweise abgelöst.“
An einzelnen Straßenzügen dominieren die Bars das Erscheinungsbild, etwa an der Wandsbeker Chaussee, wo sich mehr als ein Dutzend Shisha-Lounges auf wenigen Kilometern aufreihen. Der dortige Bezirksamtsleiter Thomas Ritzenhoff (SPD) spricht von einer „Modeerscheinung“. Sein Amtskollege Droßmann bezeichnet die rasante Ausbreitung als gefährlich. „Wenn sich eine gewerbliche Eintönigkeit bildet, zerstört das den Charakter der Stadtteile. Das ist auch bei Shisha-Bars der Fall.“ Nicht nur die gesundheitlichen Risiken der verrauchten Bars treiben die Behörden um – sondern auch Lärm und kriminelles Milieu, das sich ebenfalls in manchen Bars tummelt. In Zukunft soll verstärkt reagiert werden.
Polizei stürmt Shisha-Bar in Hammerbrook
Einen Vorgeschmack gab es bereits. Am vorvergangenen Sonntag stürmen Polizisten und Zöllner die Shisha-Lounge Spirit in Hammerbrook. Der Rauch steht dicht im Raum, es sind rund 80 Personen anwesend, darunter 16 Jugendliche. Wenig später wird die gesamte Bar evakuiert. Messungen haben ergeben, dass die erlaubte Konzentration des giftigen Kohlenmonoxids mehrfach überschritten war. Nach Abendblatt-Informationen war die Belüftungsanlage mit Malerband abgeklebt.
Laut Experten birgt der Besuch in Shisha-Bars gleich ein vierfaches Risiko. „Es hat zunächst alle unzähligen Schäden für die Gesundheit zur Folge wie normale Zigaretten“, sagt Dr. Jan Löhler, der dem Landesverband der HNO-Ärzte in Schleswig-Holstein vorsitzt. Hinzu komme die Kohlenmonoxid-Konzentration im Raum. Außerdem enthielten Shisha-Geschmackssorten wie „Doppelapfel“ oft Aromen, die nur bei Lebensmitteln zulässig und entsprechend nur für diesen Zweck erprobt seien. „Sie zu inhalieren, ist im Grunde ein großes Experiment“, sagt Löhler. Zuletzt könne der Besuch in Shisha-Bars junge Menschen schnell verführen, dauerhaft zu Rauchern zu werden.
Der Geschäftsführer einer Shisha-Bar im Bezirk Mitte, der anonym bleiben möchte, hält die Sorgen für völlig übertrieben. „Vor 20 Jahren haben junge Leute auf Partys auch schon Shisha geraucht, und die leben alle noch.“ Die Lounges seien dagegen Treffpunkte, man finde neue Freunde, es gehe herzlich zu. Einige Betreiber seien zwar mit dubiosen Gestalten verbrüdert und zockten etwa ihre Kunden ab, indem sie noch für das Wechseln der Kohle auf den Wasserpfeifen Geld verlangten. „Aber am Ende muss jeder selbst wissen, was er für ein Konzept verfolgt.“
Dort mischen sich Abiturienten und Kriminelle
Der Bezirksamtsleiter Falko Droßmann sagt, dass mit dem Boom der Shisha-Bars „leider auch stellenweise ein gewisses Gehabe und Lautstärke einhergeht. Nicht nur etwa Abiturienten und Partygänger, sondern auch Autoposer fühlen sich in Shisha-Lounges wie zu Hause. Am Harburger Rathausplatz mussten eigens Poller aufgestellt werden, weil Besucher der dortigen Shisha-Bars vor allem mit großen Autos gern mit heulenden Motoren anrollten. „Es war am Abend teilweise unerträglich,”, sagt eine Anwohnerin.
Nach Abendblatt-Informationen ist den Mitarbeitern der Verwaltung aufgefallen, wie blutjung die offiziellen Inhaber der Shisha-Lounges sind. Oft sind sie nicht einmal 25 Jahre alt oder gerade erst volljährig. „Das ist oft dieselbe Klientel, die sich zu siebt eine laute S-Klasse least und deren Onkel am Ende vorgibt, wie die Sachen zu laufen haben“, sagt ein Beamter. Viele Betreiber verzichten auf eine Schanklizenz und setzen ganz auf den Tabakkonsum, weil es bislang Auflagen spart.
Oft kooperierten die Betreiber mit illegalen Tabak-Produzenten, heißt es von Ermittlern (siehe Artikel unten). Es gilt als gesichert, dass etwa der Drogenhandel an Brennpunkten wie der Balduintreppe auf St. Pauli aus einschlägigen Shisha-Bars koordiniert wird. Der Bezirksamtschef Falko Droßmann sagt: „Uns ist bekannt, dass auch Personen aus dem kriminellen Milieu in einigen Shisha-Bars regelmäßig verkehren.“
Neues Gesetz soll genaue Regeln festlegen
Nur repressiv gegen Bar-Betreiber vorzugehen, sei aber falsch, glaubt Droßmann: „Es handelt sich auch um ein integrationspolitisches Thema.“ In Mitte haben 70 Prozent der Minderjährigen einen Migrationshintergrund, pflegen den Besuch in Shisha-Bars als Teil ihrer kulturellen Wurzeln. Eine Gefahr bestehe darin, dass junge Leute dort die falschen Freunde aus dem Milieu kennenlernten. „Hier gilt es wachsam zu sein, ohne diese Art von Betrieben generell zu verteufeln“, sagt Droßmann.
Auch der Wandsbeker Bezirksamtsleiter Ritzenhoff warnt vor einem Generalverdacht gegen die Betreiber. Eine strikte Handhabe gegen die Bars haben die Bezirke ohnehin nicht. „Wir bestimmen nicht über die Mieter, die von den Eigentümern ausgesucht werden“, sagt Ritzenhoff.
Er verweist auf ein Regelwerk für Shisha-Bars, das derzeit unter Führung der Gesundheitsbehörde erarbeitet wird. Ein erster Entwurf kursiert derzeit auf Arbeitsebene. Ritzenhoff sieht gesundheitliche Aufklärung bei Jugendlichen als wichtigsten Hebel, „damit das Phänomen nicht Überhand nimmt“.