Hamburg. Heike Uhde folgt auf Steven Baack, der nach schweren Vorwürfen versetzt wurde. Ihm droht ein Disziplinarverfahren.

Als er ganz oben war, richteten sich die Kameras auf ihn, es war eine Heldengeschichte: Mit festem Blick führte Soko-Chef Steven Baack (38) von der Abteilung „Cold Cases“ im Februar den Verdächtigen in einem 37 Jahre alten Fall von versuchtem Mord ab, war später sogar auf dem „Spiegel“-Titel zu sehen – und arbeitete mit seinem Team schon am nächsten spektakulären Fall. Eine „richtige Marke“ nannten sie ihn im Präsidium. Ein Mann, eine Botschaft: Kein Verbrechen wird mehr vergessen.

Uhde wird Nachfolgerin

Das schöne Bild zersprang am Donnerstag nach einem Gespräch von LKA-Chef Frank-Martin Heise und Polizeipräsident Ralf Martin Meyer im Präsidium. Baack wird versetzt. Der 38-Jährige sei ein „leistungsfähiger und motivierter Mitarbeiter“, aber den „hohen Anforderungen nicht in allen Punkten gerecht geworden“. Es sind Höflichkeiten, wie sie Fußballvereine einem Trainer nachrufen, den sie mangels Erfolg entlassen haben. „Die ganze Sache macht viele von uns ziemlich sprachlos“, sagt ein Kriminalbeamter. Nun übernimmt Heike Uhde (39), die bisher in der Pressestelle gearbeitet hat, die Leitung von „Cold Cases“.

Aus Sicht der Polizeiführung war Baack zum Risiko für das Vertrauen in die Arbeit der Polizei geworden. Die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring hatte den Verdächtigen von der Festnahme im Februar freigesprochen – und von Hinweisen auf „verbotene Ermittlungsmethoden“ durch Baack und seine Mitarbeiter gesprochen.

Eklatante Mängel

Das sei noch sehr vorsichtig formuliert gewesen, heißt es aus ihrem Umfeld. Bei nahezu jeder Aussage im Zeugenstand während des Verfahrens gab es demnach Hinweise auf eklatante Mängel: Mehrfach könnten etwa angebliche DNA-Spuren benutzt worden sein, um Zeugen bei Aussagen zu bestärken und den Verdächtigen selbst unter Druck zu setzen – dabei gab es solche Beweismittel nie. Es wurde auch der Verdacht laut, Baack habe eine Aussage des Verdächtigen falsch vermerkt, – und den wichtigsten Zeugen mit der Aussicht auf eine Belohnung gelockt. Baack wehrt sich gegen diese Vorwürfe mithilfe des Staranwalts Gerhard Strate.

Kriminalhauptkommissar Steven Baack, der geschasste Leiter der Ermittlungsgruppe Cold Case
Kriminalhauptkommissar Steven Baack, der geschasste Leiter der Ermittlungsgruppe Cold Case © Andre Zand-Vakili | Andre Zand-Vakili

"Haltlose Vorwürfe"

Dieser betonte am Donnerstagvormittag im Gespräch mit dem Abendblatt, dass es eigentlich noch keine Entscheidung über die Zukunft des Soko-Chefs geben dürfe: „Zum Rechtsstaat gehört Rechtsgehör, und Steven Baack wurde in der Sache noch nicht angehört.“ Strate sagte, er sei überzeugt, dass die Vorwürfe gegen seinen Mandanten haltlos seien. Vor dem Debakel vor Gericht in dem aktuellen Fall hatte die Abteilung „Cold Cases“ unter seiner Leitung bereits den Mord an der Steilshooperin Beata Sienknecht nach 36 Jahren aufgeklärt. Nach Bekanntwerden der Versetzung war Strate am Donnerstagabend nicht mehr für eine weitere Stellungnahme zu erreichen.

Disziplinarverfahren möglich

Die Polizeiführung will bislang nicht preisgeben, was genau in jenem 15-seitigen Bericht steht, den eine prominent besetzte Gruppe von Beamten nach ihrer Überprüfung der Abteilung „Cold Cases“ geschrieben hat. „Wir werden diese ersten Ergebnisse durch externe Bewertungen ergänzen lassen“, sagt Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. Der Bericht wird auch in eine Prüfung der Staatsanwaltschaft einfließen, die mögliche Fehler bei beiden Ermittlungsbehörden in dem Gerichtsverfahren prüft. Ein strafrechtliches Verfahren gegen Baack gilt als unwahrscheinlich, auch wenn sich die Vorwürfe weiter erhärten – dafür müsste ihm etwa nachgewiesen werden, dass er von der Unschuld des späteren Angeklagten wusste. Es könnte jedoch ein Disziplinarverfahren folgen.

In den Reihen der Polizei war die Versetzung Baacks erwartet worden. Bereits vor seiner Ernennung zum Soko-Chef war Baack für einen Einsatz des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) verantwortlich, bei dem ein Unschuldiger angeschossen wurde und ein Auge verlor. „Er hatte keine Erfahrung bei Mordermittlungen, das war für einige irritierend“, sagt ein Beamter. Seine Unterstützer betonten dagegen stets, dass es einen frischen Ansatz bei ungelösten Fällen brauche.

Neue Aufgabe für Baack

Die neue Soko-Chefin Heike Uhde hat dagegen bereits jahrelang Erfahrung in der Mordkommission gesammelt – sie gilt als fleißige, gründliche Ermittlerin. Meyer betont, dass die Abteilung „Cold Cases“ bestehen bleibe. „Sie steht durch diesen Fall nicht infrage, vielmehr wird ihr Konzept verbessert und fortgeführt“, so der Polizeipräsident. Entsprechende „strukturelle und qualitätssichernde Anpassungen“ seien bereits eingeleitet worden. Baack wird daran nicht mehr teilhaben. Man wolle nun gemeinsam eine neue Aufgabe für ihn im Polizeiapparat finden.