Hamburg. UKE-Professor Michael Amling empfiehlt unter anderem ausreichende Versorgung mit Vitamin D. Seine Tipps.
Es ist ein erstaunliches Erneuerungsprogramm: Etwa alle sechs Jahre
regeneriert sich unser Skelett. Im Idealfall könnte deshalb ein
70-Jähriger genauso starke Knochen haben wie ein 20-Jähriger.
Permanent bauen sogenannte Osteoklasten an Tausenden Stellen alten
Knochen ab, während Osteoblasten neuen Knochen aufbauen. In den
neuen Knochen wird Kalzium eingelagert – vorausgesetzt, es wurde im
Darm genügend Kalzium aufgenommen, weil genügend Vitamin D dies
möglich gemacht hatte.
Vielen Menschen fehle es jedoch an Vitamin D, sagte der
Knochenexperte Prof. Michael Amling an der Gesundheitsakademie des
Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Der Direktor des
Instituts für Osteologie und Biomechanik geht davon aus, dass auch
ein Großteil der Hamburger unzureichend mit Vitamin D versorgt ist.
Dabei verwies Amling unter anderem auf Untersuchungen des
Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin.
Aus der aktuellen
Einschätzung des RKI ergibt sich allerdings ein weniger
dramatisches Bild. Nach jüngsten Erkenntnissen wiesen 15 Prozent
der Erwachsenen in Deutschland einen Vitamin-D-Mangel auf, erklärte
das RKI auf Abendblatt-Nachfrage, wobei es als Mangel eine
Vitamin-D-Konzentration von unter 30 Nanomol pro Liter Blutserum
bezeichnet. Weitere 41 Prozent der Erwachsenen wiesen Werte
zwischen 30 und 50 Nanomol auf und seien deshalb „suboptimal“ mit
Vitamin D versorgt.
Unzureichende Vitamin-D-Versorgung in den Wintermonaten
Wer im Sommer oft in der Sonne ist, kann in
dieser Zeit eher davon ausgehen, dass seine Haut ausreichend
Vitamin D produziert. Im Winter jedoch ist die hautwirksame
UV-Strahlung nur noch verschwindend gering, deshalb produziert
unsere Haut dann kaum Vitamin D. Und allein durch Vitamin-D-reiche
Lebensmittel wie Fettfisch und Eier lasse sich der Bedarf nicht
decken, es sei denn, man vertilge täglich etwa 400 Gramm Hering,
erklärte UKE-Arzt Michael Amling.
Ob man zur Deckung des Bedarfs
kontinuierlich Vitamin-D-Tabletten einnehmen sollte, ist jedoch
umstritten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt
für alle gesunden Bundesbürger ab dem zwölften Lebensmonat, pro Tag
mindestens 800 internationale Einheiten (IE) Vitamin D etwa in
Tablettenform einzunehmen, sofern keine häufige Sonnenbestrahlung
gegeben ist. Die gewünschte Versorgung sollte laut DGE bei
mindestens 50 Nanomol liegen.
Wie Michael Amling erläuterte, führen
niedrige Vitamin-D-Werte nicht zwangsläufig zu Knochenproblemen. „
Wir haben Knochen im Überfluss und können viel Knochenmasse
verlieren, ohne dass Knochen brechen“, sagte der Orthopäde.
Gleichwohl plädiert auch er dafür, pro Tag mindestens 800 IE
Vitamin D einzunehmen. Ausgenommen davon seien Menschen mit einem
hohen Kalziumspiegel im Blut oder mit einer Sarkoidose, einer
seltenen entzündlichen Erkrankung. Eine Vitamin-D-Messung etwa beim
Hausarzt bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen allerdings nicht.
Auch für Vitamin-D-Präparate müssen die Versicherten selbst
aufkommen.
"Vier von fünf Knochenbrüchen sind überflüssig."
Fehlt es an Vitamin D oder an Magensäure, die das
Kalzium aus der Nahrung erst „aufschließen“ muss, sinkt der
Kalziumspiegel kurzzeitig. Darauf reagiert der Körper so: Die
Knochen geben Kalzium frei, damit das Herz und die Muskeln keinen
Mangel erleiden, wie Amling erläuterte. Für unser Skelett könne
dies zur Folge haben, dass die Festigkeit der Knochen nachlasse.
„
Wahrscheinlich bauen die meisten mehr Menschen kontinuierlich etwas
mehr Knochensubstanz ab, als sie aufbauen“, sagte Amling. Mit dem
Knochenschwund, der Osteoporose, steige die Gefahr, dass der
Knochen schon bei gewöhnlichen Belastungen breche. Hauptsächlich
trifft es ältere Menschen, denn es kann einige Jahrzehnte dauern,
bis sich ein Mangel bei der Kalziumaufnahme entsprechend äußert.
Vor allem betroffen sind dann Wirbelkörper, Oberschenkel-, Ober-
und Unterarmknochen. Immerhin: „Osteoporose lässt sich bestens
therapieren“, sagte Amling. Besser wäre es jedoch, wenn es gar
nicht so weit käme: „Vier von fünf Knochenbrüchen sind überflüssig.“
Maßnahmen bei Vitamin-D-Mangel und Kalziumdefizit
Die erste Maßnahme bei einer Osteoporose-Therapie sei in der
Regel, durch die Gabe von Vitamin D den Kalziumstoffwechsel zu
stabilisieren. Habe ein gestörter Kalziumstoffwechsel mit einem
Mangel an Magensäure zu tun, lasse sich dies medikamentös
behandeln, sagte Amling. Mit Medikamenten sei es außerdem möglich,
den Knochenabbau zu hemmen und den Knochenaufbau zu stimulieren.
Apropos: Wer viel Zeit auf dem Sofa verbringe, dem nütze auch
genügend Vitamin D nur bedingt, sagte Amling. „Knochen bleiben nur
stabil, wenn sie regelmäßig belastet werden. Wer seinem Skelett
etwas Gutes tun will, bewegt sich viel oder treibt Sport.“
Mit der
Gesundheitsakademie will das UKE den jüngsten Stand des
medizinischen Wissens vermitteln. Im Anschluss an die Vorträge
können sich die Besucher auf dem „Markt der Gesundheit“ über
Prävention, Selbsthilfe, Diagnostik, Behandlung und Rehabilitation
informieren. Partner der Gesundheitsakademie ist das Abendblatt.
Der nächste Vortrag findet am 10. Dezember ab 18.30 Uhr statt und
beschäftigt sich mit diesem Thema: „Das geht an die Nieren –
Risiken früh erkennen, Erkrankungen vermeiden“. Ticket pro
Veranstaltung: 10 Euro (zzgl. Gebühren). Erhältlich sind Karten in
der Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18–32 (Mo–Fr 9 bis
19 Uhr, Sa 10 bis 16 Uhr), unter www.abendblatt.de/leserevents und
an der Abendblatt-Ticket-Hotline: 040/303098 98. Veranstaltungsort:
UKE, Gebäude N55, Martinistr. 52, 18.30 bis 21 Uhr.