Hamburg . Prozess um Tötung von Mutter und Kind: Vor der Tat hatten die Eltern vor dem Familiengericht erbittert um das Sorgerecht gestritten.
Es war diese unterschwellige Spannung. Eine Missstimmung, die sich langsam breit machte und die Atmosphäre allmählich zu vergiften schien. Immer wieder hatte Mado Bido M. betont, dass er ein Anrecht auf seine kleine Tochter Mariam habe, mehrfach hatte der Mann gefordert, dass er mehr Zeit mit dem Kind verbringen wolle.
Eine Anwältin, die die Szenerie beobachtete, witterte eine Gefahr für das Mädchen und deren Mutter Sandra P. Doch diese sah keinen Anlass, sich Sorgen zu machen. Eine fatale, eine tödliche Fehleinschätzung: Einen Tag später waren Mariam und Sandra P. tot, erstochen auf einem Bahnsteig am Jungfernstieg.
Vorgeschichte des Mordes
Es ist der siebte Verhandlungstag im Prozess um die Tötung von Mutter und Kind im Herzen der Stadt, und es ist der Tag, an dem die Vorgeschichte des Dramas vom 12. April beleuchtet und vielleicht das Motiv des Angeklagten Mado Bido M. klarer werden soll. Der 34-Jährige hatte bereits zum Prozessauftakt gestanden, seine 21 Monate alte Tochter Mariam und seine frühere Lebensgefährtin Sandra P. mit einem Messer umgebracht zu haben. Was er getan habe, sei „bei Gott eine Sünde“, hatte er gesagt.
Schon etliche Gerichtstermine
Die Staatsanwaltschaft wirft dem aus Niger stammenden Angeklagten vor, die Taten aus niedrigen Beweggründen und heimtückisch begangen zu haben. Sie geht davon aus, dass das leitende Motiv für den Doppelmord ein Sorgerechtsstreit um das gemeinsame Kind war, bei dem der 34-Jährige nur noch wenig Aussicht auf einen häufigen Umgang mit seiner Tochter hatte.
Die damals zuständige Familienrichterin erzählt als Zeugin im Prozess, es habe mehrfach Gerichtstermine mit Mado Bido M. und Sandra P. gegeben. Zunächst, als der 34-Jährige klären lassen wollte, dass er der leibliche Vater von Mariam ist. Dies wurde anhand eines Vaterschaftsgutachtens festgestellt.
An einem anderen Tag ging es um eine Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz, mit der Sandra P. erreichen wollte, dass der 34-Jährige sich ihr und der Tochter nicht mehr nähern dürfe. Vorausgegangen, so hatte die Mutter es beim Familiengericht vorgebracht, seien Drohungen des Mannes gewesen. So habe er ihr etwa gesagt: „Wenn du in Afrika wärst, wärst du schon tot.“ Auch habe er sie und Mariam mal auf dem Weg von der Kita bis zum Kinderarzt und schließlich bis zur Wohnung von Mutter und Tochter verfolgt. Und an einer Bushaltestelle sei es zur Androhung von Handgreiflichkeiten gekommen.
Anti-Aggressionstraining angeregt
Es habe Äußerungen des 34-Jährigen gegeben im Sinne von: „Es wird nie wieder gut“, hatte Sandra P. vor dem Familiengericht erzählt. Und: Er wolle ohne seine Tochter nicht leben. Ein Vertreter des Jugendamtes, der bei der Anhörung dabei war, habe aufgrund der Darstellung der Mutter eine Kindeswohlgefährdung durch Mado Bido M. gesehen. Auch Mariams Mutter habe nicht gewollt, dass er die Tochter allein sieht. „Da fragte der Vater immer wieder, warum er eine Gefahr für das Kind sein solle“, erinnert sich die Familienrichterin. Die Stimmung sei zunehmend angespannt gewesen, der 34-Jährige sei aggressiver und lauter geworden. „Er sagte über Mariam: ,She is my blood.’ Sie ist mein Blut.“ Der Anwalt der Tochter habe angeregt, dass Mado Bido M. ein Anti-Aggressionstraining machen solle. „Das konnte er nicht nachvollziehen und wollte das auch nicht machen.“
Unbegleitete Treffen abgelehnt
Die Richterin entschied darauf hin, dass der Umgang nur begleitet stattfinden solle. Das habe der Mann zunächst so hingenommen, nach dem Motto: Besser als nichts. Am 11. April kam es schließlich vor dem Familiengericht zu dem Termin, an dem über die elterliche Sorge entschieden werden sollte. Mado Bido M. habe weiter darauf bestanden, dass er seine Tochter auch unbegleitet sehen wolle, erzählt die Familienrichterin. „Ich machte deutlich, dass das aus meiner Sicht bis auf weiteres nicht in Frage kommt.“
Im Übrigen sei er zwar zweifelsfrei der biologische Vater von Mariam, aber der neue Lebensgefährte der Mutter sei der „soziale Vater“. „Da änderte sich die Stimmung. Er sagte, er wolle sofort sein Recht haben.“ Mit den Worten „She is my daughter, she is my blood“ sei der 34-Jährige wütend Richtung Tür gegangen. Ob es bei ihr mal den Gedanken gegeben habe, möchte der Vorsitzende Richter von der Zeugin wissen, „dass es zu etwas Hochaggressivem umschlagen könnte“? Die Familienrichterin antwortet mit einem klaren „Nein.“ Wenn überhaupt, so habe sie überlegt, dass sich die Wut von Mado Bido M. gegen den neuen Lebensgefährten der Mutter richten könnte. Der Prozess wird fortgesetzt.